Digitale Sprachassistenten Alexa birgt Risiken für Kinder

Berlin · Ein neues Bundestagsgutachten weist auf Gefahren bei der Nutzung von digitalen Sprachassistenten hin.

 Auch Kinder nutzen digitale Sprachassistenten – und geben so unter Umständen sensible Daten preis

Auch Kinder nutzen digitale Sprachassistenten – und geben so unter Umständen sensible Daten preis

Foto: dpa-tmn/Franziska Gabbert

„Alexa, wie wird das Wetter heute?“ „Alexa, stelle einen Timer auf 20 Minuten.“ Der Umgang mit dem vernetzten Lautsprecher von Amazon ist kinderleicht. Doch was passiert, wenn die Kinder mit dem Sprachassistenten umgehen?

Mit diesem Thema hat sich der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags beschäftigt. Dessen Aufgabe ist es, die Abgeordneten durch Analysen und Fachinformationen zu unterstützen. Der fraktionslose Bundestagsabgeordnete Uwe Kamann hatte die Frage aufgeworfen, ob es zulässig ist, dass Amazon die Spracheingaben der Alexa-Nutzer auswertet. Die Antwort der Rechtsexperten des wissenschaftlichen Dienstes fiel zwiespältig aus. Zum einen bescheinigte er dem US-Konzern, sich an zentrale Bestimmungen der Europäischen Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) zu halten. Das betrifft die Frage, ob Amazon die Anwender ausreichend über die Datenverarbeitung informiert und nach ihrer Einwilligung fragt. In einem anderen Bereich sehen die Experten aber Probleme.

Die Risiken betreffen nach Einschätzung der Wissenschaftler vor allem Minderjährige und Gäste, die eine mit Alexa bestückte Wohnung besuchen. Konkret gehe es darum, dass Kinder persönliche Informationen preisgeben oder mit ihrer Stimme Inhalte abrufen könnten, die für Minderjährige nicht geeignet sind. Außerdem stelle sich die Frage, was mit Besuchern ist, die nicht wissen, dass die Software gerade aufzeichnet.

Mit Blick auf die USA sei außerdem unklar, zu welchen weiteren Zwecken Amazon seine Daten künftig nutzen könnte, heißt es in dem Gutachten. Auch ein Datendiebstahl aus der Amazon Cloud könne nicht ausgeschlossen werden. Aufgrund der Masse der dort gespeicherten Informationen könnte dies laut Wissenschaftlichem Dienst die Nutzer von Alexa besonders sensibel treffen.

Das Bundesinnenministerium fühlt sich in der Sache nicht zuständig. Ein Sprecher erklärte auf Anfrage: „Die Nutzung der Sprachassistenten betrifft Datenverarbeitungen durch nichtöffentliche Stellen.“ Für diese lasse die Datenschutz-Grundverordnung der EU den nationalen Gesetzgebern so gut wie keinen Regelungsspielraum. „Wir müssen darauf dringen, dass die Einwilligungserklärung für den Nutzer auf die Gefahren und Möglichkeiten hinweist, die mit der Übertragung und Nutzung der Daten verbunden sind“, sagt Kamann, der das Gutachten angefordert hatte. Dies müsse detailliert erfolgen, „und nicht, indem man nur einmal ein Häkchen für alles setzt“. Der Wissenschaftliche Dienst hält fest: „Angaben zur Speicherungsdauer sind in den Nutzungsbedingungen von Amazon nicht ersichtlich.“

Kamann hatte gezielt nach Alexa gefragt. Er betont jedoch: „Bei allen sprachbasierten Aufzeichnungssystemen gibt es diesen kritischen Punkt.“ Auch Siri von Apple, der Google Assistant und Cortana von Microsoft bieten ähnliche Funktionen, etwa Musik zu spielen oder Fragen zu beantworten. Laut einer aktuellen Studie werden die Sprachassistenten besonders häufig in Familien genutzt.

Die Alexa-Software sendet erst dann Sprachdaten an Amazon, wenn der Nutzer ein Aktivierungswort ausspricht. Zur Auswahl stehen „Alexa“, „Computer“, „Echo“ oder „Amazon“. Im Regelfall sind die aufgezeichneten Sprachhappen nur wenige Sekunden lang. Man kann mit Alexa aber auch Sprachnachrichten verschicken, die natürlich auch sensiblere Themen berühren können. Für Schlagzeilen sorgte im Mai 2018 eine Panne, bei der Alexa ausgelöst durch eine Serie von Hörfehlern die Unterhaltung eines Paares in den USA aufgenommen und versehentlich an Dritte verschickt hatte.

In die Kritik geriet Amazon auch als Alexa-Sprachaufzeichnungen in die Hände eines Unbefugten gelangten. Ein Anwender hatte den Konzern um Auskunft zu seinen gespeicherten Daten nach der DSGVO gebeten. Amazon stellte ihm die Daten bereit, darunter auch Audiodateien, die von einem anderen Nutzer stammten. Er selbst hatte Alexa nie genutzt. Dieser Vorfall löste bei der Stiftung Datenschutz harsche Kritik aus: „Wir wollen nicht technikfeindlich wirken, doch wir sagen ganz entschieden: Wer anscheinend nicht ausgereifte Systeme wie Alexa & Co. in sein engstes Lebensumfeld lässt, der gefährdet seine Privatsphäre.“

Auf Misstrauen stößt auch eine neue Funktion. Amazon bietet den Nutzern seines Sprachassistenten neuerdings an, ein persönliches Stimmprofil einzurichten. „Gerade die Möglichkeit der Stimmerkennung wird den Datenschutz vor zusätzliche Herausforderungen stellen“, schreiben die Experten des Wissenschaftlichen Dienstes.

Kritisch sieht auch die Grünen-Abgeordnete Renate Künast die neuen Möglichkeiten: „Die Verknüpfung von Social-Media-Profilen mit den Daten der Stimmerkennung ist für die Konzernlenker von Amazon und Google ein Schatz, den sie bisher ohne politische Gegenwehr erbeuten können.“ Sie forderte die Bundesregierung auf, den Schutz von Verbrauchern und Kindern ernst zu nehmen.

 Amazon gibt an, die Skepsis nicht nachvollziehen zu können: Die Stimmprofile werden dem Konzern zufolge nur genutzt, „um das individuelle Nutzererlebnis zu verbessern“. Auf den Befehl „Computer, spiele Musik“ hin werden beispielsweise für verschiedene Profile unterschiedliche Titel abgespielt. Das Gerät für Kinder oder Mitbewohner zu sperren, erlaubt die neue Stimmerkennung aber nicht. „Eine zweifelsfreie biometrische Identifizierung, die Voraussetzung für das Sperren einzelner Profile, beziehungsweise für die Deaktivierung von Sprachaufzeichnung einzelner Nutzer wäre, findet über Stimmprofile nicht statt“, erklärte Amazon.

(dpa)
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