BGH-Urteil Yelp darf Bewertungen aussortieren

Karlsruhe · Der Bundesgerichtshof gibt dem Online-Portal im Streit mit einer Münchener Fitnessstudio-Betreiberin recht.

 Renate Holland, Betreiberin mehrerer Münchner Fitnessstudios, ist mit ihrer Klage gegen das Bewertungsportal Yelp gescheitert.

Renate Holland, Betreiberin mehrerer Münchner Fitnessstudios, ist mit ihrer Klage gegen das Bewertungsportal Yelp gescheitert.

Foto: dpa/Lino Mirgeler

Das Onlinebewertungsportal Yelp darf seine Gesamtbewertung von Unternehmen auf eine automatisierte Auswahl stützen. Das hat der Bundesgerichtshof im Rechtsstreit zwischen Fitnessstudio-Betreiberin Renate Holland und dem Internet-Unternehmen entschieden.

Die rechtlich geschützten Interessen der Klägerin überwiegen nach Überzeugung der Karlsruher Richter nicht die schutzwürdigen Belange von Yelp. „Ein Gewerbetreibender muss Kritik an seinen Leistungen und die öffentliche Erörterung geäußerter Kritik grundsätzlich hinnehmen“, sagt der Vorsitzende Richter Stephan Seiters. (Az.: VI ZR 495/18 u.a.). Holland zeigt sich nach dem Urteil enttäuscht. „Ich bin schon ein bisschen traurig darüber“, sagte sie. „Man hätte endlich mal ein bisschen Klarheit schaffen können, aber jetzt geht es leider weiter so.“

Auf dem Bewertungsportal Yelp können Nutzer Restaurants, Dienstleister und Geschäfte bewerten. Ein Stern stellt die schlechteste, fünf Sterne die bestmögliche Bewertung dar. Aus den von Nutzern abgegebenen Rezensionen setzt sich eine Gesamtnote zusammen. Holland hatte bei der Verhandlung im vergangenen November gesagt, dass ihre Studios unter den Bewertungen litten. Eines ihrer Studios erhielt beispielsweise im Februar 2014 auf Grundlage von nur zwei Bewertungen 2,5 Sterne. 74 überwiegend sehr positive Beiträge flossen nicht in die Gesamtnote ein. Zwar können auch Beiträge, die Yelp nicht empfiehlt, gelesen werden. Nach ihnen müssen Nutzer aber auf der Seite ganz gezielt suchen.

Die Plattform berücksichtigt jedoch nicht alle Rezensionen, sondern nur solche, die eine automatische Software des Portals als „empfehlenswert“ einstuft. Yelp-Anwalt Stephan Zimprich erklärte, die Empfehlungssoftware diene dazu, möglicherweise manipulierte und beeinflusste Bewertungen nicht in die Gesamtbewertung einfließen zu lassen. Das Portal räumt jedoch ein, dass auch Beiträge von Kunden aussortiert werden, die das Portal schlicht nicht gut genug kenne und daher nicht empfehle. Dazu gehören etwa Kunden, die auf der Seite erst eine oder nur wenige Bewertungen abgegeben haben.

Holland ging es laut ihrem Anwalt Axel Rinkler bei der Klage vor allem um Transparenz. Beitreiber seien den Bewertungen auf Plattformen wie Yelp komplett ausgeliefert. Der Algorithmus, der die Auswahl der Rezensionen bestimme, sei Geschäftsgeheimnis und damit für die Betroffenen nicht überprüfbar. Tatsächlich macht Yelp nur einige wenige Kriterien öffentlich. Das gehe auch gar nicht anders, erläutert Zimprich. „Wenn ich weiß, wie gefiltert wird, kann ich Bewertungen so manipulieren, dass sie durch den Filter durchkommen.“ Im Durchschnitt werden nach Angaben von Yelp etwa drei Viertel aller Beiträge als „empfohlen“ eingestuft.

Vor dem Oberlandesgericht München hatte Holland noch Erfolg. Durch das Aussortieren vieler Bewertungen entstehe ein verzerrtes Gesamtbild, lautete das Urteil. Die BGH-Richter argumentierten dagegen, der „unvoreingenommene und verständige Nutzer“ erkenne, wie viele Beiträge es zu einem Unternehmen gebe und dass die Grundlage für die Gesamtbewertung nur die von Yelp empfohlenen Beiträge seien.

Der Digitalverband Bitkom sieht durch das Urteil Verbraucherschutz und die Rechtssicherheit von Plattformbetreibern gestärkt. Transparente und unabhängige Bewertungen seien wichtig für Verbraucher. Um diese zu garantieren, „müssen gefälschte, gekaufte und nicht vertrauenswürdige Bewertungen herausfiltern dürfen“, erläutert Bitkom. Eine Umfrage des Verbandes hat erst vor Kurzem ergeben, dass mehr als die Hälfte aller Onlinekäufer in Deutschland die Rezensionen anderer Kunden als Entscheidungshilfe vor dem Kauf lesen.

Wissenschaftler der Technischen Universität Dortmund haben jedoch herausgefunden, dass Kundenbewertungen die Qualität von Produkten nicht gut widerspiegeln. Käufer und Kunden tendieren dazu, nur besonders positive oder negative Reaktionen mitzuteilen, erklärt Studienautor Sören Köcher. „Deshalb finden wir recht selten mittlere Bewertungen mit drei oder zwei Sterne“, sagt er. Nutzer sollen sich nicht darauf verlassen, dass die Gesamtbewertung tatsächlich auf Qualität schließen lassen. Köcher empfiehlt, Einzelbewertungen durchzulesen und nicht auf die berechnete Gesamtwertung zu schauen.

Ein Gutes hat der langwierige Rechtsstreit aus Hollands Sicht dennoch. „Vielleicht sehen sich die Leute, wenn sie auf den ersten Blick nur schlechte Bewertungen sehen, auch den Rest an.“ Sie habe sich natürlich einen anderen Ausgang gewünscht, auch im Sinne der Bewerter, erklärt sie. „Deren Meinungen und deren Bewertungen werden ja beschnitten“, sagt die 67-jährige Fitnessstudio-Betreiberin.

(dpa)
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