Bei Kritik im Netz droht die Klatsche

Saarbrücken · In mehreren Fällen reagierten Online-Anbieter auf schlechte Kundenbewertungen im Internet mit Unterlassungsklagen. Große Handelsplattformen wie Amazon schützen ihre Kunden dabei oft nur unzureichend.

Kundenmeinungen sind mächtig. Ob auf Amazon , Ebay oder bei Hotelbuchungen: Wie Käufer ein Produkt auf Online-Marktplätzen bewerten, entscheidet darüber, ob es Kassenschlager oder Ladenhüter wird. Negative Kritik sehen Händler und Hersteller deshalb auf Online-Handelsplattformen wie Amazon gar nicht gern. In den USA bekam das zuletzt der Käufer eines Internet-Routers zu spüren, berichtet das IT-Portal Ars Technica. Dessen Hersteller Mediabridge drohte dem Autor der negativen Rezension auf Amazon mit einer gerichtlichen Klage wegen Geschäftsschädigung, sollte er seine Kritik nicht zurücknehmen. Nachdem der Kunde Amazon-Chef Jeff Bezos höchstpersönlich um Hilfe gebeten hatte, entzog der Versandkonzern Mediabridge die Verkaufslizenz. Seine Drohung machte der Hersteller in Folge nicht wahr.

In einem vergleichbaren Fall in Deutschland landete jüngst ein Amazon-Nutzer vor dem Landgericht Augsburg - mit einer Klage im Streitwert von knapp 70 000 Euro am Hals. Thomas Allrutz hatte im Juni 2013 ein auf Amazon gekauftes Fliegengitter für 22,51 Euro negativ bewertet. Er kritisierte, dass die Anleitung missverständlich sei und der Schutz für sein Küchenfenster zu klein ausfiel. Prompt drohte der Händler mit einer Anzeige, sollte Allrutz seine Bewertung nicht löschen. Nachdem Allrutz sich bei Amazon über den Händler beschwert hatte, schloss der Versandkonzern dessen Händlerkonto. Daraufhin klagte der Händler auf 38 000 Euro Schadensersatz. Das Urteil der Augsburger Richter dürfte weitreichende Folgen für Amazon und seine Nutzer in Deutschland haben.

Ende Juni hat der Prozess begonnen - noch ohne Ergebnis. Einen Vergleich haben beide Seiten abgelehnt. Am 30. Juli ist der nächste Verhandlungstag. Entscheidend für den Prozess werde die Frage sein, ob es sich bei Allrutz' Bewertung um eine Tatsachenbehauptung oder eine subjektive Meinungsäußerung gehandelt habe, sagt Hermann Wagner, Pressesprecher und Vorsitzender Richter am Landgericht Augsburg. Sollte es sich bei der Bewertung um eine falsche Tatsachenbehauptung handeln, bestünde seitens des Klägers Anspruch auf Unterlassung und gegebenfalls auch auf Schadensersatz, erklärt Wagner. Wie Amazon seine Kunden künftig vor Klagen seitens der Händler schützen will, beantwortete das Unternehmen auf SZ-Anfrage nicht. In die Meinungsäußerung von Kunden greife es nur ein, wenn ein offensichtlicher Rechtsverstoß bestünde oder die hauseigenen Richtlinien nicht beachtet würden.

Doch wie bewerten Käufer Produkte im Internet, ohne das Risiko einer Klage einzugehen? "Die Meinungsfreiheit ist ein gewichtiges Grundrecht", erklärt der Saarbrücker Anwalt für IT-Recht, Wolfgang Kuntz. "Wenn ich aber schreibe: ,Der Händler liefert nur Schrott‘, ist das von der Meinungsfreiheit nicht gedeckt, weil es sich um ein diffamierendes Pauschalurteil handelt." Kritisiere ein Käufer überzogen und behaupte falsche Tatsachen, dann sei das rechtswidrig und könne vom Händler zur Anzeige gebracht werden. "In Produktbewertungen sollte niemand persönlich verletzt werden. Eine Meinung sollte immer gut begründet und sachlich formuliert sein." Wörtlich schrieb der Fliegengitter-Kritiker auf Amazon : "In der Anleitung steht ganz klar, man muss den Innenrahmen messen. Das ist falsch. Damit wird das Ganze zu kurz! Ich habe beim Verkäufer angerufen, Fazit: Er will sich dazu lieber nicht äußern, allein das ist eine Frechheit."

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