Betrugsfälle bei Digitalkarten Warum Betrüger Online-Karten fälschen

New York · Dienste wie Openstreetmap oder Google Maps setzen auf die Beteiligung ihrer Nutzer, um detaillierte Informationen bereitstellen zu können. Dadurch riskieren sie jedoch mutwillige Manipulationen ihrer Daten.

 Digitale Landkarten auf dem Smartphone ersetzen heutzutage bei vielen Menschen den Straßenatlas oder den Stadtplan.

Digitale Landkarten auf dem Smartphone ersetzen heutzutage bei vielen Menschen den Straßenatlas oder den Stadtplan.

Sie wirken präziser als alles, was es je auf Papier gegeben hat. Und in den meisten Fällen sind sie es auch. Digital aufbereitete Landkarten und Stadtpläne haben sehr viele Vorteile – allerdings auch für Betrüger. Geschäfte werden von der Konkurrenz als „geschlossen“ markiert, Gebäude nach Politikern umbenannt. Da viele Daten von Nutzern bereitgestellt werden, bieten Karten bisweilen gar eine Plattform für Hass und Propaganda.

Google, Apple und eine Reihe von kleineren Anbietern nutzen verschiedenste digitale Werkzeuge, um ihre Karten-Apps stets aktuell zu halten. Die Basis bilden oft Satelliten-Bilder und andere gesicherte Quellen zur Beschaffenheit von räumlichen Strukturen. Doch sobald es ins Detail geht, sind selbst die größten Dienste auf ihre Nutzer angewiesen – denn was auf einer bestimmten Straße zu einem bestimmten Zeitpunkt los ist, kann kein Programmierer so gut wissen wie die Menschen vor Ort.

Wenn irgendwo ein Stau angezeigt wird, stammt die Information nicht selten von Autofahrern, die gerade darin feststecken. Wenn in einem Viertel ein neues Café eröffnet, wurde der dazugehörige Eintrag in den Online-Karten vermutlich vom Besitzer selbst eingepflegt. Die Hürde zur aktiven Mitgestaltung der Dienste ist bewusst sehr niedrig gehalten. Auf diese Art können Tausende oder gar Millionen Nutzer zur Qualität beitragen. Fehler werden im Idealfall schnell korrigiert.

Das Prinzip der heute gängigen Digitalkarten ist also nicht das eines klassischen Kartenverlags, sondern eher das von Wikipedia. Und ähnlich wie die Online-Enzyklopädie sind auch diese durchaus anfällig für Missbrauch. Beispiel: Am 30. August hieß New York auf den integrierten Karten des Mitteilungs-Dienstes Snapchat plötzlich „Jewtropolis“ – in Anspielung auf die hohe Zahl der dort lebenden jüdischen Geschäftsleute. Ein Tunnel war als „Adolph Hitler Memorial Tunnel“ beschriftet, eine Brücke als „Pedophile Bridge“.

Snapchat bezieht seine Karten über den Anbieter Mapbox. Dieser wiederum nutzt nach eigenen Angaben Daten aus mehr als 130 Quellen. Eine davon sei ein Online-Projekt namens Openstreetmap, sagt Unternehmenschef Eric Gundersen.

Bei Openstreetmap überschrieb Anfang August ein einzelner Nutzer etliche bekannte Ortsangaben mit antisemitischen Begriffen. Verlaufsprotokolle zeigen, dass diese nach weniger als zwei Stunden von einem anderen Nutzer wieder entfernt wurden. Bei Mapbox blieben die Änderungen allerdings 20 Tage bestehen. Eine Software habe die kritischen Begriffe erkannt und entsprechend markiert, betont Gundersen. Bei der manuellen Überprüfung sei dann aber versehentlich eine falsche Version freigegeben worden.

Die im britischen Cambridge ansässige Openstreetmap-Stiftung erklärte, die boshaften Eingriffe seien so schnell bereinigt worden, dass sie von niemandem bemerkt worden seien, bevor Mapbox sie an Tausende Apps und Webseiten weitergegeben habe. „Die überwältigende Mehrheit der Nutzer ist entschlossen, gemeinsam etwas Großartiges zu schaffen – zahlenmäßig sind diese den wenigen schwarzen Schafen weit überlegen“, schrieb die Organisation in einem Blogeintrag.

Auch Google Maps, der wohl bekannteste Anbieter der Branche, ist nicht gegen Fehler gefeit. Am 29. August trug dort das Russell Senate Office Building in Washington plötzlich den Namen des wenige Tage zuvor verstorbenen US-Senators John McCain. Die Änderung wurde erst korrigiert, nachdem die Presse darüber berichtet hatte. In einer Stellungnahme erklärte Google, das Unternehmen habe Täuschungen im Laufe der Jahre auf ein Minimum reduzieren können und arbeite ständig „an neuen und besseren Methoden, ein derartiges Verhalten zu bekämpfen“.

Für einzelne Personen oder Betriebe können allerdings auch kleinste Manipulationen auf Google Maps gravierende Folgen haben. Das musste im Februar etwa der New Yorker Blumenhändler Greg Psitos erleben. Sein Eintrag in der Online-Karte war gehackt worden. Ausgerechnet am Valentinstag stand dort fälschlicherweise, sein Geschäft im Stadtteil Queens sei geschlossen – an einem der für Floristen wichtigsten Tage des Jahres verlor er somit womöglich sehr viele Kunden.

Um auf das Problem aufmerksam zu machen, trickst er das System inzwischen selbst gelegentlich aus. So schaffte er es etwa, Google Maps anzeigen zu lassen, sein Blumengeschäft sei der Sitz des Fernsehsenders CNN und Standort des New Yorker Wolkenkratzers Trump Palace.

In einer Studie im Auftrag von Google hat Danny Yuxing Huang von der Universität Princeton Hunderttausende als fehlerhaft erkannte Einträge unter die Lupe genommen. Wie sich zeigte, hatten in vielen Fällen Kleinbetriebe wie Schlüsseldienste oder Klempner, die von Aufträgen per Anruf leben, einfach in mehreren Stadtteilen Niederlassungen vorgetäuscht, um so das eigene Geschäft anzukurbeln. So etwas zu verhindern, sei eine große Herausforderung, sagt Huang. Denn umgekehrt sei es wichtig, dass ehrliche Betriebsinhaber einen versehentlichen oder mutwilligen Fehler auf der Karte jederzeit eigenständig korrigieren könnten.

(dpa)
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