Batterie mit Flügeln

Mit viel Enthusiasmus basteln Ingenieure heute an Elektroflugzeugen. Doch die Herausforderungen sind immens. Wenn alles klappt, könnten in zwei Jahrzehnten erste Regionaljets mit 60 Passagieren abheben.

 So sieht ein Modell eines elektrisch angetriebenen Flugzeugs des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt aus. Als Antrieb kommen Brennstoffzellen oder Batterien in Frage. Vor dem Jahr 2035 wird die Technik allerdings nicht serienreif sein. Grafik: DLR

So sieht ein Modell eines elektrisch angetriebenen Flugzeugs des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt aus. Als Antrieb kommen Brennstoffzellen oder Batterien in Frage. Vor dem Jahr 2035 wird die Technik allerdings nicht serienreif sein. Grafik: DLR

Stuttgart. Nachdem der Elektroantrieb am Boden Fuß gefasst hat, soll er nun auch die Lüfte erobern. Ähnlich wie beim Auto stehen die Ingenieuren vor der Herausforderung, den Flug verbrauchsarm, emissionsfrei und leise zu gestalten. Gerade Letzteres hat seinen Charme. "Das Nachtflugverbot könnte fallen", schwärmt Walter Schoefer, Geschäftsführer des Flughafens Stuttgart. Doch das kann noch dauern.

Die EU möchte bis 2050 die CO{-2}-Emissionen im Flugverkehr um 75 Prozent gegenüber dem Jahr 2000 senken. Frühestens 2035 sollen nach den Szenarien von Flugzeugbauern wie Airbus oder Zulieferern wie Siemens größere Maschinen elektrisch fliegen. Dennoch herrscht in der Forscherszene bereits Aufbruchsstimmung. Zum ersten europäischen Symposium zum elektrischen Fliegen versammelten sich am Flughafen Stuttgart kürzlich rund hundert Pioniere des Elektrofluges.

Ingenieure wie Josef Kallo vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt und Len Schumann vom Institut für Flugzeugbau der Uni Stuttgart wollen mehr erreichen als Bertrand Piccard, der mit seinem experimentellen Elektroflugzeug mit durchschnittlich 70 Kilometern pro Stunde um die Welt segelt. In drei Jahren soll eine Elektromaschine zwei bis vier Personen nonstop über eine Strecke von 1000 Kilometern transportieren können, hat Airbusmanager Detlef Müller-Wiesner angekündigt. Airbus plant 2017 eine Kleinserie (50 pro Jahr) eines Zweisitzers mit reinem Elektroantrieb und eines Viersitzers mit Elektro- plus Verbrennungsmotor. Auch Josef Kallo hat einen Viersitzer auf dem Reißbrett. 1000 Kilometer in zwei bis vier Flugstunden zu überwinden, ist aus heutiger Sicht für die Elektrofliegerei rekordverdächtig.

Flugzeug- und Autoingenieure müssten sich eigentlich derzeit bestens verstehen. Die Probleme, mit denen sie zu kämpfen haben, ähneln sich frappierend. Die Batterien sind zu schwach, zu schwer und zu teuer. Auf einem Standardflug braucht ein Mittelstreckenflugzeug wie der Airbus A319 rund 30 Kilogramm Kerosin pro Person. Voll elektrisch müsste er pro Person eine Tonne Batterien mitschleppen, so Peter Rostek von Airbus in Hamburg.

Wie soll der Antrieb des Flugzeugs der Zukunft aussehen? Rein elektrisch über eine Batterie, mit Strom aus der Brennstoffzelle, hybrid als Elektro-plus Verbrennungsmotor? Ingenieur Kallo gibt diese Prognose: Kleine und mittelgroße Flugzeuge könnten vollelektrisch fliegen, 40- bis 60-Sitzer mit Hybridantrieb. Hersteller wie Airbus und Zulieferer für Elektrik und E-Motoren wie Siemens forschen derzeit an 60- bis 90-sitzigen elektrischen Regionaljets fürs Jahr 2035.

Analog die Fahrzeugwelt: Für kleine Flitzer ist die Elektrifizierung kein Problem, bei Luxuslimousinen geht der Trend zum Hybridmotor. So drückt das S-Klasse-Flaggschiff von Mercedes den Spritverbrauch durch geschickte Kombination beider Systeme laut Norm unter drei Liter auf 100 Kilometer. Das macht auch die sogenannte Rekuperation möglich: Beim Bremsvorgang wird die Batterie geladen. Diesen Betriebsmodus gibt es auch im Flugzeug. Der slowenische Flugzeugbauer Pipistrel hat bereits einen ultraleichten Elektroflieger zur Serienreife gebracht, der die Rekuperation beim Landeanflug nutzt. "Die Flugzeit beträgt 45 bis 60 Minuten mit einer Reserve von 30 Minuten", erklärt Tine Tomacic von Pipistrel.

Wenn der Pilot nach einer Flugstunde wieder auf der Piste aufsetzt, hat sich die Batterie durch diese Technik teilweise wieder aufgeladen. Das ist so effizient, dass rechnerisch jeder siebte Flug durch die Rekuperation geschenkt ist. Eine ausgeklügelte Propellerkonstruktion macht diesen technischen Kunstgriff möglich: Die äußere Hälfte des Propellerblatts sorgt ganz klassisch für Schub. Der innere Abschnitt ist hingegen wie ein Windkraftrotor geformt und für die Energierückgewinnung optimiert. Das kostet ungefähr fünf Prozent Wirkungsgrad beim Antrieb, scheint aber verkraftbar.

Auch der von Airbus bald produzierte E-Fan zielt zunächst auf Flugschulen. Die Flugzeiten des Modells liegen ebenfalls bei 45 bis 60 Minuten, die Geschwindigkeit soll 160 km/h betragen. "Das ist für uns zunächst eine Testflotte, um auch die Zertifizierung größerer Flugzeuge anzustoßen", erläutert Müller-Wiesner. Und schließlich gehe es auch um die Passagiere : "Man muss die Menschen daran gewöhnen, elektrisch zu fliegen."

Die Elektromobilität der Luftfahrt könnte ein Comeback des klassischen Propellers bringen, da ein kompakter Elektromotor mehr Möglichkeiten beim Einbau lässt. Beim elektrischen Motorsegler e-Genius, einem Konzeptflugzeug des Instituts für Flugzeugbau der Universität Stuttgart , arbeitet der Propeller beispielsweise vor dem Heckleitwerk. "Die Luft kann dadurch den Propeller besser an- und dann weiterströmen", erklärt Martin Hepperle vom DLR in Braunschweig.

"Wir müssen uns auch darauf einstellen, dass Flugzeuge in Zukunft anders aussehen", sagt Len Schumann von der Universität Stuttgart . Ein Beispiel zeigt Mark Moore von der amerikanischen Weltraumbehörde Nasa. Der Ingenieur entwickelt dort neue Antriebskonzepte. Er verteilt zum Beispiel bis zu 18 Elektromotoren und Propeller über die gesamte Spannweite eines Flugzeugflügels und kann so den Schub exakt dosieren.

Konventionelle Düsentriebwerke sind dagegen auf die besonders energiezehrenden Start- und Aufstiegsphasen ausgelegt. Für den Reiseflug sind diese Aggregate überdimensioniert. Mark Moore will die nicht benötigten Elektromotoren im Flug abschalten oder in den Flügel einziehen. Das erhöht die Effizienz. Während der Reisephase reichten dann die Elektromotoren an den Flügelspitzen für den Antrieb.

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