Astronomen „wiegen“ unsere Galaxis

Viele Menschen kennen ihr Körpergewicht aufs Kilo genau. Selbst die Masse eines Riesenobjekts wie einer Kathedrale und sogar eines kompletten Planeten lässt sich auf einige Prozent genau bestimmen. Doch wenn es um wirklich große Objekte in astronomischen Dimensionen geht, versagen bisher alle Messmethoden.

 So würde ein ferner Beobachter unsere Milchstraße sehen. Der zentrale Balken dieser Spirale misst etwa 27 000 Lichtjahre. Grafik: Caltech/Hurt

So würde ein ferner Beobachter unsere Milchstraße sehen. Der zentrale Balken dieser Spirale misst etwa 27 000 Lichtjahre. Grafik: Caltech/Hurt

Bonn. Welche Masse hat unsere Galaxis? Das ist keine Frage, auf die es keine auch nur halbwegs verlässliche Antwort gibt. Zur Zahl der Sterne gibt es nur Schätzungen (über 100 Milliarden), Angaben zur Masse unserer Heimatgalaxis schwanken um den Faktor vier, berichtet die Uni Bonn. Nun macht sich ein internationales Forscherteam mit Bonner Wissenschaftlern erstmals an die Entwicklung eines Präzisionsverfahrens, das auch in kosmischen Dimensionen verlässliche Ergebnisse liefern soll.

Unsere Heimatgalaxis hat die Form einer flachen Scheibe mit einer Ausbauchung im Zentrum. Doch eine genaue Beschreibung ihrer Form ist schwierig, weil irdische Astronomen sie nicht verlassen können, um sie von außen zu untersuchen. Wir können nur das Innere unserer Galaxis als Milchstraße wie ein leuchtendes Band am Himmel sehen. Deshalb ist es schwierig, die Größe dieses Sternensystems exakt zu erfassen. Doch es gibt einen Trick, um dieses Problem zu umgehen. Um unsere Galaxis kreisen rund 150 sogenannte Kugelsternhaufen, sehr alte Zusammenballungen von einigen tausend bis zu Millionen Sternen. Die kosmische Waage, an der das Wissenschaftlerteam arbeitet, untersucht diese Objekte, die mehrere Milliarden Jahre alt sind und sich langsam auflösen. Etwa alle hunderttausend Jahre verliert ein großer Kugelsternhaufen einen seiner Sterne. Im Laufe von Jahrmilliarden bilden diese Ausreißer eine Spur im All, ähnlich wie ein Kondensstreifen am Himmel, erklärt der Astronom Dr. Andreas Küpper.

Diese Himmelskörper verteilen sich allerdings nicht zufällig, ihre Bahnen erlauben Rückschlüsse auf das Gravitationsfeld, in dem sie sich bewegen. Aus der Analyse eines solchen Sternenstroms und dem Vergleich dieser Daten mit einem Computermodell der Milchstraße haben die Astronomen die Gesamtmasse des Sternensystems mit 210 Milliarden Sonnenmassen beziffert. Da über 330 000 Planeten von der Größe der Erde nötig sind, um eine Sonnenmasse zusammenzubringen, bringt die Milchstraße also rund 70 Billiarden Erdmassen auf die Waage. In der Einheit Kilogramm lässt sich das nicht mehr ausdrücken, da es keine Vokabel für eine Zahl von 41 Stellen Länge gibt.

Ein Bild der Galaxis

Das Messverfahren, so Professor Pavel Kroupa von der Universität Bonn, erlaube es zum ersten Mal auch die dreidimensionale Form des Kraftfeldes zu vermessen, in dem sich die Kugelsternhaufen bewegen. Und damit seien schließlich auch genauere Rückschlüsse auf die Gestalt unserer Galaxis möglich. Von den Messungen, die in der Zukunft weiter verfeinert werden sollen, erhoffen sich die Bonner Astronomen um Pavel Kroupa außerdem Erkenntnisse zur umstrittenen sogenannten Dunklen Materie, einer geheimnisvollen Substanz, die sich nur durch ihre Schwerkraftwirkung bemerkbar macht, die aber nicht beobachtet werden kann.

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