Abhöranlage im Wohnzimmer

Berlin · Moderne Fernsehgeräte verschicken ungefragt Nutzerdaten an Sendeanstalten und Internetdienste wie beispielsweise Google. Dagegen zieht jetzt die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen vor Gericht.

 Smart-TV-Geräte sind in der Lage, das Fernsehverhalten ihrer Nutzer auszuspähen. Foto: Fotolia

Smart-TV-Geräte sind in der Lage, das Fernsehverhalten ihrer Nutzer auszuspähen. Foto: Fotolia

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Der Elektronik-Riese Samsung steht im Kreuzfeuer der Verbraucherschützer. Die klagen, der südkoreanischen Technikkonzern greife über internetfähige, sogenannte Smart-TV-Geräte Daten der Zuschauer ab. Die Apparate seien so konfiguriert, dass sie Informationen über die Nutzer ohne deren Zustimmung per Internet übertragen (wir haben berichtet). Diese Informationen würden über die sogenannte HbbTV-Schnittstelle an Unternehmen, wie Google und Sendeanstalten versandt. Die Klage der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, die vor dem Landgericht Frankfurt verhandelt werden soll, deckt sich mit einem Vorwurf der Stiftung Warentest . Die hatte bereits im vergangenen Jahr HbbTV bei allen großen Herstellern als Datenschleuder bezeichnet.

HbbTV ist ein technischer Standard, mit dem Fernsehgeräte parallel eine Internet-Verbindung zum jeweiligen Sender aufbauen können. Der Nutzer kann so, während er Fernsehen schaut, auch die Mediatheken, Teletexte und Informationen zum Programm aufrufen, die der Sender anbietet.

Den Zuschauer im Blick

Die Server der Sendeanstalten nehmen aber auch dann Verbindung mit dem Smart-TV über HbbTV auf, wenn der Nutzer die Schnittstelle nicht aktiviert hat. Die Server der Sender lesen dabei Daten des Nutzers aus, sagt Jenny Braune, Projektleiterin für Multimedia bei der Stiftung Warentest . "Insbesondere bei privaten Sendern wie QVC oder Prosieben, Sat1 oder RTL haben wir einen regen Datenaustausch feststellen können", so Braune. Die Sender werteten Sehgewohnheiten der Zuschauer aus, um Werbung einzublenden. "Die Anstalten erfassen über temporäre Dateien, welche Vorlieben der Zuschauer hat", erklärt Andreas Sachs, Referatsleiter IT-Sicherheit beim Bayerischen Landesamt für Datenschutzaufsicht.

"Auf Smart-TV-Geräten ist es mit diesen Dateien möglich, auszuforschen, welche Sendung und Serien der Zuschauer sieht und auch, wann er das Programm innerhalb einer Sender-Familie wechselt", so Sachs. Aufgrund dieser Daten können die Sender und ihre Werbepartner Empfehlungen oder Anzeigen für Serien einblenden. In Tests habe sich gezeigt, dass nach mehrfachem Kontakt Anzeigen von Dritten eingeblendet wurden, bestätigt Roland Eikenberg, Redakteur für digitale Sicherheit beim Computermagazin c't. "Viele Sender greifen auf die Software Google Analytics zurück, um detailliert die Sehgewohnheiten und Vorlieben der Zuschauer auszuwerten", sagt Sachs. Sowohl das Bayerische Landesamt für Datenschutz als auch die Redaktion der c't stellten in Tests fest, dass die privaten Sender diese Technik nutzen. Die Sehgewohnheiten und Vorlieben würden auch vom Konzern Alphabet, der die Suchmaschine Google und Google Analytics anbietet, erfasst.

Mit Google Analytics verbindet Alphabet die Nutzerdaten beim Surfen im Internet mit digitalen Spuren, die der Fernseher hinterlässt. "Sollte der Verbraucher über den Browser auf dem Smart-TV Google-Dienste nutzen, könnte Alphabet durchaus Verbindungen zwischen den einzelnen Nutzerprofilen ziehen", sagt Braune. Eikenberg bemängelt, dass der Verbraucher zu keinem Zeitpunkt um eine Zustimmung gebeten werde und auch nicht erfahre, bei wem seine Daten landen. Es sei nur möglich, die Verläufe einzelner Geräte zu erfassen und auszuwerten, so Sachs. "Die Sender können mit dieser Methode, nicht die Sehgewohnheiten einer einzelnen Person ausforschen", so der Referatsleiter.

Besserer Datenschutz

Nachbesserungen fordern vor allem Verbraucherschützer und die Stiftung Warentest bei Smart-TV-Geräten. Die Hersteller müssten Daten anonymisieren und die explizite Einwilligung des Nutzers einholen, die Daten weiterzugeben. Auch sind ihrer Ansicht nach die Datenschutz-Bestimmungen mangelhaft. Sie seien unverständlich und zu lang. Verbraucher könnten kaum absehen, bei wem ihre Daten landeten.

Zum Thema:

HintergrundHbbTV (Hybrid broadband broadcast TV) ist eine Kombination von Fernsehen und Internet . Fast alle Gerätehersteller und die meisten deutschen Sender verwenden diese Technik für ihre Smart-TV-Angebote.

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