Tipps und Anekdoten Mission Hausbau – wie ich als Frau mit Sexismus auf der Baustelle umgehe

Mission Hausbau: Seit über anderthalb Jahren renoviert SZ-Redakteurin Lena Ziegler mit ihrem Mann ein 60er-Jahre-Haus. Aus ihrem Alltag zwischen Staubwolken und der Bohrmaschine berichtet sie in dieser Kolumne. Heute im siebten Teil geht es um ihre Erfahrungen als Frau am Bau. Mit nützlichen Tipps und Anekdoten.

Immobilien - Mission Hausbau: Frau am Bau? Tipps und Anekdoten
Foto: Lena Ziegler

Als ich das Haus gemeinsam mit meinem Mann kaufte und wir entschieden, dass wir ziemlich alles selbst machen wollten, dachte ich noch, dass wir beide bei allem, was diesen Bau betrifft auch gleichberechtigt wahrgenommen werden. Egal ob bei Verwandten, im Baumarkt oder von Handwerkern. Schließlich haben wir mittlerweile 2022 und sollten Ungleichheiten zwischen Mann und Frau längst begraben haben. Seither wurde ich aber leider immer wieder eines Besseren belehrt. Deshalb ein paar Tipps für alle Frauen am Bau und einige Anekdoten, wie ich den Herren der Schöpfung zeigte, wer hier das Sagen hat.

Unser Haus oder SEIN Haus

Ein Phänomen, das mich immer wieder während der Bauphase ereilte, war die Bezeichnung unseres Projektes. Wir haben das Haus gemeinsam gekauft und stehen fast immer zusammen auf der Baustelle, also bezeichne ich es als „unser“ Haus. Nicht so, aber ungefähr alle männlichen Verwandten und Bekannten Ü50. Da ist es immer sein Haus, seine Baustelle, seine Heizung … nur die Küche, die gehört plötzlich uns beiden.

Von der Baustelle zum eigenen „Dehemm“ - Wie alles begann
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Foto: privat

Als Frau am Bau: Erfahrungen im Baumarkt

Wer sich als Frau traut in einem Baumarkt die Gänge der Gartenabteilung und Tapeten zu verlassen, wird schnell auf verwirrte Baumarktmitarbeiter treffen. Ganz schwierig wird das Ganze, wenn man auch noch Fragen hat.

„Entschuldigen Sie, wo genau finde ich denn die Beton-Türstürze?“ Ein Baumarktmitarbeiter mittleren Alters musterte mich erstmal von unten nach oben. Während er seine Hände in die Hosentaschen stemmte, fiel sein Blick wieder zurück zu meinen rosaglitzernden Absatz-Stiefeletten. „Ja sorry, ich war arbeiten, kann ich jetzt bitte einen Sturz bekommen, damit ich den heute noch einbauen kann.“ „Wissen Sie denn, wie das geht?“, fragt mich der Mann mit einem leichten Grinsen im Gesicht. „Nein, wissen Sie, ich hatte heute Morgen ganz spontan den Einfall, dringend einen Beton-Sturz zu wollen, komplett ohne zu wissen, was ich eigentlich tue. Ich hoffe, die werden rosa, wenn ich sie in den Garten pflanze…“

Wenn ich bedenke, dass mein Mann einfach als Antwort bekam: „Gang eins, links, in der Mitte“, wirft das schon Fragen auf.

Tipp für Bauherrinnen: Schockiere sie mit Wissen

Meine krasseste Erfahrung als Frau am Bau hatte ich mit unseren Dachdeckern. Als unser Dach erneuert wurde, war mein Mann beruflich unterwegs. Also fuhr ich jeden Morgen und Mittag hin, um nachzusehen, ob alles klappt. Dabei fiel mir auf, dass unser Dach viel länger war, als geplant. Also sagte ich den Handwerkern, dass mir das so nicht gefällt und sie es bitte ändern sollen. Geändert wurde aber nichts. Auch nach mehrfacher Anmerkung: gleiche Länge. Entweder erklärte man mir, dass man das heute so machen müsste, damit das Wasser nicht an die Hauswand käme, was wir bei unserer Planung durchaus bedachte hatten. Oder die Dachdecker drehten sich einfach um und gingen – noch während ich mit ihnen sprach.

Also wurde das Dach draufgesetzt und die Handwerker wollten wieder gehen. Da hatten sie die Rechnung allerdings ohne mich gemacht. Sauer wie ich war, lernte ich donnerstagabends den Plan der Statik komplett auswendig und war am Freitagmorgen als erste auf der Baustelle, um mir jeden Balken vom Zimmermann nachmessen zu lassen. Während er schon die Zeichnung brauchte, um zu wissen, von genau welchem Balken ich sprach, hatte ich jedes einzelne Maß im Kopf und kritisierte millimetergenau.

Long Story short: Nachdem ich dann mit ihrem Chef telefonierte und ihm verdeutlichte, was ich von ihrem Umgang mit Kundinnen hielt, rückte der gesamte Trupp montags wieder an und kürzte unser Dach. Und zwar auf genau das Maß, welches ich wollte.

Ich habe für mich daraus gelernt, dass man als Frau oft einfach zeigen muss, dass man tatsächlich Ahnung von seinem Bau hat. Oder sie sich eben aneignet. Ohne das wird man leider, auch heute noch, oft nicht richtig ernst genommen.

Stärke zeigen und Schwäche zulassen

Kraft ist eine am Bau nicht zu verachtende Größe. Eine, die man entweder hat oder nicht. Völlig unabhängig, ob Mann oder Frau. Aber Kraft ist auch ein zweischneidiges Schwert. Denn natürlich hatte ich auch schon einige Situationen, in denen ich am Ende meiner Kraft war. Dann habe ich einen starken Mit-Bauer gefragt und Hilfe bekommen. Allerdings sollte man sich als Frau auch nicht darauf ausruhen, dass einem sowieso die Kraft fehlen würde, bevor man es überhaupt versucht. Sonst bietet „frau“ nur unnötige Angriffsfläche, nicht ernst genommen zu werden. Ich versuche grundsätzlich erst einmal immer etwas selbst hinzubekommen. Wenn es dann nicht klappt, kann ich immer noch fragen.

Ich will auch gar nicht nur klischeehaft auf die Männer schimpfen. Tatsächlich habe ich nämlich gelernt, dass es – wie so oft – am besten gemeinsam funktioniert. Ich kann auf jeden Fall sagen, dass ich auch als Frau volle Power in dieses Projekt gebe. Und eigentlich ist es dann auch ganz egal, was andere sagen. Trotzdem wäre es wünschenswert, 2022 nicht mehr auf Sexismus stoßen zu müssen. Auch nicht im Baubereich.

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