„Der Mensch steht im Mittelpunkt“

Wie sieht der Computer der Zukunft aus? Wahrscheinlich werden wir ihn überhaupt nicht mehr sehen können. Denn die digitale Technik der Zukunft wird sich in der Brille verbergen oder in Kleidungsstücken. Das meint jedenfalls Professor Wolfgang Wahlster, Chef des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz.

Saarbrücken. Eine Tastatur, eine Maus, ein Bildschirm, ein brummender schwarzer Kasten und jede Menge Kabel. So sieht heute der Großteil der Computer aus. Dieses Bild wird sich in den kommenden Jahren radikal ändern. Wir werden nicht mehr vor dem PC sitzen, sondern den Computer direkt an unserem Körper tragen - in Form von Armbändern, Brillen , Uhren und sogar eingearbeitet in T-Shirts, Hosen oder Jacken. So beschreibt Professor Wolfgang Wahlster , Chef des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI) und Lehrstuhlinhaber für Informatik in Saarbrücken die "Post-PC-Ära". Dieser Fachausdruck der Informatik steht für eine Welt, in welcher der heutige PC von einer Vielzahl sehr kleiner, in die Umgebung eingebetteter Computer abgelöst ist, die alle miteinander kommunizieren können. "Der als PC sichtbare Computer hat meiner Ansicht nach bald ausgedient", sagt Wahlster. An seine Stelle werden verstärkt sogenannte Wearables oder "körpernahe Computer" treten. Prominente Beispiele dafür sind die Datenbrille Google Glass vom US-amerikanischen Suchmaschinenriesen Google und Computer-Uhren von Herstellern wie Samsung, Apple , Sony und Motorola .

Durch die mobilen Geräte wird sich unser Umgang mit der Technik verändern. "Die Menschen kommunizieren dann nicht mehr mit einem einzelnen Gerät, sondern mit einer digitalen Umgebung und können dabei von der Sprache bis zur Gestik alle Sinne nutzen", sagt Wahlster. Dass diese Vorstellung bald Realität wird, daran arbeiten rund 700 DFKI-Mitarbeiter in Saarbrücken, Kaiserslautern, Bremen und Berlin.

Auch die Arbeitswelt wird sich in der Post-PC-Ära verändern, sagt Wolfgang Wahlster voraus. Er hat den Begriff "Industrie 4.0" geprägt, die "vierte industrielle Revolution". Sie basiert auf vollständig vernetzten Fabriken . "Das entstehende Produkt kommuniziert mit den Maschinen in der Fabrik und teilt ihnen mit, wie es bearbeitet werden soll. So können Unikate zum Preis von Massenprodukten hergestellt werden." Maschinen könnten damit nun nicht mehr nur vom Menschen gesteuert und gewartet werden, sondern sich über das Internet gegenseitig während des Produktionsprozesses informieren und aufeinander abstimmen.

"Ein Ziel dabei ist die sogenannte multiadaptive Fabrik", so Wahlster, die ihre Produktion in kürzester Zeit auf neue Produkte umstellen kann. "Mit Industrie 4.0 können wir in Minutenschnelle von einem Produkt auf ein anderes umstellen und sogar in einer Fabrik ganz unterschiedliche Produkte gleichzeitig herstellen." Umgesetzt werden solche DFKI-Technologien für Industrie 4.0 derzeit unter anderem im Werk von Bosch Rexroth in Homburg, bei Siemens, Miele und Festo. Neben solchen intelligenten Fabriken arbeitet das DFKI auch an Smart Shops (intelligenten Einkaufsläden), dem Smart Home (intelligenten Häusern und Wohnungen) und der Smart Mobility (intelligenten Verkehrslösungen). Intelligent steht in diesem Fall für die Fähigkeit, Daten zu interpretieren, Schlussfolgerungen zu ziehen und darauf zu reagieren.

Den Menschen kann und soll diese Technik aber nicht ersetzen. Wolfgang Wahlster : "Der Mensch steht im Mittelpunkt. Alle Systeme sollen den Menschen lediglich als persönliche Assistenten unterstützen."

Dabei sammeln die Geräte viele Daten. Ein digitales Armband, das Vitalfunktionen eines Menschen überwacht, kennt Puls, Blutdruck, Zuckerwerte und womöglich seine Krankengeschichte - nichts, was man jedermann mitteilen möchte. Diese Daten wollen Nutzer dieser Technik in sicheren Händen wissen. Deshalb spielen auch die Themen IT-Sicherheit und Schutz der Privatsphäre eine zentrale Rolle bei allen Entwicklungen des DFKI. Vernetzte Systeme für Haus und Wohnung sollen, so die Vorstellung des DFKI-Geschäftsführers, möglichst mit eigenen Datenspeichern ausgestattet sein. "Die Daten werden dann nicht irgendwo im Ausland auf einem Cloud-Server gelagert", betont Wahlster. Dort gelten die strikten deutschen Datenschutzgesetze nicht und der Nutzer kann nicht kontrollieren, was mit seinen Daten passiert.

Deshalb vertraut Wolfgang Wahlster auch heute wichtige persönliche Daten keinem der gängigen Cloud-Anbieter an: "Weil ich die Technik dahinter bestens kenne, nutze ich diese nicht für sensitive Daten." Viele ausländische Firmen seien durch nationale Regelungen gezwungen, Hintertüren in ihre Geräte und Programme einzubauen. Durch diese Hintertüren können Daten abgezapft werden. Die Firmen dürften keine Produkte verkaufen, zu denen die jeweiligen Geheimdienste keinen Zugang haben.

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