Zukunftsängste auf dem Campus

Saarbrücken · Mehr Leistung bei weniger Geld. Das fordert der Landeshochschulentwicklungsplan von der Saar-Universität. Auf dem Campus kommt das gar nicht gut an. Dabei spielt auch eine Rolle, dass die Hochschule bisher nicht genau weiß, mit welchen Beträgen sie bis 2020 rechnen darf.

 6000 Studenten demonstrierten am 15. Januar in Saarbrücken gegen die Sparmaßnahmen an der Saar-Universität. Foto: Becker & Bredel

6000 Studenten demonstrierten am 15. Januar in Saarbrücken gegen die Sparmaßnahmen an der Saar-Universität. Foto: Becker & Bredel

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Wie soll die Hochschullandschaft des Saarlands im Jahr 2020 aussehen? Auf diese Frage soll der Hochschulentwicklungsplan der Landesregierung Antworten geben. Sein Entwurf zirkuliert seit dem Jahreswechsel an Uni und HTW. Morgen werden Präsidium und Senatoren der Saar-Universität in einer Sondersitzung darüber beraten. Man muss kein Prophet sein, um vorherzusagen, dass es dabei hoch hergehen wird. Wie aufgeladen die Stimmung auf dem Campus derzeit ist, zeigte in der vergangenen Woche die Demonstration von 6000 Studenten in der Saarbrücker Innenstadt.

Auch im Senat - in diesem Aufsichtsgremium sitzen Vertreter der Studenten, Professoren und Mitarbeiter - stehen die Zeichen auf Sturm. Dazu beigetragen haben nach der Ansage der Landesregierung, den Hochschulhaushalt bis zum Ende des Jahrzehnts einzufrieren, die Vorgaben des Hochschulentwicklungsplans. Die Uni muss bis 2020 selbst zusehen, wie sie bei einem unveränderlichen Landeszuschuss von 178 Millionen Euro pro Jahr mit Tarif- und Preissteigerungen klarkommt. Gleichzeitig fordert der Entwicklungsplan ausdrücklich mehr Leistung in Forschung und Lehre. Die Zahl der Studenten soll im Wesentlichen konstant gehalten werden. Das geht so nicht, kritisieren Markus Hoth und Christian Wagner - die beiden Uni-Professoren vertreten die Positionen des Uni-Senats in der Öffentlichkeit. Das Wissenschaftsministerium könne die Hochschulen nicht einerseits zum Sparen zwingen und gleichzeitig Anstrengungen für zusätzliche Sonderforschungsbereiche fordern.

Viel wahrscheinlicher sei eine andere, fatale Konsequenz der Finanzmisere, so der Biophysiker Markus Hoth. Wenn das Uni-Sparprogramm in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts volle Wirkung entfalte, stehen vier Sonderforschungsbereiche (SFB) zur Überprüfung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) an. Und damit stehen dann plötzlich 40 Millionen Euro Fördergelder für die kommenden vier Jahre auf der Kippe. Markus Hoth sieht die Gefahr, dass die Universität als Konsequenz des sich abzeichnenden Sparprogramms mindestens einen SFB verlieren könnte. Die saarländischen Wissenschaftler konkurrierten schließlich bei diesem Wettbewerb um die DFG-Millionen in der Bundesliga der Spitzenforschung mit Vertretern von Top-Unis aus Baden-Württemberg und Bayern. Und dort stiegen die Hochschuletats.

Noch deutlicher wird sein Senats-Kollege, der Physiker Christian Wagner : "Nur wenn die Sparlast sinkt, wird es einen konsensfähigen Landeshochschulentwicklungsplan geben." Die Landesregierung habe in ihrem Strukturkonzept für die Universität die Devise ausgegeben "Weitermachen wie bisher". Daraus ergebe sich als logische Konsequenz: "Dafür muss das Land auch zahlen." Forschung und Lehre, so Hoth, ließen sich dabei nicht auseinander dividieren. Nur bei starken Leistungen in der Forschung sei eine Hochschule auch für die Landeskinder attraktiv.

Dem 47 Seiten umfassenden Entwurf des Landeshochschulentwicklungsplans werfen beide Professoren außerdem vor, er versuche sich in Einzelbereichen an einer überzogenen Detailsteuerung der Fakultäten. Das sei der grundfalsche Ansatz und mit dem Gedanken der Hochschul-Autonomie nicht zu vereinen. Wenn es dann allerdings um Informationen zu finanziellen Details gehe, lasse das Wissenschaftsministerium seine Hochschulen jedoch plötzlich im Stich. Für die Haushaltsplanung der Saar-Uni fehlten immer noch wesentliche Informationen. Bis heute wisse auf dem Campus niemand, ob und wie die Hochschule bei ihrer Agenda 2020 mit Bundesmitteln kalkulieren könne.

"Wir kämpfen", so Uni-Präsident Volker Linneweber nach der Saarbrücker Großdemo, "um mehr Planungssicherheit." Dabei geht es unter anderem um die sogenannten Hochschulpaktmittel des Bundes. Bislang ist nicht klar, mit welchen Beträgen die Universität künftig rechnen kann. Die bisherigen, sehr vorsichtigen Schätzungen, so Susanne Reichrath, Hochschulkoordinatorin der Staatskanzlei, basierten noch auf mittlerweile überholten Zahlen aus dem Sommer 2014. In den nächsten Wochen soll eine neue, positivere Prognose vorliegen.

Unklar ist außerdem, wie es um die sechs Millionen Euro pro Jahr bestellt ist, die das Saarland im Bildungswesen neu verteilen kann seit der Bund die Bafög-Finanzierung übernommen hat. Eine Million ist für die Schulen bestimmt, fünf Millionen für die Hochschulen. Doch die Verteilung der Millionen ist nur bis zum Jahr 2017 garantiert, so Regierungssprecherin Marlene Mühe-Martin. Über den Verteilungsschlüssel ab 2018 sei die politische Diskussion in der Regierungskoalition noch nicht abgeschlossen. Das bringt die Senats-Vertreter zusätzlich in Rage. Sie fordern, "dass sich alle Parteien für die bedingungslose Übermittlung der Bundesmittel an die Hochschulen einsetzen", so Christian Wagner .

Bei der Sondersitzung von Senat und Uni-Präsidium am Mittwoch werden die Vertreter der Hochschule ihre Antworten auf den Hochschulentwicklungsplan formulieren. Mitte Februar werde sich der Ministerrat zum nächsten Mal mit diesem Thema befassen, so Regierungssprecherin Marlene Mühe-Martin. Um den Hochschulentwicklungsplan zu verabschieden genüge ein Kabinettsbeschluss. Im "späteren Frühjahr" sollen dann die Gespräche über den nächsten Globalhaushalt der Saar-Uni abgeschlossen werden, so die Hochschulbeauftragte Susanne Reichrath. An der Saar-Uni muss gespart werden. "Kooperieren, konzentrieren, konsolidieren" lautet das Motto des Hochschulkonzepts, in dem das Land die Eckpunkte vorgibt, wie die Uni mit dieser Sparlast umgehen soll. Für die Rechtswissenschaft bedeutet dies: Sie soll künftig mit weniger Mitteln auskommen, gleichzeitig soll sie ihre Einnahmen über einen eigenen Sonderforschungsbereich (SFB) erhöhen. Diese Forderung hält Tiziana Chiusi, Professorin für Rechtswissenschaft, zwar "für eine echte Herausforderung", die Fakultät wolle sich dieser jedoch nicht entziehen. "Wir werden es versuchen, obwohl ich es für schwierig halte", so Chiusi. Laut dem Konzept des Unipräsidiums soll die Rechtswissenschaft einen Sparbeitrag von 15 Prozent leisten. "Viele denken, dass wir noch vergleichsweise gut weggekommen sind", sagt Chiusi - noch vor einem Jahr hatte der Wissenschaftsrat die Schließung des Fachbereichs empfohlen. "Zwar beneiden uns alle, im Bundesvergleich sind wir aber nach wie vor unterbesetzt", so Chiusi. Konkrete Pläne für den SFB gebe es zwar noch nicht, doch habe man bereits viele Ideen, "die mit Europarecht und Rechtsinformatik zu tun haben". Beide Bereiche sollen zur Profilschärfung des Studiengangs beitragen, fordert das Landeskonzept weiter: Eine derzeit unbesetzte Strafrechtsprofessur soll genutzt werden, um die Zusammenarbeit mit dem Zentrum für IT-Sicherheit (CISPA) auszubauen, und um "die strafrechtlichen Aspekte der Informationsgesellschaft stärker in den Fokus" zu rücken.

Unipräsident Volker Linneweber hält die Etablierung eines SFBs "innerhalb des Zeitraums, für den wir Ziel- und Leistungsvereinbarungen treffen, also bis etwa 2018, für unrealistisch". Der neue SFB wäre der derzeit einzige rein rechtswissenschaftliche bundesweit, sagt Klaus Wehrberger von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Den Anteil der Rechtswissenschaft an allen DFG-Förderungen schätzt er auf gerade mal ein Prozent. Dass unter den 240 deutschen SFBs kein einziger rechtswissenschaftlicher ist, hält Wehrberger für nicht verwunderlich: "Nicht jedes Förderformat ist für jede Fachrichtung gleichermaßen attraktiv."

Das Landeskonzept stellt weitere Forderungen an den Fachbereich: Nicht nur durch Drittmittel, sondern auch durch Weiterbildungsangebote sollen Einnahmen künftig erhöht werden. Dazu gebe es bereits jetzt erfolgreiche Projekte, sagt Chiusi, etwa ein Weiterbildungsprogramm für Notare in französischem und deutschem Recht, über das bereits Einnahmen erzielt würden. Auch die Forderung, Lehrangebote des Europainstituts in den Studiengang zu integrieren, sei bereits umgesetzt. Warum das Land ausdrücklich mehr Praxisbezug des Studiengangs fordert, kann Chiusi nicht nachvollziehen. "Im Übrigen ist dies typische Aufgabe des Referendariats - ein Alleinstellungsmerkmal der deutschen juristischen Ausbildung."

Skeptisch sieht Chiusi den Einsatz sogenannter Robert-Schuman-Professuren, bei denen Professoren anderer Hochschulen der Großregion an der Saar-Uni Lehraufträge übernehmen sollen. "Ich halte sie für einen eleganten Weg, um Professuren zu streichen, unter dem Motto: Wir ersetzen Lehrstühle einfach durch Lehraufträge-de-luxe." In der Rechtswissenschaft sollen diese laut Landeskonzept jedoch nur "ergänzend" eingesetzt werden.

Für allgemeine Verwirrung sorgt nach wie vor die Frage, wie weit sich die Landesregierung in Detailfragen der Uni einmischen dürfe. Da sich alle auf die Streichung einer Strafrechtsprofessur geeinigt hatten, sei es "völlig überraschend" gewesen, dass die Regierung von diesem Konsens wieder abgewichen sei, so Linneweber: "Darin kann ich nur ein Beispiel dessen erkennen, wie Lobbyarbeit im Saarland funktioniert." Auch im Senat habe dies viele verärgert.

Im Gegenzug kritisiert die Juristin Chiusi, dass laut Konzept des Uni-Präsidiums nun dennoch eine andere Strafrechtsprofessur gestrichen werden soll. "Dafür, dass eine Stelle wiederbesetzt wird, streicht das Präsidium die andere." Man müsse fragen, wie feinkörnig die Außensteuerung einer Hochschule sein solle, sagt Linneweber. "Es kann nicht so weit gehen, dass eine starke Lobby die Struktur einer Universität vorschreibt."

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