Studenten helfen Schülern Programmieren wie die Profis

Saarbrücken · Vor den Sommerferien entwickeln Studenten der Hochschule für Technik und Wirtschaft gemeinsam mit Schulklassen ein eigenes Videospiel. Bei den Schülern am Albert-Schweitzer-Gymnasium in Dillingen scheint das gut anzukommen.

 Unter dem wachsamen Blick von HTW-Studenten Philip Weber basteln Xaver (l.), Alois und Arne (r.) an ihrem Computerspiel.

Unter dem wachsamen Blick von HTW-Studenten Philip Weber basteln Xaver (l.), Alois und Arne (r.) an ihrem Computerspiel.

Foto: Iris Maria Maurer

Projekttage an Schulen sind wie Starthilfekabel – sie werden zum Überbrücken genutzt. In vielen Schulen ist es tatsächlich nur Zeit, die überbrückt wird. Der Versuch, die Lücke zwischen Zeugniskonferenzen und Sommerferien zu füllen. Bei anderen, wie dem Albert-Schweizer-Gymnasium (ASG) in Dillingen, lässt sich die Metapher aber wörtlich nehmen. Wenn die Batterie eines Autos leer ist, kann die Energie eines anderen Wagens zur Starthilfe genutzt werden, indem die Batterien beider Fahrzeuge miteinander verbunden werden. In diesem Szenario sind die Schüler des ASG das Empfängerauto, die Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) der Spender, ihre Studenten die Überbrücker und das Kabel selbst ein Spiel namens „Kodu Game Lab“.

„Auf spielerische Art und Weise Programmieren lernen“, das ist die Idee hinter dem Projekt „Code Your Own Game“ von André Miede, Professor am Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik an der HTW. Was 2013 als Master-Projekt mehrerer Studenten begann, ist mittlerweile ein Wahlpflichtfach in den Studiengängen „Kommunikationsinformatik“ und „Praktische Informatik“. Studenten, die daran teilnehmen, dürfen für einen Tag in die Rolle eines Lehrers schlüpfen.

Der Ablauf des Projekts ist dabei klar geregelt. Zunächst lernen die Schüler die Software kennen, indem sie verschiedene Aufgaben lösen. Die Studenten geben Hilfestellung und beaufsichtigen das Ganze. Anschließend sind die Schüler auf sich allein gestellt. In Zweiergruppen arbeiten sie weiter an ihrem selbst programmierten Spielen, die später auf dem Schulfest präsentiert werden.

Dieses Jahr fand das Projekt am Albert-Schweizer-Gymnasium in Dillingen statt, zum zweiten Mal in Folge. Schüler und Lehrer seien so begeistert gewesen, dass die Schule um eine Wiederholung gebeten habe, erzählt Philip Weber, einer der acht Studenten, die dieses Jahr als Betreuer mit an Bord waren. Für ihn sind die Projekttage am ASG ein Heimspiel. „Es ist toll, wieder an meiner alten Schule zu sein. Die alten Lehrer zu sehen, selbst die Sekretärin ist noch dieselbe. Ich hätte nie gedacht, dass ich hier mal unterrichten würde.“

Das Programm, das die Studenten dabei nutzen, kommt von Microsoft und heißt „Kodu Game Lab“. Die Software wurde speziell dafür entwickelt, Kinder an das Programmieren heranzuführen. Dazu bedient sie sich einer einfachen, visuellen Programmiersprache, die dem Wenn-Dann-Prinzip folgt. Ein Beispiel: Ein Motorrad steht am Straßenrand. Wenn ein Auto an ihm vorbeifährt, dann setzt sich das Motorrad ebenfalls in Bewegung, bis es an einem festgelegten Punkt wieder zum Stehen kommt.

„Wirklich mit Code zu arbeiten, hätte den Rahmen gesprengt“, erklärt Matheo Zech, ebenfalls Student der Kommunikationsinformatik. Dank des Grafikprogramms sähen die Schüler schnell ein Ergebnis und seien motiviert weiterzumachen. „Bei dem Spiel startet man mit einer leeren Welt, die man sich Stück für Stück nach seinen Wünschen konstruieren kann“, ergänzt Weber. Zwar könnten die Schüler keine eigenen Spielfiguren oder Objekte kreieren, aber mithilfe eines festen Werkzeugsatzes ihre eigene Spielidee umsetzen.

Wie gut die Kinder mit dem Programm zurechtkamen, erstaunte selbst die HTW-Studenten. Daran zeige sich, dass die Kleinen immer früher in Kontakt mit Technik kommen, so Weber. Sie hätten aber noch etwas anderes beobachtet: „Kinder sind oft nicht mehr an PCs gewöhnt. Viele wussten gar nicht, wie sie mit einer Maus oder Tastatur umgehen sollen“, sagt Zech. Er selbst sieht diese Entwicklung kritisch, da der Bezug zur Informatik verlorengehe.

Dennoch freut sich Philip Weber über das große Interesse am Programmieren. Auf die Frage, wer den Kurs erneut belegen würde, schnellen alle Arme nach oben. Im abschließenden Gespräch zeigt sich, mit welcher Begeisterung die Kinder bei der Sache waren. Dem elfjährigen Yannick Noa etwa gefiel besonders gut, dass man „seiner Fantasie freien Lauf lassen“ könne. Philipp, ebenfalls elf Jahre alt, hatte sich das Programmieren „schwerer vorgestellt“. Er fand es toll, dass viele der Aufgaben leicht zu lösen waren. Die Mädchen zeigten sich ebenfalls begeistert. Vanessa zum Beispiel habe bereits an einer Roboter AG teilgenommen, in der sie ihren eigenen Roboter programmieren durfte. Die Arbeit mit Kodu habe der Zwölfjährigen aber „noch mehr Spaß gemacht“.

Von der berühmten Antriebslosigkeit, die sich oftmals kurz vor den Sommerferien einstellt, fehlt an diesem Tag jede Spur. Und das bei einem Unterrichtsprogramm, das gänzlich auf Eis essen, Filme schauen und Galgenmännchen verzichtet. Zufrieden blicken die Studenten in einen Raum voller glücklicher Gesichter. Die Starthilfe scheint geglückt – der Kindermotor läuft wieder.

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