„Keine Vision, wo die Uni hin will“

Saarbrücken · Die Sparpläne des Unipräsidiums sorgen bei Studenten und Professoren für gereizte Stimmung. Zu wenig von den Bundesmitteln komme an den Fakultäten an, zu gering sei das Mitspracherecht des Senats. Der Ärger gipfelte vergangene Woche in einer heftigen Auseinandersetzung zwischen Unipräsident Volker Linneweber und dem Ex-Dekan der Rechts- und Wirtschaftswissenschaften, Stephan Weth, auf dem Campus.

 Stehen in schweren Zeiten nicht zusammen: Unipräsident Volker Linneweber (Mitte links) und Professor Stephan Weth (rechts). Sie gerieten vergangene Woche öffentlich auf dem Uni-Campus aneinander. Foto: Dietze

Stehen in schweren Zeiten nicht zusammen: Unipräsident Volker Linneweber (Mitte links) und Professor Stephan Weth (rechts). Sie gerieten vergangene Woche öffentlich auf dem Uni-Campus aneinander. Foto: Dietze

Foto: Dietze

Der Haussegen an der Saar-Uni hängt schief. Seit über einem Jahr ringen Fakultätsvertreter, Unirat und Präsidium um eine Antwort auf die Frage, wie die Uni im Jahr 2020 aussehen soll. Konkrete Vorschläge dazu liefert ein neues Konzept des Unipräsidiums, das seit zwei Wochen an den Fakultäten zirkuliert. Unter Einbeziehung zusätzlicher Bundesmittel hat das Präsidium die Sparlast neu berechnet und sieht für die Fakultäten Quoten von 4,5 bis 17,6 Prozent vor (wir haben berichtet). Wie diese Ziele erreicht werden können, erläuterte das Präsidium vergangene Woche den Dekanen.

Gestört wurden die Gespräche von Protesten. "Wo ist unser Geld?" skandierten rund 500 Studenten der Rechts- und Wirtschaftswissenschaften vor dem Präsidialbüro. Ein Drittel der gesamten Studentenschaft mache ihre Fakultät aus, dennoch komme von den Hochschulpaktmitteln nur ein Bruchteil bei ihnen an, argumentierten die Studenten .

Sauer sind sie auch über das Kräfteverhältnis auf dem Campus. "Warum hat der Senat nichts zu sagen und der Unirat alle Macht?", fragt die Jurastudentin Katharina Waller bei der Demonstration unter lautem Beifall. "Die kennen unsere Belange nicht, aber entscheiden über unsere Zukunft. Da stimmt doch etwas nicht."

Als schließlich Präsident Volker Linneweber vor die Studenten tritt, kommt es zum Streit mit Stephan Weth, dem Ex-Dekan der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät. Während dessen Amtszeit seien Millionen Euro an Hochschulpaktmitteln nicht abgerufen worden, wirft der Präsident Weth per Megafon vor. Doch gleichzeitig hätten sich Studenten beim Präsidium über grundsätzliche Mängel in der Lehre dieser Fakultät beschwert. Ebenfalls per Megafon kontert Weth - und bezichtigt Linneweber öffentlich der Lüge (wir haben berichtet).

Der Streit dreht sich um Hochschulpaktmittel in Millionenhöhe. Für den Zeitraum von 2009 bis 2014 seien der Fakultät Mittel in Höhe von zehn Millionen Euro zur Verfügung gestellt worden. Doch die Hälfte davon habe die Fakultät nicht ausgeschöpft, so Linneweber.

Weth sind nach eigener Aussage aus seiner Amtszeit von 2012 bis 2014 nur 3,2 Millionen Euro an Hochschulpaktmitteln bekannt, die direkt in die Fakultät geflossen seien. Eine Million davon sei tatsächlich nicht ausgegeben worden. Weth begründet dies damit, dass das Präsidium der Fakultät die Mittel vor einem halben Jahr wieder weggenommen habe. "Wenn Sie versagt haben, und sagen, wir hätten eine schlechte Lehre gemacht, so ist das schlicht unanständig", wirft der Ex-Dekan Linneweber vor.

Nicht überall auf dem Campus wird mit so harten Bandagen gekämpft. Als "positiv und konstruktiv" bezeichnet Dietrich Klakow, Dekan der Philosophischen Fakultät II, seine Gespräche mit dem Präsidium. Dabei ist seine Fakultät von der höchsten Sparlast (17,6 Prozent) betroffen. Obwohl diese im ersten Entwurf des Präsidiums noch bei 21 Prozent lag, könne er definitiv nicht von einer Entlastung sprechen, sagt Klakow: "Unterm Strich haben wir nun sogar 20 000 Euro pro Jahr weniger zur Verfügung."

Trotz der Entlastung des Unihaushalts durch zusätzliche Bundesmittel hat sich das Budget der Fakultäten unterm Strich nur gering verändert. Doch wie kann das sein?

Die Dekane machen dafür vor allem zwei Dinge verantwortlich: Den sogenannten "Strategiefonds" und eine "Nicht-Ausschöpfungsquote" in Höhe von fünf Prozent. Bei dieser Quote handelt es sich um einen rein statistischen Wert: Von 100 Euro, die eine Fakultät zur Verfügung hat, gibt sie statistisch nur 95 Euro aus. Dieser Erfahrungswert ist nun in den Haushalten der Fakultäten fest eingepreist worden. Und zwar nicht als statistische Größe, sondern - auf Druck der Landesregierung - als direkter Abzug vom Budget der Fakultäten . Auf die verbleibenden 95 Prozent werden dann die neuberechneten Sparquoten angewendet. Grundsätzlich ändere sich damit nichts, sagt Linneweber. Auch vorher hat das Präsidium eine Nicht-Ausschöpfung von fünf Prozent vorausgesetzt, doch haben die Fakultäten nie mit dieser Quote gerechnet. Und so sorgt sie nun für "gereizte Stimmung", wie Prodekan Peter Riemer von der Philosophischen Fakultät 1 es formuliert. "Diese Rechnung zwingt uns, vakante Professuren nicht wiederzubesetzen", so Riemer. "Ich gehe davon aus, dass die tatsächliche Ausschöpfung an unserer Fakultät deutlich über 95 Prozent liegt", sagt der Geschäftsführer der Philosophischen Fakultät II, Thorsten Bornträger. Weth bezeichnet die Einführung der Quote als "Taschenspielertrick", Guido Kickelbick, Prodekan der Naturwissenschaftlich-Technischen Fakultät III, spricht von einem "Finanztrick": "Da wird uns gesagt: Weil ihr statistisch gesehen diese fünf Prozent ohnehin nicht verbraucht, könnt ihr die jetzt auch gleich einsparen."

Ebenfalls für Ärger sorgt der sogenannte Strategiefonds, über den künftig Schwerpunkte der Uni gefördert werden sollen. Fünf Millionen Euro aus dem Globalhaushalt der Uni sollen laut den Plänen des Präsidiums jährlich in ihn fließen. "Ich hätte mir gewünscht, dass die Bundesgelder den Fakultäten direkt zur Verfügung gestellt werden", sagt Gerd Waschbusch, Dekan der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät. "Wenn einzelne Fachbereiche um ihre Existenz ringen, ist einfach nicht der richtige Zeitpunkt um einen solchen Fonds einzurichten", sagt Kickelbick.

Durch die strikten Vorgaben der Landesregierung, die betriebsbedingte Kündigungen ausschließt, seien die Spielräume des Präsidiums stark eingeschränkt, sagt Ingo Reich, Studiendekan der Philosophischen Fakultät II. Dadurch stünde an seiner Fakultät sogar der frisch eingerichtete Sonderforschungsbereich auf dem Spiel.

"Ich sehe einfach keine Vision, wo die Uni bis 2020 hin will", kritisiert Kickelbick das neue Konzept. "Was das Präsidium gemacht hat, ist sich anzuschauen, in welchen Bereichen Professoren gehen - denn da kommt natürlich am wenigsten Widerstand."
"Es wird immer an den falschen Stellen gespart"


Angesichts des neuen Sparkonzepts des Uni-Präsidiums befürchten viele Studenten der Fakultät I (Rechts- und Wirtschaftswissenschaften) eine Verschlechterung der Lehre. Das zeigt eine Umfrage der SZ-Hochschulredaktion gestern auf dem Uni-Campus. Auch die geplante Aufspaltung der Fakultät stößt auf Ablehnung. "Das Präsidium sollte stärker auf Konfrontationskurs zur Regierung gehen.", sagt Michael Saebisch, der Wirtschaft und Recht studiert. "Wenn Tutorien eingespart werden, geht Lehrqualität verloren. Und wenn die Fakultät aufgespalten wird, gibt es für Studiengänge wie Wirtschaft und Recht keine direkte zentrale Anlaufstelle mehr." Die BWL-Studentin Kristina Dewald sorgt sich ebenfalls um das Angebot: "Wenn das Lehrangebot immer weniger wird, lernen wir irgendwann ja gar nichts mehr. Ich mache mir Sorgen um das Niveau des Studiengangs."

Und auch die BWL-Studentin Polina Richter sagt: "Ich fürchte, dass womöglich ganze Fächer wie Personalmanagement geschlossen werden könnten. Das ist aber für das spätere Berufsleben wichtig." Das sieht Rebekka Weick aus dem Studiengang Deutsch-französches Recht ähnlich: "Die Uni hält das Saarland am Leben. Wenn viele der Studenten wegen schlechter Bedingungen weggehen würden, wäre hier tote Hose." Jura-Student Marc Pickard sagt: "Das ist typisch Saarland. Es wird immer an den falschen Stellen gespart."

Den Ärger über Unipräsident Volker Linneweber kann BWL-Student Dominik Weyand nicht nachvollziehen: "Er kann das fehlende Geld nicht aus dem Hut zaubern. Er hat kaum andere Möglichkeiten, als an den Fakultäten zu sparen."

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