Der Notfallplan sorgt für Ärger Wenn der Ausnahmezustand zur Regel wird

Saarbrücken · Wegen Fahrermangels fallen viele Busverbindungen zur Saar-Uni aus. Das führt nicht nur auf dem Campus zu chaotischen Zuständen.

 Gerade zu Stoßzeiten sind die Busse so voll, dass viele Studenten keinen Platz mehr finden. Davon sind oftmals auch Rollstuhlfahrer betroffen.

Gerade zu Stoßzeiten sind die Busse so voll, dass viele Studenten keinen Platz mehr finden. Davon sind oftmals auch Rollstuhlfahrer betroffen.

Foto: Iris Maria Maurer

Eine Studentin wartet an der Haltestelle am Hauptbahnhof auf einen Bus zur Universität. Der kommt mit einigen Minuten Verspätung an, ist aber völlig überfüllt. Ein Kommilitone, der auf den Rollstuhl angewiesen ist, bekommt keinen Platz mehr – die eigentlich für Rollstuhlfahrer und Kinderwagen reservierten Stehflächen sind durch die Menschenmassen blockiert. Seitdem die Saarbrücker Stadtwerke ihren Fahrplan zu Semesterbeginn reduziert haben (wir berichteten), gehören solche Situationen für viele Studenten zum Alltag.

„Der Busverkehr ist eine Katastrophe“, sagt Raphaela Recktenwald, Studentin für Interkulturelle Kommunikation und Betriebswirtschaftslehre an der Saar-Uni. Sie plane täglich 45 Minuten mehr ein, um rechtzeitig zu ihren Veranstaltungen zu kommen. „Ich wohne in St. Wendel und muss zunächst mit dem Zug nach Saarbrücken.“ Danach müsse sie eine Dreiviertelstunde auf den nächsten Bus warten, sagt die 27-Jährige. „Durch den Notfallplan hat sich alles verschlechtert.“ Es komme immer noch zu Verspätungen und Ausfällen. „Ich wünsche mir, dass zu den Stoßzeiten mehr Busse fahren würden“, so Recktenwald.

Osama Al Mtawia fährt ebenfalls täglich aus St. Wendel zur Universität. „Es ist schrecklich mit dieser Planänderung“, sagt er. Er verpasse aufgrund der ständigen Verspätungen und Ausfälle häufig seinen Anschlussbus, erklärt der 23-Jährige. Für ihn sei es fast unmöglich, pünktlich an der Uni zu sein.

Auch Ali Ezzo beklagt die Situation. „Es gibt ein enormes Platzproblem in den Bussen“, so der Informatikstudent. Deswegen hätten Rollstuhlfahrer oft das Nachsehen. Vor allem Verbindungen ab 21 Uhr seien problematisch. „Nach meinen Kursen gehe ich oft in die Bibliothek zum Lernen“, sagt Ezzo. „Allerdings fahren abends kaum noch Busse.“ Inzwischen ist der 22-Jährige auf das Fahrrad umgestiegen.

Die 28-jährige Diána Bánti, eingeschrieben am Internationalen Studienzentrum, sagt: „Morgens ist der Betrieb in den Bussen eigentlich normal, am Nachmittag warten aber manchmal so viele Studenten an der Haltestelle, dass die Busse nicht alle mitnehmen können. Ich muss dann länger warten.“ Besonders problematisch sei es an Tagen, an denen sie nach der Uni noch zur Arbeit müsse. Wegen regelmäßiger Verspätungen habe sie dort schon Probleme bekommen. Der 19-jährige Biowissenschaftler Ivan Potereba pflichtet ihr bei: „Abends sind die Wartezeiten schlimmer. Einmal musste ich eine Stunde warten, bis endlich ein Bus kam.“

Friederike Schmidt-Drewniok beklagt, dass die Fahrplan-App der Saarbahn GmbH meist nicht aktuell sei. Sie habe deshalb zwischen Bahnhof und Rathaus hin- und herlaufen müssen, nur um festzustellen, dass der in der App angekündigte Bus ausgefallen sei. So habe sie mehr als zwei Stunden gebraucht, um von der Stadtmitte bis zur Uni zu kommen. Sie habe die falschen Angaben in der App schon mehrfach beim Saarländischen Verkehrsverbund angeprangert, aber nie eine Rückmeldung erhalten. Insgesamt findet die 20-jährige Studentin der Historisch orientierten Kulturwissenschaften den Umgang der Verkehrsbetriebe mit der Situation nicht angemessen: „Die Kunden zahlen Geld und erwarten dafür eine Dienstleistung. Eine Entschuldigung wäre das Mindeste.“

„Ich hatte es mir schlimmer vorgestellt“, sagt die Lehramtsstudentin für Geschichte und Englisch, Teresa Jungblut. Sie komme aus Alt-Saarbrücken und fahre frühzeitig los, um noch einen Platz zu bekommen. Aber auch hier sei der Bus zu Stoßzeiten überfüllt, so die 27-Jährige. „Dass die Kosten für das Semesterticket erhöht wurden, ist nicht zu rechtfertigen“, sagt Jungblut.

Von der Situation seien auch die Studenten der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) betroffen, sagt deren Pressesprecherin Katja Jung. „Gerade für Studierende von außerhalb ist das schon problematisch“, so ihre Einschätzung.

Ulrike Reimann, Pressesprecherin der Saarbrücker Stadtwerke, kann den Ärger nicht nachvollziehen. „Die Hochschulen sind trotz des reduzierten Fahrplans gut zu erreichen“, sagt sie. Es gebe aber durchaus Beschwerden wegen voller Busse: „Wir haben die Fahrer angewiesen, die Zentrale zu informieren, wenn ein Bus überfüllt ist.“ Dann setze das Unternehmen nach Möglichkeit Verstärkung ein. Auf stark frequentierten Strecken wie der Linie 124 seien bereits weitere Busse unterwegs. Außerdem fahre die Linie 163, die vom Dudweiler Bahnhof startet, zusätzliche Haltestellen an. So könnten Fahrgäste jetzt an den Haltestellen Dudweiler Bürgerhaus und Hermann-Löns-Straße ein- und aussteigen.

„Allerdings ärgern wir uns seit Wochen über das erhöhte Verkehrsaufkommen und Staus“, so Reimann. Dieses würden durch zahlreiche Baustellen in der Stadt verursacht. Dadurch komme es zu Verspätungen, die nicht vom Unternehmen verschuldet seien. „Das Ganze hat nichts mit dem reduzierten Fahrplan zu tun“, sagt Reimann.

Die Asta-Vorsitzenden Lukas Redemann und Judith Bühl sehen das Unternehmen dennoch in der Pflicht. „Der Semesterbeginn ist nun mehr als drei Wochen her, trotzdem reißt der Protest nicht ab.“ Sie bekämen täglich Dutzende Beschwerden. „Zum Beispiel berichtete uns eine Studentin, dass sie trotz zusätzlicher Busse auf der Linie 112 am Hauptbahnhof kaum einen Platz fand.“ Ihre Mitstudenten hätten auf den nächsten Bus warten müssen. „Verspätungen und Ausfälle sind weiterhin an der Tagesordnung“, sagt Redemann. „Die Studierenden sind unzufrieden und wütend.“ Die ohnehin mangelhafte Verbindung aus dem ländlichen Raum sei weiter verschlechtert worden. 

Vom Betreiber erwartet Redemann zusätzliche Busse und verlässliche Fahrpläne. Außerdem fordert er weitere Zugeständnisse der Stadtwerke: „Zum Beispiel würden wir es begrüßen, wenn der Preis für das Semesterticket gesenkt wird.“ Momentan kämen deutlich mehr Studenten wegen der schlechten Busverbindung mit dem Auto. Dadurch häuften sich die Beschwerden über mangelnden Platz in den Parkhäusern.

Roland Rolles, Vizepräsident für Verwaltung und Wirtschaftsführung an der Saar-Uni, sieht das anders. „Zu Beginn des Wintersemesters haben wir regelmäßig solche Engpässe, weil dann noch mehr Studenten mit dem Auto kommen“, sagt er. „Bisher sind aber immer noch einige Plätze in den Parkhäusern frei geblieben.“

Fahrzeuge, die kritische Verkehrswege blockieren, werden an der Saar-Uni mittlerweile abgeschleppt. „Insbesondere das Parken auf Rettungswegen und Aufstellflächen behindert den Einsatz der Rettungskräfte“, sagt Rolles. „In der Vergangenheit gab es bereits Fälle, bei denen Rettungsfahrzeuge deswegen nicht durchgekommen sind, allerdings zum Glück bisher nicht in lebensbedrohlichen Notfällen“, berichtet der Vizepräsident. „Für uns ist diese Situation natürlich dennoch untragbar.“ Die Abschleppkosten von ungefähr 180 Euro müssten die Halter selbst tragen, so Rolles.

Zusätzlich verschärft wird die Parksituation dadurch, das Studenten von Saar-Uni und HTW seit diesem Semester nicht mehr kostenlos auf dem Parkplatz der Hermann-Neuberger-Sportschule parken dürfen, der an den Saarbrücker Campus der Saar-Uni angrenzt. Wegen Umbaumaßnahmen auf dem HTW-Campus am Rotenbühl habe die Hochschule vom Landessportverband des Saarlandes (LSVS), der die Sportschule betreibt, hier zwei Räume gemietet, sagt Katja Jung. Rund 100 HTW-Studenten aus der Fakultät der Wirtschaftswissenschaften hätten hier Vorlesungen. „Wir versuchen aber generell, diese so zu bündeln, dass Studenten entweder einen ganzen Vor- oder Nachmittag dort sind, um nicht ständig pendeln zu müssen“, sagt Jung.

„Als der Asta die Gespräche mit dem Unternehmen der Saarbahn führte, saßen wir als Verantwortliche der Universität mit am Verhandlungstisch“, berichtet Friederike Meyer zu Tittingdorf, Pressesprecherin der Saar-Uni. Die Gründe, die das Unternehmen angeführt habe, seien für sie nachvollziehbar gewesen, der Fahrplan aufgrund von akutem Personalmangel reduziert worden. „Wir hoffen, dass es nur kurzfristig so ist.“ Die momentane Situation sei für Studenten wie Mitarbeiter der Universität kaum tragbar.

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