Besser spät als nie

Saarbrücken. Draußen war es längst stockdunkel, in der Saarländischen Universitäts- und Landesbibliothek (SULB) brannte immer noch Licht

Saarbrücken. Draußen war es längst stockdunkel, in der Saarländischen Universitäts- und Landesbibliothek (SULB) brannte immer noch Licht. Wer am vergangenen Donnerstagabend einen Spaziergang über den Campus der Saar-Uni in Saarbrücken machte, sah durch die gläserne Wand des großen Lesesaales zahlreiche in ihre Arbeit vertiefte Studenten: über Bücher gebeugt, am Laptop tippend oder die hohen Bibliotheksregale nach Literatur durchforstend.Die lange Nacht der aufgeschobenen Hausarbeiten heißt die Aktion, an der sich das Schreibprojekt der Saar-Uni in Kooperation mit der Bibliothek in diesem Jahr erstmals beteiligte. "Wir veranstalten ohnehin regelmäßig unsere 'Katzenjammernächte' mit verlängerten Öffnungszeiten der SULB und Schreibberatung. Die lange Nacht der aufgeschobenen Hausarbeiten passt in unser Konzept und soll als ganz besonderer Publikumsmagnet wirken", erklärte Carmen Neis vom Schreibprojekt. Das Angebot dieses Abends war daher auch besonders umfangreich: Fachreferenten informierten ausgiebig über die fachbezogene Literaturrecherche, Zeitmanagement und Textstruktur, Plagiatsvermeidung und mehr. In Einzel-Schreibberatungen konnten Studenten ihre persönlichen Probleme mit den Fachleuten besprechen.Rund 65 Studenten nahmen diese Angebote in Anspruch, weitere nutzten einfach die Chance zum Schreiben bis 23 Uhr. So auch Susanne Groß: "Ich arbeite sowieso täglich so lange an meiner Magisterarbeit. Zu Hause am Schreibtisch vereinsamt man dabei mit der Zeit, deshalb will ich heute die gemeinschaftliche Atmosphäre testen", sagte sie: "sozusagen als Gegenmaßnahme". Als regelmäßige Katzenjammernächte-Besucherin mit dem Konzept bereits vertraut, ist Catharina Becker: "Ich finde es immer sehr erleichternd, herzukommen." Wenn man für die pünktliche Abgabe seiner Arbeiten bis in die Nacht schreiben müsse, entstehe schnell das beklemmende Gefühl, zu langsam oder schlecht organisiert zu sein. "In diesen gemeinschaftlichen Arbeitsnächten sieht man, dass es sehr vielen anderen ganz genauso geht."

Dass Abgabefristen enormen Druck verursachen können, das weiß Julia Jacobs, Diplom-Psychologin an der Saar-Uni, sehr genau. Sie bot an diesem Abend in Einzelberatungen vor allem den "Aufschiebern" Hilfe an. Die Ursachen für das Vor-sich-Herschieben von Dingen, die man eigentlich gerne erledigt hätte, seien sehr verschieden: "Versagensängste, Depressivität, negative Erfahrungen, ein überhöhter Anspruch an sich selbst oder schlichtweg Unsicherheit im wissenschaftlichen Arbeiten können eine Rolle spielen." Durch das Aufschieben entstehe jedoch ein Teufelskreis, wenn sich das Problem in dem Maße verstärke, wie der Berg der unerledigten Arbeiten wächst. "Eine Lösung kann es sein, diesen Berg mithilfe eines festen Arbeitsplanes etappenweise abzutragen und sich somit durch kleine Erfolgserlebnisse zu motivieren." Wichtig seien ein ungestörter Arbeitsplatz in angenehmer Umgebung und regelmäßige Pausen zum Entspannen und Abschalten.

Während in der Uni-Bibliothek bis zur Schließung konzentriert gearbeitet wurde, zeigten im Hochschulsportzentrum gleich nebenan Sportstudenten ihren Kommilitonen, wie Abschalten funktionieren kann. Zu aktueller Musik ließen sie in der Aktivierungsgymnastik Handgelenke, Arme und Beine kreisen, dehnten und lockerten die Muskeln. Auch Yoga-Kurse wurden angeboten. Und da all die in der langen Nacht der aufgeschobenen Hausarbeiten vermittelten Ratschläge mit Nachwuchs schwieriger umzusetzen sind, beriet das Gleichstellungsbüro im Eltern-Kind-Raum studierende Eltern über Möglichkeiten der Entlastung. "Zu Hause vereinsamt man mit

der Zeit."

Studentin

Susanne Groß

Hintergrund

Die lange Nacht der aufgeschobenen Hausarbeiten wurde 2010 vom Schreibzentrum der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder ins Leben gerufen. Bereits im folgenden Jahr schlossen sich fünf weitere Schreibzentren der Aktion an. Dieses Jahr beteiligten sich 28 Hochschulen. Die lange Nacht der aufgeschobenen Hausarbeiten will Studenten nicht nur das Arbeiten bis in die Nacht ermöglichen, sondern auch Beratung bieten und zeigen, dass gemeinschaftliches Schreiben und eine angenehme Atmosphäre den Schreibfluss beflügeln können. ani

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort