Zecken Auf der Jagd im Zeckenland

Marburg   · Der Marburger Mikrobiologe Michael Bröker sammelt die kleinen Blutsauger im Dienste der Forschung.

 So sieht das Stichwerkzeug einer Zecke in starker Vergrößerung unter einem Mikroskop aus. Die Spinnentiere können beim Blutsaugen gefährliche Viren und Bakterien auf ihr Opfer übertragen. 

So sieht das Stichwerkzeug einer Zecke in starker Vergrößerung unter einem Mikroskop aus. Die Spinnentiere können beim Blutsaugen gefährliche Viren und Bakterien auf ihr Opfer übertragen. 

Foto: vdgh

Michael Brökers Tätigkeit am Waldrand von Marburg in Mittelhessen gehört in die Rubrik „Spezielle Freizeitbeschäftigungen“: Der Mann fängt Zecken. „Ich halte mich eben gern in der Natur auf“, sagt der 64-Jährige. Genauso wie andere, die an Sommertagen durch Wald und Wiesen streifen,  schnappt sich auch Bröker einen Rucksack und verbringt den Vormittag in der Natur. Er hat ein Auge dafür, wo sich die Zecken aufhalten könnten.

Im halbhohen Gras wirft er ein weißes Bettlaken aus und zieht es hundert Meter hinter sich her. „Zecken fallen nicht von den Bäumen“, erklärt der Fachmann. Sie krabbeln an die Spitzen von Gräsern und warten, dass sie von einem Tier abgestreift werden. Sie springen auch nicht auf ihre Opfer.

Dass Michael Bröker Zecken fängt, kommt nicht von ungefähr. Der promovierte Mikrobiologe arbeitete jahrzehntelang in der Pharmaindustrie. In Marburg produziert der britische Pharmakonzern Glaxo­SmithKline Impfstoffe zum Schutz vor Erkrankungen, die durch Zecken übertragen werden. Bröker weiß alles über Zecken und kann  gut erklären. 200 Tiere an einem Vormittag einzusammeln ist für ihn  dabei kein Problem. Die Zecken schickt er zu seinem Kollegen Gerhard Dobler vom Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr in München. Dort leitet der Arzt und Mikrobiologe das Referenzlabor für die von Zecken übertragene Infektionskrankheit FSME. Dobler ist Experte für Krankheitserreger, die durch Zecken übertragen werden.

Welche Krankheitserreger stecken in den Zecken? „Zecken können Dutzende von Infektionen verursachen“, erläutert Bröker. Zwei sind in Deutschland häufig. Die Borreliose wird durch Bakterien übertragen, die Frühsommer-Meningo-Enzephalitis (FSME) durch Viren. Die Borreliose durch einen Zeckenstich ist oft an einer charakteristischen Rötung der Stichstelle zu erkennen. Es gibt keine Impfung, aber mit Antibiotika ist die Infektion meist gut zu bekämpfen. Anders die FSME: Hier gibt es mit einer Impfung eine gute Vorbeugung. Wird die Impfung unterlassen, gibt es im Krankheitsfall keine gute Therapie – die Impfung ist eine gute Versicherung gegen dieses Risiko, erklärt Bröker.

Das Epidemiologische Bulletin des Berliner Robert-Koch-Instituts (RKI) ist eine Art Lagebericht zu Infektionen in Deutschland. Es hält im Fall der Zecken einige Überraschungen parat. Zecken gibt es überall, mit dem FSME-Virus sind sie aber flächendeckend in Süddeutschland zu finden – dazu kommt aus noch nicht geklärten Gründen der Landkreis Marburg-Biedenkopf als nördliche Risikoinsel. Auch der Saarpfalz-Kreis und der Landkreis Birkenfeld zählen zu den Risikogebieten, wo eine Impfempfehlung gilt. Bröker sammelt die zu den Spinnentieren gehörenden achtbeinigen Parasiten dort ein, wo in der Umgebung ein FSME-Fall bekanntgeworden ist. Mit den Zecken und den einhergehenden Gesundheitsrisiken verbinden Forscher weitere Fragen. Etwa, ob mit dem Klimawandel auch andere Zeckenarten und Krankheitserreger nach Deutschland kommen.

Bislang galt in Deutschland der gemeine Holzbock in Deutschland als Hauptüberträger der FSME. Jetzt haben Forscher auch die sogenannte Auwald-Zecke als Überträger identifiziert. Dass die FSME auch über Rohmilch übertragen werden kann, ist weniger bekannt. Das ist möglich, wenn Schafe oder Ziegen von  Zecken gestochen werden. „Diese Infektion ist in Osteuropa durchaus gängig“, erklärt Ute Mackenstedt von der Universität Hohenheim. Mackenstedt ist Parasitologin, Zeckenexpertin und Ausrichterin des Süddeutschen Zeckenkongresses. Ihre Forscherkollegen haben auch festgestellt, dass Zecken mittlerweile rund ums Jahr aktiv sind. Rätsel geben allerdings noch die sogenannten Hotspots auf: Kleine Gebiete von der Größe einer Wiese, wo Zecken zahlreich sind, während die Nachbarwiese fast zeckenfrei ist.

Mikrobiologe Bröker ist überzeugt, ein gut gepflegter Garten und kurz geschnittenes Gras seien eine gute Vorbeugung. Er hat den Botanischen Garten in Marburg abgesucht und dort kaum Zecken gefunden. Entlang von Wanderwegen gebe es deutlich mehr. Ute Mackenstedt ist da anderer Meinung: „Man kann einen Garten nicht zeckenfrei halten“, so die Expertin. „Wir müssen akzeptieren, dass wir Zecken nicht vollständig vermeiden können. Umso wichtiger ist es, sich entsprechend zu schützen.“

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