20 Euro Eintritt zum Tutorium

Saarbrücken · Überfüllte Seminare, keine Tutorien: Viele Studenten der Saar-Uni klagen über schlechte Studienbedingungen. Einige freiwillige Lehrangebote zahlen sie sogar aus eigener Tasche. Künftig werde sich die Situation weiter verschlechtern, warnt der Asta.

 Die Pharmaziestudenten Joscha Meiers und Carolin Hauser experimentieren in einem Praktikumslabor der Saar-Uni. Neuerdings müssen sie einige Chemikalien für praktische Übungen aus eigener Tasche bezahlen. Foto: Dietze

Die Pharmaziestudenten Joscha Meiers und Carolin Hauser experimentieren in einem Praktikumslabor der Saar-Uni. Neuerdings müssen sie einige Chemikalien für praktische Übungen aus eigener Tasche bezahlen. Foto: Dietze

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20 Euro pro Kopf und Semester kostet es Pharmaziestudenten der Saar-Universität, wenn sie den Stoff aus Seminaren oder Vorlesungen in einem Tutorium vertiefen möchten. Denn die Fachrichtung kann sich keine Tutoren mehr leisten. Das liegt daran, dass vor einem Jahr die Kompensationsmittel, Gelder in Millionenhöhe, die für Lehre und Studium zweckgebunden sind, um rund die Hälfte gekürzt wurden. Fünf der bisher zehn Millionen Euro jährlich fließen nun direkt in den Globalhaushalt der Uni. Seither zahlen die Pharmaziestudenten die Hälfte der Kosten für ein Tutorium aus eigener Tasche, die andere Hälfte übernimmt der Alumniverein.

"Was ein gutes Studium ausmacht, sind oft diese kleinen Dinge wie Übungen oder Tutorien", sagt die Pharmaziestudentin Charlotte Dahlem. Die einstige Asta-Vorsitzende sitzt heute als studentische Vertreterin im Uni-Senat. Im Fall der Pharmaziestudenten zeigen gerade diese kleinen Dinge große Wirkung, bestätigt der Studienkoordinator der Fachrichtung, Michael Ring. Bereits seit vier Semestern legen die Saarbrücker Studenten den ersten Abschnitt der Pharmazeutischen Prüfung bundesweit als Beste ab. Besonders im Prüfungsfach Physik sei dies den Tutorien zu verdanken. Sie seien fast die einzige Möglichkeit für Studenten , sich vorzubereiten, so Ring.

"Mittlerweile werden die Kompensationsmittel nicht mehr für die Verbesserung, sondern schlicht für den Erhalt der Lehre eingesetzt", kritisiert der Asta-Vorsitzende Govinda Sicheneder. "In vielen Fachrichtungen sind Tutorien einfach notwendig." In Zukunft werde sich die Situation weiter verschlechtern, warnt Sicheneder. "Statt für die Lehre werden die Mittel vor allem haushaltsentlastend eingesetzt."

Auch in anderen Bereichen zahlen Studenten seit diesem Jahr Lehrangebote aus eigener Tasche. So kaufen Pharmaziestudenten teilweise die Chemikalien für praktische Übungen selbst. "Bis zu 200 Euro pro Praktikum kann das kosten", sagt Joscha Meiers von der Fachschaft Pharmazie.

Noch sei es ein Einzelfall, dass Studenten ihre Tutorien und Materialien selbst bezahlen, sagt Uni-Sprecherin Friederike Meyer zu Tittingdorf. Doch bei der studentischen Vollversammlung vor zwei Wochen wurde deutlich, dass es in vielen Fakultäten an diesen "kleinen Dingen" mangelt. Zwischen Asta und Unipräsidium kam es sogar zum Schlagabtausch über die Kompensationsmittel: Sie würden nicht transparent verteilt, das studentische Mitspracherecht werde ausgehöhlt, so die Kritik der Studenten (wir haben berichtet). Diese "Missverständnisse" seien jedoch mittlerweile ausgeräumt, sagt der Asta-Vorsitzende Sicheneder. Im Uni-Senat befasse sich mit dem Thema nun eine Arbeitsgruppe, die "transparent und unter Einbeziehung der Studenten " über die Verteilung der Mittel entscheide. "Die haben endlich verstanden, dass sie an uns nicht vorbeikommen", sagt Uni-Senatorin Dahlem.Bei der Verteilung der Kompensationsmittel sollen die Studenten der Saar-Uni ein Wörtchen mitreden. Das ist jedoch schwierig, wenn nur wenige wissen, dass es diese Mittel überhaupt gibt. Diesen Eindruck erweckt eine nicht repräsentative SZ-Umfrage auf dem Campus. "Ich kenne zwar den Begriff ,Kompensationsmittel‘, weiß aber nicht zu hundert Prozent, was damit gemeint ist", erklärt die Musikwissenschaftsstudentin Anna Bös. "Meiner Meinung nach haben Studenten kein wirkliches Mitspracherecht bei der Verteilung von Geldmitteln. Dabei sollten wenigstens die Fachschaften und Dozenten in die Planungen involviert sein. "

Auch Lehramtsstudentin Christina Lauer erklärt: "Mir sagt der Begriff nichts. Ich denke, er ist nicht mehr in den Köpfen der Studenten , weil die Maßnahme schon so lange zurückliegt. " Informatikstudent Marius Mosbach meint: "Man merkt, dass früher mehr Tutorien angeboten wurden als momentan. Wir sprechen auch über die Sparmaßnahmen. Aber es fragt hier niemand: ,Wo sind unsere Kompensationsmittel hin?‘ Womöglich ist das an anderen Fakultäten anders. Die Informatik ist nicht so stark betroffen."

Chemiestudent Tobias Wiehn hat die Diskussion über die Kompensationsmittel verfolgt: "Ich habe das mitbekommen, weil es in der letzten Vollversammlung Thema war. Wenn das Geld in den Globalhaushalt fließt, weiß man überhaupt nicht mehr, wo es investiert wird. Da fühlt man sich nicht so, als hätte man ein Mitspracherecht ", kritisiert er.

"Den Begriff ,Kompensationsmittel' habe ich zwar schon mal gehört, weiß aber nicht ganz genau, was es ist", sagt der Saarbrücker Geschichtsstudent Fabian Prokop.

Zum Thema:

Auf einen BlickMit der Abschaffung der Studiengebühren zum Sommersemester 2010 verpflichtete sich die Landesregierung, jährlich zehn Millionen Euro Kompensationsmittel an die Saar-Uni zu zahlen. Sie sind zweckgebunden für Lehre und Studium, über ihre Verwendung sollen die Studenten mitentscheiden. 2015 wurden die Mittel gekürzt: Rund die Hälfte fließt nun direkt in den Uni-Haushalt, bis 2020 soll der Anteil sukzessive auf sechs Millionen Euro steigen. Im Gegenzug werden die Kompensationsmittel auf vier Millionen Euro gekürzt. 2,7 Millionen Euro davon fließen künftig in den Strategiefonds für Lehre und Studium. lip

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