Insekt des Jahres Der Tod kommt mit einem Schlag

Berlin/Basel · Die Gottesanbeterin ist eines der faszinierendsten Lebewesen und Insekt des Jahres 2017. Der bis zu zehn Zentimeter große Räuber frisst sogar Vögel.

 Dieses Foto des japanischen Fotografen Satoshi Kuribayashi zeigt eine Gottesanbeterin. Für seine spektakularen Nahaufnahmen von Insekten ist der Naturfotograf Kuribayashi mit dem Lennart Nilsson Preis ausgezeichnet worden. Foto: Satoshi Kuribayashi

Dieses Foto des japanischen Fotografen Satoshi Kuribayashi zeigt eine Gottesanbeterin. Für seine spektakularen Nahaufnahmen von Insekten ist der Naturfotograf Kuribayashi mit dem Lennart Nilsson Preis ausgezeichnet worden. Foto: Satoshi Kuribayashi

Foto: picture-alliance/ dpa/Satoshi Kuribayashi

Nur wenige werden es wissen: Die Gottesanbeterin Mantis religiosa ist in Deutschland das Insekt des Jahres 2017. Das Kuratorium des Naturschutzbundes Deutschland, das diesen Titel vergibt, wollte mit seiner Wahl auf die einzige in Mitteleuropa vorkommende Vertreterin dieser Art aufmerksam machen. Sie steht in Deutschland auf der Roten Liste. Die Europäische Gottesanbeterin ist aber auch ein Insekt, an dem Folgen des Klimawandels deutlich werden, denn mit steigenden Temperaturen breitet es sich immer weiter aus. Mit Ausnahme von Niedersachsen und Schleswig-Holstein seien die Tiere mit den großen Facettenaugen heute in allen deutschen Bundesländern zu finden, erklärt Professor Thomas Schmitt vom Deutschen Entomologischen Institut der Senckenberg-Gesellschaft (Müncheberg). Besonders wohl fühlen sie sich in sonnigen, trockenwarmen, meist in Südlage gelegenen Gras- und Buschlandschaften mit lockerer Vegetation.

Die Gottesanbeterin ist ein Räuber. Mit angewinkelten, „betenden“ Vorderbeinen lauert sie auf Beute oder pirscht sich heran. Meist sind ihre Opfer Insekten, aber mitunter auch Frösche, Eidechsen oder Mäuse. Ist das Beutetier in Reichweite, schnappen die dornenbewehrten Fangbeine blitzschnell zu. Dieser Fangschlag dauere nur etwa 50 tausendstel Sekunden – das ist sechsmal schneller, als ein Lidschlag des menschlichen Auges, erläutert der Insektenforscher des Senckenberg-Instituts.

Zoologen aus der Schweiz und den USA berichten nun, dass bei Gottesanbeterinnen auch kleine Vögel auf dem Speiseplan stehen. Von zwölf Arten sei jetzt bekannt, dass sie Vögel fressen, erklären die Zoologen Martin Nyffeler (Universität Basel), Mike Maxwell (Universität La Jolla, Kalifornien) und James Van Remsen (Universität Louisiana). Berichte dazu lägen mittlerweile aus 13 verschiedenen Ländern vor. Die Raubinsekten seien dabei nicht wählerisch – 24 verschiedene Vogelarten zählten zu ihren Opfern. Dabei wagten sich Gottesanbeterinnen, die maximal acht Gramm wiegen, an gleich schwere Beutetiere heran, sehr selten könne ihre Beute auch größer sein als sie selbst. Der größte Teil der 147 Fälle, die von den Wissenschaftler ausgewertet wurden, stammt allerdings aus den USA. Gottesanbeterinnen erbeuten dort oft Kolibris an Zuckerwasserschalen, die in Hausgärten hängen oder lauern an Pflanzen, die von Kolibris bestäubt werden. Der Fangschlag ziele in der Regel auf den Kopf, den Nacken oder den Hals eines Beutetieres, erklärt Martin Nyffeler.

Vor einem Jahrhundert seien in Nordamerika mehrere gebietsfremde Arten von Gottesanbeterinnen zur biologischen Schädlingsbekämpfung ausgesetzt worden, die offenbar nicht wählerisch bei der Wahl ihrer Beute seien. Die Untersuchung, bei der die Forscher wissenschaftliche Datenbanken und Internetquellen auswerteten, zeige, welche Gefahr diese Raubinsekten für Vögel darstellen können. Wie häufig sie gefiederte Beutetiere attackieren, ist nicht bekannt, erklärt Nyffeler. Bei der Freilassung von Gottesanbeterinnen zur Schädlingsbekämpfung sei trotzdem in jedem Fall Vorsicht geboten, sagt der Baseler Biologeprofessor. Berühmt-berüchtigt ist die Gottesanbeterin wegen ihres ungewöhnlichen Paarungsverhaltens. Gelegentlich kostet die Fortpflanzung dem männlichen Tier im wahrsten Sinne den Kopf. Das Weibchen verspeist ihn während oder nach der Paarung. Dieser sogenannte Sexualkannibalismus sei aber nicht die Regel, schränkt das Entomologische Institut der Senckenberg-Gesellschaft ein.

Einige Tage nach der Begattung, meist im Spätsommer oder im Herbst, legen die weiblichen Gottesanbeterinnen bis zu 200 Eier an Steinen oder Grashalmen in Form einer schnell härtenden Schaummasse ab. In diesen sogenannten Ootheken können die Larven niedrige Temperaturen bis zum nächsten Frühjahr überstehen. Die erwachsenen Tiere sterben vor Beginn des Winters.

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