Beruf Stresstest vor dem Start ins Berufsleben

Mannheim/München · Zwei Dutzend nervöse junge Leute, acht knifflige Aufgaben – und am Ende ein Traumjob. So oder so ähnlich funktioniert ein Assessment Center.

 Manche Unternehmen wollen Bewerber nicht nur mit einem einfachen Vorstellungsgespräch auf die Probe stellen. Sie setzen stattdessen auf ein Auswahlverfahren, das sogenannte Assessment Center.

Manche Unternehmen wollen Bewerber nicht nur mit einem einfachen Vorstellungsgespräch auf die Probe stellen. Sie setzen stattdessen auf ein Auswahlverfahren, das sogenannte Assessment Center.

Foto: dpa-tmn/Robert Günther

Die letzte Klausur ist geschrieben, die Abschlussarbeit fertig. Doch auf viele Berufseinsteiger wartet jetzt noch eine Prüfung – und wenn es um den Traumjob geht, ist sie vielleicht sogar die wichtigste. Das Assessment Center: berüchtigte Auswahltage voller Tests, mit denen Unternehmen nach den besten Nachwuchskräften suchen.

Vor ein paar Jahren war der Begriff noch in aller Munde, inzwischen ist es still geworden um ihn. Das liegt aber nicht daran, dass es die Assessment Center nicht mehr gibt – im Gegenteil. Nach einem kurzzeitigen Rückgang ist ihre Zahl sogar wieder gestiegen, sagt Katharina Hain, die bei der Personalberatung Hays die Abteilung Rekrutierungsmanagement leitet.

Vor allem Positionen für Hochschulabsolventen, in Trainee-Programmen zum Beispiel, und für Führungskräfte besetzen Arbeitgeber auf diesem Weg. „Grundsätzlich sind Assessment Center meist für Positionen im Vertrieb, im Verkauf oder in der Beratung geeignet“, sagt Hain. Und meist sind die Veranstalter eher große Unternehmen, allen voran die Dax-Konzerne. Von Assessment Center spricht dabei heute allerdings kaum noch ein Arbeitgeber. Stattdessen heißen die Veranstaltungen zum Beispiel Auswahltag, Bewerber-Workshop oder Meet & Greet. Hinter dem klangvollen Namen steckt aber die gleiche Veranstaltung wie vorher. „Unabhängig vom Namen ist die Methodik immer die gleiche“, sagt Coach und Ratgeber-Autor Johannes Stärk. „Also Situationen aus dem Arbeitsalltag zu simulieren, Druck zu erzeugen und den Bewerber dann zu beobachten.“

Der genaue Ablauf ist zwar immer anders. Bestimmte Situationen und Übungen tauchten aber in jedem Assessment Center auf, sagt Stärk. Das zeigt auch eine Studie von Obermann Consulting, erstellt im Auftrag des Arbeitskreis Assessment Center. Eine Präsentation, ein simuliertes Zweiergespräch und ein Interview kommen demnach jeweils in mehr als 80 Prozent der Auswahlverfahren zum Einsatz. 

Vielleicht am einfachsten ist die Präsentation, aus dem Studium schon zur Genüge bekannt – im Assessment Center nur mit mehr Zeitdruck und ein paar kniffligen Nachfragen. Was beim Zweiergespräch genau passiert, hängt vom Job ab: Angehende Führungskräfte müssen vielleicht ein Mitarbeitergespräch simulieren, Vertriebler etwas verkaufen. „Im Idealfall sind die simulierten Situationen tatsächlich der Arbeitsalltag“, sagt Stärk. „Sie geben dann wirklich eine Art Arbeitsprobe ab.“

Das Interview ist im Grunde nichts weiter als ein reguläres Vorstellungsgespräch, nur mit einem strukturierten Fragebogen. So sind die Antworten mehrerer Bewerber für den Arbeitgeber besser vergleichbar, erklärt Stärk.

Dazu kommen je nach Unternehmen und Job weitere Aufgaben. Recht populär ist nach Angaben von Obermann Consulting zum Beispiel die Fallstudie: Hier müssen Bewerber aus einer Vielzahl von Materialien die wesentlichen Informationen zusammensuchen und dann eine strategische Lösung für ein Problem entwickeln.

Andere Herausforderungen haben an Beliebtheit verloren: Die Gruppendiskussion etwa, die 2008 noch in fast 80 Prozent aller Assessment Center zu finden war, kommt heute nur in 40 Prozent der Fälle zum Einsatz. Ähnlich verbreitet ist die Postkorb-Aufgabe, in der Bewerber unter Beweis stellen müssen, wie gut sie eingehende Nachrichten und Termine delegieren oder sortieren können.

Beispiele für viele dieser Aufgaben gibt es im Internet. Und wer es ganz genau wissen will, kann sich auch für Vorbereitungskurse anmelden. Teuer müssen die nicht sein: 2014 fand die Stiftung Warentest heraus, dass eintägige und eher günstige Angebote von Volkshochschulen mit den kosten- und oft zeitintensiven Trainings privater Anbieter durchaus mithalten können.

Dazu hilft es, mit offenen Augen und Ohren durch die Welt zu laufen: „Bei Fallstudien oder Gruppendiskussionen geht es oft um aktuelle Themen“ sagt Katharina Hain. Wer also zum Auswahltag bei einem großen Autobauer erscheint, ohne zumindest grob über den Abgasskandal Bescheid zu wissen, macht etwas falsch.

„Dass bei so einem Assessment Center nicht alles glatt läuft, ist normal“, so der Experte. „Da ist es dann aber wichtig, dass ich es weiter durchziehe. Mittendrin auszusteigen, ist das Schlechteste, was ich machen kann.“ Vor unmenschlichem Druck im Auswahlverfahren müssen sich Bewerber heute nicht mehr fürchten. Zeitdruck herrsche zwar immer noch, sagt Stärk, auch Stress-Interviews oder provokante Fragen gebe es. „Die meisten Unternehmen verzichten darauf aber zunehmend. Auch für das Unternehmen geht es ja darum, wie man sich präsentiert.“ Daran sollten Teilnehmer ohnehin immer bedenken, rät Hain. Nicht nur ein Arbeitgeber sieht hier, wer zu ihm passt – auch der Bewerber kann sich einen Eindruck von der Unternehmenskultur verschaffen. Wie ist der Umgangston? Wie sind die Mitarbeiter? „Denn das sind ja oft die zukünftigen Kollegen.“

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