Ausbildung oder Studium Praktika helfen bei der Wahl zwischen Lehre und Studium

Berlin/Bonn · Erfahrungen in Betrieben zu sammeln, verschafft realistische Einblicke in die Wunschbranche. Das erleichtert die Entscheidung der Ausbildungsform.

Dass Nadine Linke in der Tourismusbranche landen würde, hat wohl niemanden in ihrem Umfeld sonderlich überrascht. In Indien als Tochter zweier reisebegeisterter Gastronomen geboren, wurde ihr das Fernweh praktisch in die Wiege gelegt. Und in welcher Branche ist man da besser aufgehoben als in der Hotellerie? So informierte sich die heute 18-Jährige auf Messen über potenzielle Arbeitgeber und Ausbildungswege und entschied sich für ein duales Studium der Betriebswirtschaftslehre mit Fachrichtung Tourismus. „Ich wollte auf jeden Fall in den Tourismus und gleichzeitig studieren“, erzählt sie. „Es ist sehr stressig und zeitintensiv.“

Ihr selbst reichte eine Ausbildung als Hotelfachfrau nicht. Denn sie will die großen wirtschaftlichen Zusammenhänge verstehen, und Mathe lag ihr schon immer. Tief in Themen eintauchen zu wollen, das ist laut Bundesagentur für Arbeit mitunter ein Grund, der für ein Studium spricht. Daneben sollte man für ein Studium ein großes Maß an Disziplin und Selbstorganisation mitbringen. Sandra Warden, Geschäftsführerin vom Deutschen Hotel- und Gaststättenverband, rät jungen Menschen zuerst zu einer Lehre, um sich mit der Branche auseinanderzusetzen.

Auszubildende durchlaufen alle Abteilungen und erhalten einen guten Überblick in die betrieblichen Abläufe. Unter Umständen ist auch der Zugang zur Ausbildung leichter. Für die meisten dualen Berufsausbildungen wird formal kein Schulabschluss vorgeschrieben. Dennoch erwarten viele Betriebe mindestens einen Hauptschul- oder Realschulabschluss, manche gar das Abitur. Generell gibt es einen Trend zur Akademisierung. Die Zahl der Studienanfänger ist im vergangenen Jahrzehnt gestiegen – von rund 1,9 Millionen im Jahr 2007 auf 2,8 Millionen im Jahr 2017, erklärt Hannelore Mottweiler vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB).

Zwar ist ein Hochschulabschluss formal die bessere Qualifikation, gerade für leitende Positionen. „Gemäß des Deutschen Qualifikationsrahmens für lebenslanges Lernen werden Hochschulabsolventen in eine höhere Stufe eingeordnet“, sagt Mottweiler. Das muss aber nicht zwingend bedeuten, dass jemand mit Hochschulabschluss andere Tätigkeiten ausübt als jemand mit einer Ausbildung. In Branchen wie der Mediengestaltung gebe es mittlerweile so viele Absolventen aus Medien- und Grafikstudiengängen, dass diese immer häufiger Facharbeitertätigkeiten übernehmen.

Wer sich in Berufen, in denen es mehrere Wege gibt, für ein Studium entscheidet, sollte vorher zumindest immer ein längeres Praktikum absolviert haben, rät Mottweiler.

Einen wichtigen Unterschied zwischen der Ausbildung und dem Studium gibt es noch: Gerade wer sich für Auslandsaufenthalte während der Ausbildung interessiert, ist an der Hochschule womöglich besser aufgehoben. Dort sind sie üblicher und besser mit dem Curriculum vereinbar als in einer Ausbildung. Einige Kommilitonen von Studentin Nadine Linke etwa wechseln in der Praxisphase nicht nur den Betrieb, sondern gleich das Land: In großen Hotelketten sei das kein Problem.

Linkes Entscheidung für ein duales Studium war bewusst. Auch weil sie noch nicht weiß, ob sie ihr Leben lang in einem Hotel arbeiten möchte.

(dpa)
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