Eine Chance für junge Eltern

Kassel · 20 Frauen beginnen derzeit am Klinikum Kassel eine Ausbildung in Teilzeit zur Gesundheits- und Krankenpflegerin. Die Schul- und Dienstzeiten sind familienfreundlich konzipiert. Auch andere Berufe bieten Teilzeitmodelle bei der Lehre.

Alleinerziehend mit zwei kleinen Kindern und trotzdem eine qualifizierte Ausbildung beginnen - für Carmen Czadek war das lange unvorstellbar. Nun gehört die 40-Jährige aus dem nordhessischen Lohfelden zu den 20 Frauen, die Anfang dieser Woche am Klinikum Kassel eine Lehre zur Gesundheits- und Krankenpflegerin begonnen haben - und zwar in Teilzeit. "Ein persönlicher Jackpot", sagt sie. Sinkende Schulabgängerzahlen und steigender Personalbedarf waren der Grund für das Projekt. "Mit einer neuen Zielgruppe für die Ausbildung wollen wir einem drohenden Fachkräftemangel frühzeitig begegnen", erklärte die Sprecherin der Gesundheit Nordhessen (GNH), Gisa Stämm. Das Augenmerk richte sich auf Eltern, Alleinerziehende oder auch Wiedereinsteiger ins Berufsleben.

"Unsere Unterrichts- und Dienstzeiten sind für die Betreuung der Kinder optimal. Ich kann meine Kinder zum Kindergarten bringen und nach dem Unterricht wieder abholen", sagte Czadek, die zwei vierjährige Kinder hat. In dem neuen Modell müssen die 21 bis 52 Jahre alten Auszubildenden lediglich 30 statt 38,5 Stunden pro Woche arbeiten, dafür wurde die Ausbildungszeit von drei auf vier Jahre verlängert. Inhaltlich gebe es keine Unterschiede, betonte Stämm.

Das Angebot ist nach Angaben der Klinik einmalig in Hessen. Die Nervenklinik Philippshospital in Goddelau im Kreis Groß-Gerau hatte zwar 1994 eine Teilzeitausbildung zum Krankenpflegehelfer getestet, dies war allerdings ein Pilotprojekt und eine andere Lehre. Ähnliche Modellversuche gibt es aber auch in anderen Kliniken bundesweit.

Mit der Reform des Berufsausbildungsgesetzes im Jahr 2005 wurde die Möglichkeit der Teilzeitausbildung rechtlich geregelt. Demnach ist es möglich, die tägliche oder wöchentliche betriebliche Ausbildungszeit zu kürzen, erklärt die Bundesagentur für Arbeit - wenn ein berechtigtes Interesse vorliegt und zu erwarten ist, dass das Ausbildungsziel in der gekürzten Zeit erreicht wird. Damit soll vor allem jungen Müttern und Vätern die Chance auf eine Lehre gegeben werden. Aber auch für Menschen mit Behinderung kann ein solcher Einstieg ins Berufsleben in Frage kommen.

Teilzeitausbildungen gibt es auch in anderen Bereichen. Besonders bei Friseuren und Verkäufern im Lebensmittelhandwerk, sagte eine Sprecherin der Handwerkskammer Kassel . Auch in der Industrie- und Handelskammer Kassel-Marburg werden die familienfreundlichen Verträge regelmäßig abgeschlossen. Bislang ist diese Ausbildungsmethode aber noch die Ausnahme. "Insgesamt kann man derzeit noch von der Teilzeitausbildung als einem Nischenphänomen sprechen", sagte Michael Ludwig, IHK-Geschäftsführer Aus- und Weiterbildung.

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Auf einen BlickGesundheits- und Krankenpfleger betreuen und versorgen kranke und pflegebedürftige Menschen, führen vom Arzt verordnete Maßnahmen aus, assistieren bei Untersuchungen und Behandlungen und dokumentieren Patientendaten. Die Ausbildung dauert in Vollzeit drei, in Teilzeit bis zu fünf Jahre. Modellversuche, in denen durch ein Aufbaumodul ein weiterer Abschluss erworben werden kann, sehen eine Ausbildungsdauer von insgesamt dreieinhalb Jahren vor. Die Ausbildungsvergütung liegt bei einer dreijährigen Lehre nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit zwischen 956 und 1118 Euro brutto monatlich, je nach Ausbildungsjahr. Das spätere Einstiegsgehalt kann variieren, wird aber für Beschäftigte im Pflegedienst bei den Kommunen mit 2600 bis 3200 Euro brutto monatlich beziffert.Weitere Infos im Internet: www.dpv-online.de , www.ads-pflege.de , www.bagfw.de , www.dbfk.de , www.dkgev.de hei

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