Karriereplanung Damit die Wahl nicht zur Qual wird

Berlin/Zürich · Wer mehrere Jobangebote hat, kann sich oftmals nur schwer für eines entscheiden. Ein Leitfaden für Unentschlossene.

 Wer mehrere Job-Angebote hat, steht vor einer schwierigen Entscheidung.

Wer mehrere Job-Angebote hat, steht vor einer schwierigen Entscheidung.

Foto: dpa-tmn/Franziska Gabbert

() Philip Meissner ist Professor und lehrt an der ESCP Europe in Berlin Strategisches Management und Entscheidungsfindung. Er ist der Meinung, dass vor jeder Entscheidung zunächst die Betrachtung des Problems stehen sollte – auch dann, wenn Bewerber in der vermeintlich glücklichen Lage sind, zwischen mehreren Angeboten wählen zu können. „Ist man Berufseinsteiger und hat zwei Jobangebote oder will man den Beruf wechseln, dann hat man eigentlich drei Alternativen. Denn der Status quo ist auch eine Entscheidung, die im Raum steht“, sagt Meissner. Oft sei ein Arbeitsplatzwechsel nur vorgeschobener Aktionismus, der eher das Symptom, die eigene Unzufriedenheit, bekämpfe, nicht aber die Ursache.

Eine 0815-Vorlage gebe es nicht. „Entscheidungen und auch die Kriterien dafür sind immer individuell“, sagt Marc Schreiber, der am Institut für Berufs-, Studien- und Laufbahnberatung der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) tätig ist. „Die innere Zufriedenheit ist für mich immer das Wichtigste.“ Auch Philip Meissner weiß: So unterschiedlich wie die Bewerber sind, so unterschiedlich sind ihre Wünsche. „Man sollte sich die Frage stellen, welche persönlichen Ziele man eigentlich hat.“ Ist einem die Weiterentwicklung wichtig, das Lernen, geht es um Geld oder Status?

Auch die Werte und die Kultur des Unternehmens könnten bei der Entscheidungsfindung eine wichtige Rolle spielen. „Gerade, wenn man den ersten Job annimmt, ist wohl auch die Frage nach dem Chef ganz zentral. Er ist im weiteren Verlauf der Karriere derjenige, der darüber entscheidet, wie erfolgreich man sein kann und wie viel man dazulernen kann.“

Erst am Schluss steht nach Ansicht von Meissner die Frage nach der Tätigkeit. „Am Ende wird man wahrscheinliche ähnliche Aufgaben haben, je nachdem, für welchen Job man sich entscheidet.“

Hilfreich für die Entscheidungsfindung können Methoden wie eine Pro- und Contra-Liste sein, der Klassiker unter den Entscheidungshelfern. Der Berufsberater Thomas Röser weiß aus seiner täglichen Arbeit, dass Visualisierungen oft helfen. „Ich würde die eigenen Gedanken immer zu Papier bringen. Ich selbst nutze dafür gerne eine Entscheidungsmatrix, bei der man sich Kriterien überlegt, die einem wichtig sind. Dann mache ich mir verschiedene Spalten und überlege für jeden Arbeitgeber, ob ich unterschiedliche Punkte vergebe.“

Ein ähnliches Vorgehen empfiehlt Heinz Ostermann vom Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister. „Erstellen Sie eine für alle Jobs gültige und persönliche Kriterienliste. Nehmen Sie eine Bewertung mit Plus- und Minuspunkten je Kriterium und je Job vor und werten Sie das Ergebnis aus. Diese erste Entscheidung sollten sie dann noch einmal emotional prüfen“, rät Ostermann.

Marc Schreiber findet, das Bauchgefühl sei sehr wichtig. Denn selbst wenn rationale Entscheidungsmodelle hilfreich sind, würden sie doch praktisch nie zu einer Lösung führen. „Das hat damit zu tun, dass häufig emotionale, manchmal unbewusste, Prozesse sehr wichtig sind. Man bemerkt sie, wenn eine Option objektiv die beste Bewertung erhält, aber man spürt, dass mit dieser Option irgendwas nicht stimmt“, erläutert Schreiber. Dann könne man versuchen herauszufinden, womit dieses schlechte Gefühl zusammenhänge und es nochmals hinterfragen.

Anders ordnet Philip Meissner die Rolle des Bauchgefühls ein. „Ich würde mir schon Gedanken machen und nicht nur auf die Intuition hören. Es ist immerhin eine große, vielleicht lebensverändernde Entscheidung, bei der man eher analytisch vorgehen sollte“. Auch, indem man andere um Rat frage. „Möglichst findet man jemanden, der ein ähnliches Problem schon mal gemeistert hat“, sagt Meissner. Rat suchen, Abwägen, Entscheiden, all das braucht Zeit. Doch zu viel Zeit sollte man sich für diese Entscheidung auch nicht nehmen. In jedem Fall, da sind sich die Experten einig, ist Offenheit gegenüber dem potenziellen Arbeitgeber gefragt.

„Man kann ansprechen, dass man noch andere Optionen hat, schließlich muss man ja einen Grund für die Bedenkzeit aufbringen. Es kann einen natürlich auch etwas interessanter machen, wenn man nicht direkt zusagt“, sagt Röser. Ein bis maximal zwei Wochen Bedenkzeit gelten als üblich. Aber auch hier gilt: Jeder Arbeitgeber ist unterschiedlich. „Manche Arbeitgeber haben wirklich Entscheidungsdruck. Das sollte man als Bewerber ruhig erfragen, daraus ergibt sich automatisch eine für alle Beteiligten sinnvolle Bedenkzeit. Ein Hinhalten ist nicht akzeptabel“, findet Heinz Ostermann.

Nicht zuletzt, weil Zeitschinderei auch dem Bewerber häufig wenig bringe und „man es in der Regel gar nicht braucht“, sagt Meissner. Stattdessen empfiehlt der Hochschullehrer, sich selbst eine Frist zu setzen. „Die Angst, die viele Leute haben, ist ja, dass sie mit mehr Zeit noch mehr lernen könnten, was die Entscheidung beeinflussen könnte. Wenn man das tut, wird man nie eine Entscheidung treffen, weil man nie in die Zukunft blicken kann. Ein bisschen Unsicherheit wird immer bleiben.“

(dpa)
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