Acht-Stunden-Tag ade?

Berlin · Wie soll die Arbeitszeit in Zukunft über den Tag und die Woche verteilt werden? Die Digitalisierung der Arbeitswelt eröffnet viele neue Möglichkeiten jenseits des klassischen Acht-Stunden-Tages. Doch diese Freiheit kann auch schnell zum Nachteil werden.

Nachmittags frei machen, mit den Kindern in den Zoo oder ins Schwimmbad gehen und die restliche Arbeit abends von zu Hause aus erledigen. Mancherorts in Deutschland ist der klassische Acht-Stunden-Tag, montags bis freitags von neun bis fünf, schon zum Auslaufmodell geworden. Immer mehr Menschen sind abends und am Wochenende im Job aktiv. Längst lässt sich vieles mit Laptop und Smartphone außerhalb der Firma zu Hause erledigen.

Flexible Arbeitszeiten

In diesen Zeiten streben Arbeitnehmer und auch Unternehmer nach einer flexibleren Verteilung der Arbeitszeit - mit ganz unterschiedlichen Zielen. Die verschiedenen Wünsche unter einen Hut zu bringen, ist eine Herausforderung. Den Arbeitnehmern geht es vor allem um mehr persönliche Freiheit. "Immer mehr Arbeitnehmer wollen mit entscheiden, wie sie arbeiten", sagt Marta Böning, Arbeitsrechtsexpertin beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). Viele hoffen, so Beruf und Privatleben besser vereinbaren zu können. Vor allem Eltern kämpfen häufig mit starren Vollzeit- oder Teilzeitmodellen. "Den klassischen Alleinverdiener gibt es immer seltener, es ist ganz normal geworden, dass auch die Frau arbeitet", sagt Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Dies könne der Fall sein, wenn ein Einkommen nicht reiche, aber auch die Rollenbilder veränderten sich.

"Die Väter wollen sich mehr einbringen und mehr Zeit mit den Kindern verbringen. Berufliches Kürzertreten zeigt sich aber bisher wenig." Zugleich seien in den vergangenen Jahren sehr viele Frauen in den Job zurückgekommen, vor allem aber in Teilzeit. "Der Wunsch der Frauen, mehr zu arbeiten, ist da", sagt Yvonne Lott, Arbeitsmarktforscherin bei der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. Dies sei mit flexiblen Arbeitsmodellen besser möglich. Zudem fallen bei der Arbeit von zu Hause aus lästige Pendelzeiten weg.

Doch mobiles Arbeiten und freie Zeiteinteilung sind nicht in jeder Branche und für jeden einzelnen Arbeitsplatz geeignet - und auch nicht für jeden Arbeitnehmer . "Die klare Trennung von Job und Privatleben wird durch flexible Arbeitszeiten aufgeweicht. Das Risiko ist, dass das Berufliche überhandnimmt", gibt Weber zu bedenken. Hier müsse vor allem auf die individuelle Situation der Beschäftigten Rücksicht genommen werden. "Der eine sitzt spätabends noch begeistert da, der andere fühlt sich dadurch enorm unter Stress gesetzt."

Auch eine Sensibilisierung von Führungskräften ist deshalb wichtig. "Sie müssen darauf achten, dass sich die Beschäftigten nicht selbst ausbeuten", sagt Lott. "Beschäftigte, die ihre Arbeitszeiten selbst festlegen, arbeiteten häufig länger."

Möglichkeiten zur Flexibilisierung gibt es in Deutschland viele - dazu gehören Arbeitszeitkonten, Gleitzeit oder Arbeit auf Vertrauensbasis. Viel hängt dabei von der Ausgestaltung ab. Sei zumindest ein Zeitrahmen vorgegeben, wie etwa bei der Gleitzeit, funktioniere das meist gut, sagt Lott. "Werden dagegen Bonuszahlungen für das Erreichen bestimmter Ziele gezahlt und gibt es keine Arbeitszeitgrenze, ist das Risiko für Überstunden hoch."

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