Tatort „Weihnachtsgeld“ Heiteres Krimi-Krippenspiel

Saarbrücken · Heute zeigt der SR seinen neuen „Tatort“ bereits ausgewählten Gästen in Brüssel, am Donnerstag dann auf dem Halberg. Alle anderen bekommen „Weihnachtsgeld“, den vierten „Tatort“ mit Devid Striesow, am Zweiten Weihnachtsfeiertag im Ersten zu sehen.

 Räuberischer Rotrock: Am Tag vor Heiligabend wird Kommissar Stellbrink (Devid Striesow) von einem Weihnachtsmann bestohlen.

Räuberischer Rotrock: Am Tag vor Heiligabend wird Kommissar Stellbrink (Devid Striesow) von einem Weihnachtsmann bestohlen.

Ausgerechnet ein Weihnachtsmann klaut Jens Stellbrink die Brieftasche. Eine eigentlich perfekte Tarnung für einen Dieb auf dem Saarbrücker Weihnachtsmarkt. Doch der Kommissar, nicht faul, jagt zwischen Glühweinschwaden und Rostwurstdunst dem Langfinger hinterher. Kaum aber glaubt er den räuberischen Rotrock gefasst zu haben, packt er einen Falschen am Bart und demaskiert einen Kollegen - von der "Soko Nikolaus". Haha, urkomisch…

Man muss erstmal Schlimmstes fürchten während der ersten Minuten im neuen Saarbrücker "Tatort". Endet die von SR-Redakteur Christian Bauer angezettelte Täterhatz schon wieder im frei drehenden Blödsinn wie bei den ersten beiden Saar-"Tatorten" mit Devid Striesow als Kommissar Stellbrink? Dabei hatte sich mit der vorigen Episode "Adams Albtraum" (lief im Januar 2014) doch fast wohltuende Ernüchterung eingestellt. Aber auch bleiernes Mittelmaß. Ein "Tatort" bestenfalls im unteren Qualitätssegment der Viertelnachacht-Krimispiele war das. Immer noch besser aber, als sich zum Gespött der Fernsehrepublik zu machen, wie das mit den ersten beiden Stellbrink-Auftritten 2013 geschah. Damals ließ Regisseur Hannu Salonen Striesow mit großen Kinderaugen per Vespa zu den Schurken rollern: Der Kleine Prinz hielt Einzug unter den Sonntagsdetektiven.

Ja, auch der vierte Stellbrink-"Tatort" (Sendetermin: 26. Dezember) ist nah am Klamauk gebaut. Und ja, "Weihnachtsgeld " ist gewiss keine geradlinige Mörderjagd. Eine herzwärmende Geschichte aber, solide gedreht und mit einigem schauspielerischen Glanz ist er doch. Da hilft diesmal auch das Format, der "Weihnachts-Tatort", den die ARD zum zweiten Mal beschert. Das wirkt in etwa so wie mit den Pralinen und dem Waschpulver, die von Ende Oktober an mit roter Schleife dekoriert in den Regalen stehen: andere Verpackung, gleicher Inhalt. Und doch hat sich Drehbuchautor Michael Illner intensiv auf die biblische Weihnacht eingelassen - und die Geschichte von Maria und Joseph ins offenbar bitterkalte Saarbrücken geholt, ohne dass daraus gleich Heiligabend-Besinnungsfernsehen wird.

 Liebes-Kater: Stellbrink (Devid Striesow) mit der Prostituierten Elfie (Svenja Görger).

Liebes-Kater: Stellbrink (Devid Striesow) mit der Prostituierten Elfie (Svenja Görger).

Maria ist nun die Schwiegertochter des cholerischen Pizzabäckers Alfredo Ventura (gedreht wurde in der Saarbrücker Hohenzollernstraße bei "Da Paolo e Tonio"). Die Hochschwangere ist in argen Nöten. Ihr Mann, Venturas Sohn, starb vor Monaten. Und das Kind, das sie unterm Herzen trägt, ist nicht seines, sondern das des schwarzen Küchenhelfers. Was Don Ventura aber nicht mal ahnt. Dessen Zorn fürchtend will Maria (hinreißend: Fanny Krausz) bloß weg, zu ihrer Großmama nach Sizilien. An der übernächsten Ecke findet sie in Taxifahrer Jupp (Florian Bartholomai) einen überraschenden Fluchthelfer. Der will auch weg: Sein Kollege und Mitbewohner wurde gerade mit einer Lichterkette stranguliert. Wohl, weil er Saarbrückens Zuhälter-König King George erpressen wollte, der eine junge Frau angefahren hat und türmte… Auch diesmal sind das wieder viel zu viele Handlungsfädchen, als dass Stellbrink sie ernsthaft entwirren könnte. Aber auch das ist ja schon Saarbrücker "Tatort"-Tradition.

Regie-Routinier Zoltan Spirandelli nun erzählt das alles ohne Effekthascherei und Rührseligkeit, in die er schon verfallen könnte, wenn Maria und Jupp in einem leerstehenden Bauernhaus in Rubenheim Herberge suchen. Spirandelli aber weiß Ironie überlegt zu dosieren. So bleibt Striesow diesmal exakt der passende Raum, um sein komisches Talent auszuspielen, ohne dass gleich Kommissar Klamauk triumphierte. Striesows Könnerschaft liegt ohnehin in den leisen Tönen. Wenn er etwa als vermeintlicher Freier in King Georges Vorstadtpuff "Sanssouci" landet, einem Etablissement, wo die Rundungen der Damen noch üppiger ausfallen als die Preise. Die zarte Amoure zwischen dem kindlichen Kommissar und Bardame Elfie (Svenja Gröger) entspinnt sich erfrischend heiter aber auch wahrhaft anrührend. Und sie ist der ideale Kontrast zu King George, den Gregor Bloeb so großmäulig wie gewinnend spielt, so wie er schon als schöner Sigismund in der "Weißen Rössl"-Neuverfilmung auftrumpfte. Deshalb ist der böse Bube in diesem Krimikrippenspiel durchaus auch ein charmanter - aber es ist ja auch Weihnachten.

Nicht nur zu den Festtagen aber sollte Spurensicherer Horst Jordan (Hartmut Volle) endlich zur echten Hauptrolle aufrücken. Denn Stellbrink und Jordan: In diesem Doppel liegt Potenzial. Was bei Stellbrinks Kollegin Lisa Marx kaum noch zu erwarten ist. Die sollte mal die Action-Lady des Saar-"Tatorts" werden, in "Weihnachtsgeld " steht sie bloß noch rum. Und mit einem dauergefrosteten Minimallächeln reduziert Elisabeth Brück ihre Figur fast bis zur Bedeutungslosigkeit. In keinem der sonstigen ARD-"Tatorte " findet sich eine derart anämische Hauptrolle. Aber vielleicht beschert ja das Christkind Frau Marx ein bisschen mehr Charakter.

Freitag, 26. Dezember, 20.15 Uhr, im Ersten.

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