„Sie hatte ein großes Herz“

Saarbrücken · Erika Bauer

 Erika Bauer

Erika Bauer

Foto: Privat



Saarbrücken. Erika Bauer, Jahrgang 1932, ist die einzige Tochter von Willy und Ella Schönel, einem Gastwirtsehepaar, dem das damals stadtbekannte Saarbrücker "Restaurant Schönel" gehörte.

Die kleine Erika besuchte in Malstatt die Grundschule, hatte gerade die zweite Klasse erreicht, als die Familie 1940 - wie viele Tausende Saarländer, die in Grenznähe wohnten - wegen des Krieges evakuiert wurde. Die Familie lebte bei Bekannten in Zweibrücken, kam nach einem Jahr zurück. Tochter Erika wechselte 1942 auf eine Mittelschule. Doch dann erreichte der Krieg auch Saarbrücken. Fast täglich Bombenangriffe. 1944 wurde die Familie wieder evakuiert. Rückkehr Ende 1946. "Die Eltern unserer Mutter, die Großeltern, die ganze Verwandtschaft freute sich, dass ihr Haus noch stand. Doch es war nur die Fassade. Alles andere war zerstört", erzählt Dr. Gerd Bauer, CDU-Politiker, Direktor der Landesmedienanstalt und Aufsichtsratsvorsitzender der Congress Zentrum Saar GmbH, Er ist der älteste Sohn von Erika Bauer. Er, seine Frau Ilse und ich sitzen zusammen und reden über den Krieg und wie alles weiter ging. Sie erzählen, dass Erikas Vater Willi Schönel Soldat war, 1945 zurück kam. Und genau an dem Tag, an dem Erika 1946 zur Konfirmation ging, wurde der Vater von französischer Polizei verhaftet und in Handschellen abgeführt: "Die Franzosen sagten weder, wo sie den Vater hinbringen würden, noch was man ihm genau vorwarf. Er habe als NSDAP-Mitglied Verbrechen begangen, hieß es. Er saß im Gefängnis Lerchesflur. Die Familie durfte ihn nicht besuchen. Dann wurde er entlassen. Er war NSDAP-Mitglied gewesen, wie Millionen andere. Aber die Vorwürfe erwiesen sich als haltlos."

1948 wurde das "Restaurant Schönel" wieder eröffnet. Und Tochter Erika, die gerade die Realschule mit Abschluss Mittlere Reife beendet hatte, arbeitete im Familienbetrieb, half in der Küche und beim Service. Im Fasching 1949 lernte sie auf dem "Püttlinger Speckball" ihren späteren Ehemann Willi Bauer kennen, einen Beamten der Saarländischen Eisenbahngesellschaft. Die Hochzeit war im April 1950 in der evangelischen Kirche auf der Rußhütte. Gefeiert wurde im eigenen Restaurant. Gerd Bauer sagt lächelnd: "Der Hochzeitsgrund war ich. Ich wurde vier Monate später geboren. 1954 kam mein Bruder Rolf auf die Welt. Unser Familienleben spielte sich zum großen Teil im Restaurant ab. Mein Vater machte Schichtdienst als Eisenbahner und half im Restaurant in seiner Freizeit. Er war manchmal ein strenger Vater, aber unsere Mutter vermittelte immer wieder. Wir hatten eine schöne Kindheit. Unsere Mutter hat sich trotz der vielen Arbeit immer wieder für uns Zeit genommen. Sie war ein Kontaktmensch und eine liebe Mutter. .Sie war hilfsbereit, man kann ruhig sagen: ,Sie hatte ein großes Herz.' Ihr christlicher Glaube bedeutete ihr viel. Auch wenn sie keine regelmäßige Kirchgängerin war. Sie hatte ein paar Hobbys. Einmal in der Woche ging sie mit Freunden kegeln, mit unserem Vater besuchte sie regelmäßig Tanzveranstaltungen. Sie konnte Klavier spielen. Die Familie war ihr wichtig. Sie wollte uns alle um sich haben. Und Weihnachten war die ganze Familie zusammen."

1964 wurde das Restaurant verpachtet: "Unsere Mutter war nun zu Hause. Ich ging aufs Gymnasium, studierte Politik und Sozialwissenschaften. Mein Bruder Rolf absolvierte eine Lehre als Koch, hing dann noch eine Ausbildung als Hotelkaufmann dran und ist heute ein erfolgreicher Hotelier. Sie war stolz auf uns." Gerd Bauer macht ein nachdenkliche Pause, sagt dann: "Unsere Eltern hatten schon ihre Goldene Hochzeit für 2000 geplant, auch den 75. Geburtstag meines Vaters und meinen 50. Geburtstag. Alles sollte ein Fest werden. Doch unser Vater starb 1998, qualvoll. An Bauchspeicheldrüsenkrebs. Sie hat ihn ein halbes Jahr gepflegt. Später hat sie gesagt: So qualvoll möchte ich nicht sterben."

Sie lebte nun allein, hatte einen großen Freundeskreis, sang im Chor des Bürgervereins Rodenhof, kegelte in Burbach in einem Verein, und hatte ein großes Hobby. Das war der Fußball. Gerd Bauer: "Champions-League-Spiele sahen wir uns gemeinsam im Fernsehen an. Und sie freute sich, wenn unsere Töchter Nicole und Sandra sie besuchten."

Am 24. April 2012, drei Tage nach ihrem 80. Geburtstag, brach sie auf dem Friedhof am Grab ihres Mannes zusammen. Die Ärzte diagnostizierten eine schwere Herzkrankheit, von der sie sich jedoch scheinbar wieder erholte. Sie starb dann auf einer Party bei Freunden. Ilse Bauer: "Sie ist einfach umgefallen. Der Notarzt konnte nur noch ihren Tod feststellen." Sohn Gerd: "Sie ist so gestorben, wie sie es sich gewünscht hatte. Sie wollte nicht so leiden wie ihr Mann."

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