Serie Lebenswege Noch mit 80 kickte er auf dem Platz

Homburg · Wie ist das, von einem geliebten Menschen Abschied nehmen zu müssen? Die SZ spricht mit Angehörigen und Freunden und stellt in einer Serie Lebenswege Verstorbener vor. Heute: Richard Burgard.

 Sie genossen ihre gemeinsame Zeit: Richard Burgard und Annamaria Herrlinger. Drei glückliche Jahre schenkte ihnen das Schicksal.

Sie genossen ihre gemeinsame Zeit: Richard Burgard und Annamaria Herrlinger. Drei glückliche Jahre schenkte ihnen das Schicksal.

Foto: Familie Herrlinger/Burgard

„Wir hatten eine schöne alte Liebe!“, sagt Annamaria Herrlinger über ihre Beziehung zu Richard Burgard. In jungen Jahren waren sie befreundet, verloren sich dann 60 Jahre lang aus den Augen, trafen sich 2016 wieder, verliebten sich dabei ineinander und hatten zusammen drei wunderschöne Jahre.

Richard Burgard kam am 20. Juli 1928 in Reiskirchen zur Welt. Er hatte sieben Geschwister, von denen heute keins mehr lebt. Mit zwölf wechselte er von der Volksschule Reiskirchen zum Gymnasium nach Homburg. Doch nach zwei Jahren musste er die höhere Schule wieder abbrechen. „Bei so vielen Kindern schaffte es sein Vater nicht mehr, die Schule zu bezahlen. Es war eine andere Zeit als heute“, erzählt Annamaria Herrlinger. Richard absolvierte eine Schreinerlehre, ehe er in den letzten Kriegsjahren Soldat wurde. Er hatte Glück und überlebte den Krieg. Er und seine Brüder kamen alle gesund zurück. 1946 starben die Eltern – das war schlimm für Richard und seine Geschwister, die aber gemeinsam durch dick und dünn gingen. 1948 lernte Richard in Kirrberg seine spätere Ehefrau Agnes Legrom kennen, die er 1950 heiratete. Zwei Jahre später kam Sohn Josef zur Welt. Die Familie baute sich in Kirrberg ein Haus, in das sie 1954 einzog.

1957 drückte Richard Burgard erneut die Schulbank, als er die Meisterschule in Saarbrücken besuchte und nach drei Jahren mit Erfolg seine Prüfung als Schreinermeister ablegte. An der Uniklinik Homburg fand er eine Anstellung als Schreiner. Trotz vieler Arbeit hatte Richard Zeit, seinen Hobbys nachzugehen. Er liebte die Musik, spielte Klavier, Gitarre und Akkordeon, war im Männergesangsverein und tanzte gerne. Außerdem spielte er Fußball – bis ins hohe Alter. Noch mit 80 kickte er bei den Alten Herren in Zweibrücken. Und er war in jüngeren Jahren erfolgreicher Jugendtrainer, führte die B-Jugend des SV Reiskirchen 1972 zur Meisterschaft. Auch die B-Jugend des FSV Jägersburg wurde mit ihm Meister. Zudem gehörte er 1974 und 1975 dem Vorstand des FSV Jägersburg an und war bei den Turnern des TV Kirrberg aktiv. In Kirrberg war er heimisch geworden und als Kirrberger Richard bekannt.

„Die Jahre vergingen, ehe die Schicksalsschläge kamen“, erzählt Annamaria Herrlinger. Zunächst erkrankte Richards Ehefrau Agnes, dann starb Sohn Josef mit nur 47 Jahren. Das kostete das Ehepaar Burgard viel Kraft, vor allem Agnes Burgard ging es immer schlechter. Richard pflegte seine Frau liebevoll. 2013 starb sie. „Nun begann für Richard eine schlimme Zeit, die drei Jahre lang dauerte, er war fix und fertig“, sagt Annamaria Herrlinger.

Das Glück kehrte 2016 auf einer Kommunionsfeier in Erbach zurück. Annamaria Herrlinger erzählt: „Ich feierte meine 70-jährige Kommunion und Richard seine 80-jährige. Als wir alle uns vor der St. Richard-Kirche begrüßten, dachte ich – den Mann da hinten kennst du doch. Ich sprach ihn an und fragte, ob er der Kirrberger Richard sei. Er bestätigte es und erkannte mich auch wieder.“ In den 50ern hatten Annamaria und ihr Ehemann Erwin Herrlinger eine gute Freundschaft zur Familie Burgard gepflegt, ehe beide Familien getrennte Wege gingen. Erwin Herrlinger starb 2014.

Nach dem Wiedersehen auf der Kommunionsfeier trafen sich Richard und Annamaria öfter und verliebten sich. „Ein neuer Lebensabschnitt begann für uns beide. Richard hatte wieder Lust zu leben und fing sogar wieder an zu arbeiten“, erzählt Annamaria Herrlinger. Vor allem das Kunsthandwerk begeisterte ihn. „Richard konnte aus jedem Stück Holz etwas machen. Er machte Möbel, Uhren und vor allem wunderschöne Madonnen“, erzählt sie weiter. Anlässlich seines 90. Geburtstages 2018 schnitzte er eine Madonna, die er der Hubertus-Kapelle in Jägersburg schenkte als Dankeschön für Jägersburg, wo sie Pfarrer Hary aus Kirrberg eingesegnete. Nun wurde Jägersburg für den Kirrberger Richard zur zweiten Heimat.

Er besuchte regelmäßig seine Annamaria und liebte es, am Schlossweiher zu spazieren und mit den Jägersburgern Gespräche zu führen. Mit Annamaria Herrlinger verbrachte er wunderschöne Urlaube in der Schweiz, im Allgäu und im Schwarzwald. Sie tanzten, waren mit dem Jägersburger VdK und dem Pensionärsverein unterwegs und gingen sonntags ins Café am Schlossweiher.

Die gemeinsame Zeit mit Annamaria Herrlinger tat Richard Burgard sichtlich gut: So zeigen Fotos aus den Jahren nach dem Tod seiner Ehefrau Agnes einen gebrochenen Mann. Mit Annamaria strahlt er auf Fotos, ist lebenslustig und körperlich fit. Annamaria Herrlinger beschreibt ihn so: „Er war ein liebenswerter Mensch. Ausgeglichenheit und Sachlichkeit waren seine größten Stärken. Er war einfühlsam und stand jedem mit Rat und Tat zur Seite. Auch noch mit 90! Ich vermisse ihn sehr, denn er war ein wichtiger Mensch in meinem Leben.“ Richard Burgards Lieblingslied war „Wenn der Tag zu Ende geht – Dankeschön“ – daran hält sich Annamaria Herrlinger fest: „Was bleibt, sind seine Liebe und die Jahre voller Leben. Und das Leuchten in seinen Augen, wenn er sich über etwa freute. Richard wird mir immer in Erinnerung und in meinem Herzen bleiben. Dem lieben Gott sei Dank für die schöne Zeit“, betont sie.

Am 17. Dezember 2019 hörte Richard Burgards Herz auf zu schlagen. Unter großer Anteilnahme der Bevölkerung wurde er am 27. Dezember 2019 auf dem Kirrberger Friedhof zu Grabe getragen.

Auf der Seite „Momente“ stellt die SZ im Wechsel Kirchen und Lebenswege Verstorbener vor. Online unter saarbruecker-­zeitung.de/lebenswege

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort