Serie Lebenswege Er war Pionier in einer spannenden Welt

Sulzbach · Wie ist das, von einem geliebten Menschen Abschied nehmen zu müssen? Die SZ spricht mit Angehörigen und Freunden und stellt in einer Serie Lebenswege Verstorbener vor. Heute: Rainer Wilhelm Scherer.

 Christa Scherer genießt auf diesem Foto einen Restaurant-Besuch mit ihrem inzwischen gestorbenen Mann Rainer Wilhelm Scherer. Das war 2016. Was bleibt, sind schöne Erinnerungen wie diese.

Christa Scherer genießt auf diesem Foto einen Restaurant-Besuch mit ihrem inzwischen gestorbenen Mann Rainer Wilhelm Scherer. Das war 2016. Was bleibt, sind schöne Erinnerungen wie diese.

Foto: Familie Scherer

Damals, in den frühen 60er-Jahren, als der junge Rainer Wilhelm Scherer begann, sich für Datenverarbeitung zu interessieren, füllte ein durchschnittlicher Computer oft mehrere Räume. Die Daten wurden entweder auf Lochkarten gestanzt oder auf riesigen Magnetbändern oder Magnetplatten festgehalten. Mit den Leistungen heutiger Smartphones konnten sich die riesigen Rechner allerdings nicht im Geringsten messen, und in Science-Fiction-Filmen wie der ersten Star-Treck-Staffel schaltete Kommunikationsoffizierin Uhura sogar noch etliche Jahre später die notwendigen Verbindungen von Hand.

Nachdem Rainer Wilhelm Scherer nach dem Abitur während eines Volontariats bei der Burbacher Hütte die Chance bekam, in diese neue und spannende Welt hineinzuschnuppern, war ihn für schnell klar: „Das will ich machen.“ Für die Progammier-Pioniere der ersten Stunde gab es kein Curriculum, geschweige denn geregelte Ausbildungspläne. Aber es wurden händeringend junge Leute gesucht, die sich für das Thema begeistern konnten. Und es gab Schulungen in Programmierung und Organisation, Seminare bei IBM und nächtelanges Tüfteln, nach dem Motto „Learning by Doing“.

Für den am 16. März 1943 in Sulzbach geborenen Sohn eines Kriminalbeamten tat sich eine neue Welt auf, die ihn unendlich faszinierte. Und natürlich ist Rainer Wilhelm Scherer in seiner Begeisterung für die neue Technik auch schnell die Karriereleiter hinaufgeklettert. Zunächst war er Chefprogrammierer bei einem Pharmaunternehmen, danach arbeitete er bei einer Unternehmensberatung in Luxemburg, in den 80er-Jahren begann er bei Peugeot Deutschland. Dort war er zunächst als Leiter der EDV und später als Direktor EDV und Organisation an der Vernetzung der einzelnen Filialen und an der Lageroptimierung beteiligt. „An einem Projekt arbeitete er mehr als ein Jahr lang, sieben Tage in der Woche, oft bis spät in die Nacht“, erzählt Ehefrau Christa: „Da war ihm nichts zu viel. Wenn er ein Ziel verfolgte, tat er alles, um dieses Ziel auch zu erreichen.“

1984 zogen Christa und Rainer Wilhelm Scherer in den Heimatort Christa Scherers, nach Bliesransbach, und dort 1986 ins eigene Haus. Hier entdeckte der Computer-Fachmann seine zweite große Leidenschaft: den Garten und die Natur. Im eigenen Garten Gemüse anbauen, das Kaminholz im Wald selbst machen, diese Dinge boten ihm einen Ausgleich. „Sein Gemüsegarten, das war schon eher ein kleines Feld“, sagt Ehefrau Christa. Dazwischen, so erzählt Christa Scherer, begleitete sie ihren Rainer immer wieder auf Dienstreisen in alle Welt – oft auch nach Paris zum Mutterkonzern. Zwei Großprojekte hat Rainer Wilhelm Scherer bei Peugeot noch durchgezogen, bevor er in den Vorruhestand ging: Der eine war das „Y2K“-Event, das Jahr 2000, das der EDV im Vorfeld weltweit viele Sorgen bereitet hat, das andere die Umstellung auf den Euro in den Jahren 1999 bis 2002. „Das waren zwei Riesenprojekte“, erinnert sich Tochter Sandra Follmar. Außer Sandra hat Rainer Wilhelm Scherer noch zwei Kinder hinterlassen, den ältesten Sohn Gernot und den heute 28-jährigen Henning Scherer. Und auch drei Enkel: Lisa-Marie, Katharina und Vincent. „Er war der Ruhepol der Familie“, sagt die heute 23-jährige Lisa Marie Follmar: „Man hatte immer das Gefühl, der Opa regelt alles.“

Einmal im Ruhestand, hat er sich vor allem im Bliesransbacher Vereinsleben engagiert. Beim Fußballclub SC Blies, im Kulturverein, im Obst- und Gartenbauverein, auf ihn konnte man sich verlassen, wenn man eine helfende Hand brauchte. Beispielsweise als vor einigen Jahren ein Unwetter den Bliesransbacher Sportplatz völlig zerstört hat.

Viele Freunde hat er im Ort gefunden, denn die herzliche Art der „Raschbacher“ hat ihm gefallen. „Wenn ich mir die Kondolenzschreiben durchschaue, kommen mir die Tränen“, sagt Christa Scherer. An vielen Dingen war Rainer Wilhelm Scherer interessiert. Beispielsweise hat er die Bachelor-Arbeiten von Henning und Lisa-Marie Korrektur gelesen, obwohl Medien- und Kommunikationswissenschaften für ihn ein völlig neues Gebiet waren. Gereist seien sie auch viel, sagt Christa Scherer: „Seinen 70. haben wir groß gefeiert, und anschließend eine Kreuzfahrt durchs Mittelmeer gemacht.“

2015 dann aber die Diagnose Pankreas-Karzinom, gefolgt von zwei großen Operationen und Chemotherapien. Fünf Jahre lang hat Rainer Wilhelm Scherer dennoch erfolgreich gegen den Krebs gekämpft, bis er am 28. Juni 2020 gestorben ist, zu Hause und im Kreise seiner ganzen Familie. „Er fehlt uns“, sagt Ehefrau Christa.

Auf der Seite „Momente“ stellt die SZ im Wechsel Kirchen und Lebenswege Verstorbener vor. Online unter saarbruecker-­zeitung.de/lebenswege

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