Serie Lebensweg Der Nikolaus, der aus der Sauna kam

Püttlingen-Köllerbach · Wie ist das, von einem geliebten Menschen Abschied nehmen zu müssen? Die SZ spricht mit Angehörigen und Freunden und stellt in einer Serie Lebenswege Verstorbener vor. Heute: Helmut Nickels.

 Helmut Nickels in seiner Paraderolle als Heiliger St. Nikolaus: So war er vielen Familien im Köllertal über Jahrzehnte bekannt.

Helmut Nickels in seiner Paraderolle als Heiliger St. Nikolaus: So war er vielen Familien im Köllertal über Jahrzehnte bekannt.

Foto: Walter Faas

Sich an Helmut Nickels zu erinnern, heißt, „den“ Nikolaus des Köllertals vor Augen zu haben. Dabei hatte der, 2011 im Kreise seiner Familie Verstorbene, über den „Heiligen Mann“ hinaus weitere positive Wesensmerkmale.

Geboren am 7. Juni 1929 in Köllerbach-Engelfangen (seinem Lebensmittelpunkt bis zum Tod) erbt Nickels von seinen Eltern Charisma, Zielstrebigkeit, die soziale Ader. Sein Vater Matthias, ein gebürtiger Hochwälder, war langjährig ehrenamtlicher Bürgermeister der noch selbstständigen Gemeinde Köllerbach. Mama Maria war Hausfrau. Er hatte eine jüngere Schwester. Nach seinem Schulabschluss arbeitet sich Nickels, zunächst als Kohlenhauer-Lehrling über die Beförderungen zum Sprengmeister, Fahrhauer, Ausbildungsmeister am Saarberg-Ausbildungszentrum Grube Velsen und dem anschließenden erfolgreichen Abschluss der Bergingenieurschule, in höhere Funktionen hinein. „Dabei hat ihm die Arbeit in der Ausbildung besonders gefallen, denn mit Kindern und Jugendlichen konnte er immer gut“, bemerkt Michael Nickels, einer von vier Söhnen des Ehepaares Hildegard und Helmut Nickels. Klaus Nickels, der älteste Sohn, hat dokumentiert, in welchen Vereinen des Köllertales der Vater sich engagiert hat. „Da war zunächst einmal der Harmonika-Spielring Köllerbach, in dem er einige Jahre als Vorsitzender wirkte. Dann half er im Kirchbauverein St. Martin, der sich seinerzeit vehement und erfolgreich für den Bau der Köllerbacher Begegnungskirche eingesetzt hat, mit unvergessenen Basaren und Boxkämpfen im Festzelt zwischen dem Pastor und dem SPD-Vorsitzenden“, sagt Sohn Klaus.

Über die Vorstandsarbeit im Kirchbauverein hat sich Helmut Nickels auch im Pfarrgemeinderat beziehungsweise als Lektor in der Kirchengemeinde engagiert. Im Bergmanns- und Unterstützungsverein St. Barbara Köllerbach gehörte er auch dem Vorstand an, hat aber auch als Trachtenträger in der historischen Hauer-Festtagskluft eine gute Figur gemacht. Beim Obst- und Gartenbauverein behält man ihn als Fachmann an der Obstkelter in guter Erinnerung. Als stellvertretender Schiedsmann hat er manch üblen Nachbarschaftsstreit mit seiner ausgleichenden Art beigelegt. Klaus Nickels: „Dazu war unser Papa in einer Vielzahl anderer Vereine, im Männerchor, in der CDU, im Missionsfreundeskreis, im Natur- und Vogelschutzverein, in der Gewerkschaft und weiteren Vereinen.“ Bruder Michael ergänzt: „Er war dort überall auch deshalb so beliebt, weil er prima Gespräche in Gang halten und so gut Witze erzählen konnte.“

1962 beginnt für Helmut Nickels, damals noch „Knecht Ruprecht“, Hals über Kopf eine steile Karriere als Nikolaus. Auf einer Kutschfahrt zu 200 Kindern in einem Köllerbacher Verein wirkt der damalige „Heilige Mann“ plötzlich indisponiert. Nickels muss, unvorbereitet, einspringen. Er macht seine Sache so gut, dass es heißt: „Ab heid bischd du da Nikloos. Basta!“ Nickels erbt Bischofskleider, Mitra, Stab, weiße Handschuhe, Bart, Perücke, Goldenes Buch und gibt sie 35 Jahre nicht mehr aus seinen Händen. „Das Goldene Buch war sein Ein und Alles. Darin hat er alle positiven und auch negativen Eigenschaften von drei Generationen Köllerbachern akribisch festgehalten“, blicken seine Söhne zurück. Dabei hat er nie ein Kind vor den anderen bloßgestellt. Wenn in seinem Goldenen Buch wirklich mal etwas Unvorteihaftes stand, hat er sich zu dem Kind gebückt und ihm ganz vertraulich die Peinlichkeit ins Ohr geflüstert. Dazu passt das Motto von Nikolaus Helmut: „Respekt ja, aber kein Kind darf Angst vor mir haben.“ War auch kaum möglich, bei dieser Vertrauen erweckenden ruhigen Art und Stimme von Helmut Nickels.

„Es war nicht immer einfach, wenn der Opa vor seinen eigenen Enkeln Susanne, Jana, Kira und Stefan den Nikolaus gab“, erzählt im Rückblick Schwiegertochter Irmina. Denn was sollten die Enkel davon halten, dass der eigene Opa beim Besuch vom St. Nikolaus nie dabei gewesen ist? Irmina: „Wir haben den Kindern immer erzählt, der Opa wäre in der Sauna. Die hat er nämlich regelmäßig besucht.“ Nach der Bescherung tauchte regelmäßig Opa Helmut im Kreis seiner Familie auf, „aus der Sauna“. Was nicht einmal groß geschwindelt war, verriet vor über 20 Jahren bereits seine Ehefrau Hildegard dem Reporter mit den Worten: „Wenna von der Tour als Nikloos hemmkummd, konnschde de Kleeder ausdrähe: Donn issa nämlich immer baddschnass geschwiddsd.“

Freuen konnten sich über das vorweihnachtliche Engagement ihres Mannes in Familien, Vereinen, auf Weihnachtsmärkten und so weiter immer auch Organisationen wie Miserior, Rumänienhilfswerk, Blindenmission, Körperbehindertenschule, SOS-Kinderdörfer; ihnen spendete Helmut Nickels stets einen Gutteil seines Honorars.

Als er dann, nach 35 Jahren, seinen Goldenen Stab in jüngere Hände gab, und in der Folge den Tod seiner Frau verkraften musste („Das hat ihm regelrecht das Herz gebrochen“) blieb der eigenen Familie die Erinnerung an einen liebenswerten Papa und Opa sowie vielen Köllerbacher Vereinen und Eltern an einen überaus gütigen „Heiligen Mann“.

„Wie er alle seine Aktivitäten unter einen Hut gekriegt hat, ist mir bis heute ein Rätsel“, sagt Sohn Klaus. Denn zum erwähnten Engagement (das ohne das gute Einvernehmen zwischen den Eheleuten Nickels kaum möglich gewesen wäre) haben Hildegard und Helmut Nickels „mit vier Kindern und bescheidenem Einkommen 1960 auch noch ein Haus gebaut“. Sie haben zwei Hunde versorgt, den ungarischen Hirtenhund Timy und den Schäferhund Max. Sie haben Pilgerreisen nach Fatima, Lourdes, Rom mitgemacht und bei ihren Urlaubsfahrten in Deutschland, Österreich, Italien Blumen bewundert und im heimischen Garten kultiviert.

Bleibt am Ende ein Zitat, das der Verstorbene selbst dem Reporter vor 23 Jahren in den Block diktiert hat: „Am meisten ärgert mich, dass der Nikolausgedanke in dieser hektischen Zeit so sehr im Kommerz untergegangen ist.“

 Dieses Foto zeigt Hildegard und ­Helmut Nickels am Tag ihrer Goldenen Hochzeit.

Dieses Foto zeigt Hildegard und ­Helmut Nickels am Tag ihrer Goldenen Hochzeit.

Foto: Familie Nickel

Auf der Seite „Momente“ stellt die SZ im Wechsel Kirchen und Lebenswege Verstorbener vor. Online unter saarbruecker-­zeitung.de/lebenswege

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