Serie Lebenswege Hans Krächan war ein Stehaufmännchen

Obersalbach · Wie ist das, von einem geliebten Menschen Abschied nehmen zu müssen? Die SZ spricht mit Angehörigen und Freunden und stellt in einer Serie Lebenswege Verstorbener vor. Heute: Hans Krächan.

 Hans Krächan und seine Enkel Till, Stella und Fynn (von links), fotografiert vor circa zwölf Jahren

Hans Krächan und seine Enkel Till, Stella und Fynn (von links), fotografiert vor circa zwölf Jahren

Foto: Simone Becker-Krächan/Fotografin: Simone Becker-Krächan

Hans Krächan hat unglaublich viele Spuren hinterlassen, war Bergmann und Eisenbahner, Bauingenieur und Kirchenmann, Tischtennis- und Fußballspieler, Hundetrainer und Vereinsgründer, Familienforscher und Vorsitzender. Hans Krächan hat aber auch mehrere schwere Schicksalsschläge erlebt.

Wir zeichnen seinen Lebensweg mithilfe seiner Tochter Simone Becker-Krächan nach, die mit Ehemann Karsten und den Kindern Stella (18), Fynn (16) und Till (14) in Schierensee (Schleswig-Holstein) lebt.

Hans Krächan kam am 15. Oktober 1939 als zweites Kind von Johann und Erna Krächan, geborene Veeck, in Idar-Oberstein zur Welt. Er hatte eine ältere Schwester, Martha, und eine jüngere, Heidi. Eigentlich sollte Hans das Licht der Welt in Heusweiler erblicken, wo seine Familie immer gelebt hat. Doch zu Beginn des Zweiten Weltkriegs mussten die Krächans – wie viele andere auch – evakuiert werden, weil Heusweiler in der „Roten Zone“ lag. Nach der Rückkehr wohnte die Familie im Feuerwehrhaus in der Trierer Straße, als das Schicksal erneut zuschlug: Vater Johann – Bergmann und Ernährer der Familie – wurde zum Wehrdienst eingezogen und durch einen Lungenschuss schwer verwundet. Er starb 1962, als Hans 23 Jahre alt war. Durch die Verwundung des Vaters hatte Hans früh Verantwortung für die Familie übernehmen und seine Lebensplanung ändern müssen.

 „Papa wollte nach der Schule ins Kloster, um Priester zu werden, Mönche hatten ihn auch schon zuhause aufgesucht, die Eltern verboten das aber“, erzählt seine Tochter Simone. Stattdessen absolvierte Hans Krächan auf der Grube Luisenthal eine Ausbildung unter Tage, erlebte das schwere Grubenunglück im Februar 1962 mit, bei dem er zwar nicht unmittelbar gefährdet, aber an der Bergung der Toten beteiligt war. Das machte ihm schwer zu schaffen und war Anlass dafür, dass Hans Krächan einen zweiten Bildungsweg mit einem Studium an der HTW Saarbrücken einschlug, den er als Diplom-Bauingenieur abschloss, ehe er sich bei der Bundesbahn zum Eisenbahner ausbilden ließ und sich nach seiner zweiten Staatsprüfung als bautechnischer Inspektor im gehobenen Dienst bis zum technischen Bundesbahn-Amtsrat hocharbeitete.

1969 traf ihn ein weiterer schwerer Schicksalsschlag, als seine erste Frau, Gisela Raber aus Heusweiler, mit 28 Jahren im Vorfeld einer Gallen-OP starb. Tochter Simone war gerade mal neun Monate alt, als sie zur Halbwaise wurde. „Mein Vater hat sich nach diesem tragischen Unglück medizinische Kenntnisse angeeignet, wollte den Ärzten einen Behandlungsfehler nachweisen, und hat auch prozessiert“, erinnert sich Simone Becker. Seine Bindung zur Kirche wurde durch den Todesfall seiner ersten Frau noch intensiver.

1976 heiratete Krächan zum zweiten Mal und baute sich 1977 mit Ehefrau Henny Schneider, geborene Mattern, in Obersalbach ein Haus. Henny brachte Sohn Jochen mit in die Ehe, der für Hans Krächan wie ein eigenes Kind war. 1955 hatte Krächan mit Freunden die DJK Heusweiler gegründet, spielte dort Tischtennis und Fußball. Ab 1959 widmete er sich dem Hundesport; zuerst im Verein für Deutsche Schäferhunde in Riegelsberg, ehe er 1970 die Ortsgruppe Heusweiler gründete und 15 Jahre Vorsitzender war. Krächan bildete 16 Schäferhunde aus, einige waren bei Deutschen Meisterschaften erfolgreich. 1977 entdeckte er seine Leidenschaft für die Familien- und Heimatforschung, als er die Abstammung der Familie seines Schwagers klären wollte. Er vergrub sich in Archive und erstellte eine Ahnentafel, die bis 1450 zurückreicht. Auch seine Familiengeschichte sowie die seiner Frau Henny hat Krächan erforscht.

Seit 1998 war er Vorsitzender des Partnerschaftsausschusses Heusweiler-Orvault, hatte von 1999 bis 2009 und von 2012 bis 2014 für die CDU ein Mandat im Ortsrat Obersalbach und war seit 1989 Vorsitzender des dortigen Kirchenbauvereins. Mehrere Häuser hat Hans Krächan gebaut, neben dem eigenen das Clubheim des Hundevereins sowie das Obersalbacher Dorfgemeinschaftshaus.

Als sein Lebenswerk indes dürfte der „Fenstercoup“ an der neuen Obersalbacher Kirche in die Geschichte eingehen: Die alte Kirche war wegen Bergschäden abgerissen worden, der Neubau wurde 1998 vollendet. Prunkstücke sind die Fenster, die der englische Glaskünstler und Lichtarchitekt Brian Clarke gestaltete. Der war durch Großprojekte in den USA, Schweden und Australien zu Weltruhm gekommen. Krächan schrieb ihm einen Brief und fragte, ob er die Kirchenfenster in Obersalbach gestalten wolle. Jeder belächelte Krächan, doch Clarke kam persönlich und entwarf die Fenster.

2014, mit 75 Jahren, wollte Krächan seine Ehrenämter aufgeben und sich nur noch seiner Familie und der Familien- und Heimatforschung widmen. Doch er erkrankte an Darm- und Rachenkrebs, bekam Herzprobleme, erlitt einen Schlaganfall. Zunächst erholte er sich, lernte wieder gehen, als er nach einem Sturz und wegen des geschädigten Rachens nicht mehr sprechen konnte. „Aber Papa war ein Stehaufmännchen, hatte sich immer wieder gut berappelt“, schildert Tochter Simone. Dass er, der so gerne erzählt hat, nicht mehr kommunizieren konnte, traf ihn aber hart. Zudem war seine geliebte Henny am 5. April 2018 mit 75 Jahren gestorben. Hans Krächan folgte ihr am 12. Februar dieses Jahres und wurde am 29. März, nach einer Trauerfeier in „seiner“ Obersalbacher Kirche, auf dem Heusweiler Friedhof zu Grabe getragen.

Auf der Seite „Momente“ stellt die SZ im Wechsel Kirchen und Lebenswege Verstorbener vor. Online unter saarbruecker-­zeitung.de/lebenswege

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