Friseursalon, Familie, Fußball

Bildstock · Jürgen Köbrich starb kurz vor der Diamantenen Hochzeit

 Jürgen Köbrich

Jürgen Köbrich

Foto: privat



Bildstock. Jürgen Köbrich, Jahrgang 1929, wuchs in Bildstock auf. Er ist das einzige Kind von Erna und Reinhold Köbrich. Sein Großvater war Friseurmeister mit einem eigenen Frisiersalon für Damen und Herren in der Illinger Straße. Jürgen ging von 1935 bis 1943 in die Volksschule in Bildstock und absolvierte danach eine Handelsschule, die er 1945 mit der Mittleren Reife abschloss. 1945 begann er eine Friseurlehre im großelterlichen Salon. "Das war nicht ganz freiwillig. Er musste - das war so damals, als das Saargebiet französische Besatzungszone war - eine Arbeit nachweisen. Sonst wäre er zum Bombenräumen nach Cherbourg abkommandiert worden. Er hätte gerne in einem Büro gearbeitet. Aber er beugte sich der Familientradition und arbeitete im Salon Köbrich, der schon zwei Generationen im Familienbesitz war", erzählt Sohn Hans Jürgen Köbrich. 1948 schloss er die Lehre mit der Gesellenprüfung ab. Und im selben Jahr lernte er Therese, seine spätere Frau kennen, wie sie erzählt, bei "einer Tanzerei auf der Kirb, wie das halt so war damals." Wir, seine Frau Therese, seine Söhne Hans Jürgen und Michael und ich sitzen in der Wohnung in der guten Stube über dem Friseursalon und reden über einen Mann, der Fußballprofi hätte werden können, wenn er sich nicht der Familientradition verpflichtet gefühlt hätte, den Salon Köbrich weiter zu führen. Jürgen war ein talentierter Fußballer. Er spielte in der 1. Mannschaft des SV Hellas 05 Bildstock. Seine Mannschaft gewann 1947 in einer der oberen saarländischen Spielklassen den Meistertitel. Und Helmut Schön, der spätere deutsche Nationaltrainer, wollte ihn als Spieler in sein Team holen. Dazu muss man wissen: Das "Team" war die Mannschaft des Saarländischen Fußballverbandes (SFV) in den Jahren von 1953 bis 1956, die Helmut Schön trainierte. Das damals autonome Saarland war in dieser Zeit eigenständiges Mitglied des Weltfußballverbandes FIFA. Es war eine große Chance für den jungen Friseur. Jürgen spielte rechts im Mittelfeld. Er war schnell, technisch gut und ein Kämpfer. Er absolvierte einige Spiele in der Saarauswahl. Doch für das Training hatte er oft nur wenig Zeit. Da war der Familien- Friseursalon: Wer sollte ihn weiterführen, wenn nicht er? Und auch als Borussia Neunkirchen ihm in den 50er Jahren einen Profivertrag anbot, musste er absagen. Sohn Michael: "Das ging nicht. Das Geschäft musste laufen. Doch dem Fußball sollte er verbunden bleiben, sein Leben lang. Er war ein Fan von Borussia Dortmund, schon damals in den 50er Jahren und blieb es."

Inzwischen waren sich seine Tanzpartnerin Therese, die in einem großen Teppichgeschäft in Saarbrücken als Teppichknüpferin arbeitete, und er näher gekommen. Die Hochzeit war am 6. Dezember 1952 in der katholischen Kirche in Dudweiler.

Ehefrau Therese erzählt: "Er war evangelisch, hat aber trotzdem katholisch geheiratet, weil ich mir das so gewünscht hatte. Er war kein Kirchgänger, aber ein Mann, für den christliche Lebensgrundsätze wichtig waren."

Er legte 1956 die Prüfung als Friseurmeister ab und führte nun den Friseursalon allein. 1953 wurden Sohn Hans Jürgen, 1958 Tochter Marina und 1959 Sohn Michael geboren. Die Kinder sahen ihn meistens nur abends. Sohn Michael: "Er hat oft von 8 bis 20 Uhr abends gearbeitet. Wir waren meistens nachmittags nach der Schule bei unseren Großeltern. Auch unsere Mutter hat ja im Salon mitgearbeitet" Seine Frau Therese erzählt: "Der Friseursalon forderte ihn. Er war ein Kontaktmensch, die Kunden kamen wegen ihm. Aber so ganz und gar konnte er es mit dem Sport nicht lassen. 1972 gründete er die Wanderabteilung des TV 1883 Bildstock. Es gab kaum eine Volkswanderung irgendwo in der Bundesrepublik, wo wir nicht mitgewandert sind."

Sohn Hans Jürgen sagt: "Er war für klare Verhältnisse, auch politisch. Er war kein Parteimitglied, aber er machte keinen Hehl daraus, dass er politisch Mitte-Links orientiert war. Er war auch ein Familienmensch. Bei den großen Feiertagen kamen alle zusammen, und wir feierten und redeten.

Er war inzwischen Großvater geworden: 1994 wurden seine Enkeltöchter Jaqueline und Jeannette geboren. Und 2001 kam Anastasia-Rose, die dritte Enkeltochter, auf die Welt. Er hatte lange darauf gewartet, Großvater zu werden."Sohn Michael sagt nachdenklich: "Wir hatten schon geplant, wie wir die Diamentene Hochzeit unserer Eltern am 6. Dezember dieses Jahres feiern wollten. Doch dann kam alles anders." Ehefrau Therese erzählt: "Er war wie jeden Tag an diesem 9. August zum Mittagessen raufgekommen aus dem Salon. Dann sackte er einfach zusammen, blieb liegen. Diagnose des Notarztes: Herzinfarkt mit Herzstillstand." Jürgen Köbrich ist nicht mehr aus dem Koma aufgewacht. Er starb in der Uni-Klinik in Homburg.

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