Serie Lebenswege Christliche Werte waren ihr wichtig

Saarbrücken · Wie ist das, von einem geliebten Menschen Abschied nehmen zu müssen? Die SZ spricht mit Angehörigen und Freunden und stellt in einer Serie Lebenswege Verstorbener vor. Heute: Edeltrude Weinfurter.

 Dieses Foto aus dem Jahr 1944 zeigt Edeltrude Weinfurter mit ihrem um ein Jahr älteren Bruder Alfons.

Dieses Foto aus dem Jahr 1944 zeigt Edeltrude Weinfurter mit ihrem um ein Jahr älteren Bruder Alfons.

Foto: Familie Weinfurter

 „Deine Stimme spricht“, so heißt ein Gebet, das Edeltrude Weinfurter im November 1965 geschrieben hatte und das bei ihrer Beerdigung vorgetragen wurde. „Das zeigt, wie fest Tante Trude in ihrem Glauben verankert war“, sagt ihr Neffe Markus Schönborn aus Heusweiler, der uns den Lebensweg seiner Tante nachzeichnet.

Edeltrude Weinfurter kam am 22. August 1923 in Homburg als zweites Kind des städtischen Angestellten Georg Weinfurter und dessen Frau Berta, geborene Artmann, zur Welt. Sie hatte einen um ein Jahr älteren Bruder Alfons und drei jüngere Geschwister Georg (1926), Alban (1930) und Waltraud (1937), die Mutter von Markus Schönborn. Edeltrude besuchte von 1930 bis 1938 die Volksschule in Homburg. Dann bis 1941 die Berufsschule Homburg und absolvierte parallel dazu Abendkurse in Stenografie und Schreibmaschine. Nach ihrer Lehrzeit arbeitete sie von Mai 1940 bis Ende Juli 1946 als Büroangestellte bei der Kreissparkasse Homburg, wo sie sich bis zur Abteilungsleiterin hocharbeitete. Es folgten Tätigkeiten als Buchhalterin bei der Firma Hemmer in Homburg-Kirrberg, als kaufmännische Angestellte bei der Firma KSB in Homburg und bei der Firma Aulenbacher in Saarbrücken, ehe im April 1959 ihr Traum wahr wurde und sie eine Stelle als Regierungsangestellte im saarländischen Finanzministerium antrat. Dort arbeitete sie bis zu ihrer Pensionierung 1988.

„Sie hatte sich mehrfach im Ministerium beworben, wollte unbedingt da hin. Als sie es dann endlich geschafft hatte, war sie unheimlich stolz“, erzählt Markus Schönborn, der zu seiner Tante ein besonderes Verhältnis hatte. „Sie hat immer gesagt, ich sei der Denker in der Familie“, schmunzelt er.

Seine Eltern hatten sich scheiden lassen, und Tante Trude nahm Markus sowie zwei seiner drei Geschwister und Mutter Waltraud vorübergehend in ihrer Dienstwohnung in St. Arnual auf, die sie 1971 bezogen hatte. In St. Arnual engagierte sich Edeltrude Weinfurter sehr stark in der Pfarrei Christ-König, sang im Kirchenchor und pflegte eine Freundschaft zu Pfarrer Otto Wokart, dem ehemaligen Domkapitular von Speyer. Mit ihm unternahm sie viele Bergwanderungen in den Dolomiten und begeisterte auch Neffe Markus dafür, der sie auf Reisen ins Salzburger Land oder ins Montafon begleiten durfte. Bei einem Besuch der Salzburger Festspiele weckte sie bei ihrem Neffen das Interesse an klassischer Musik und finanzierte ihm den Unterricht in Klarinette und Gitarre.

Überhaupt bestimmte die Musik immer das Leben der Familie. Markus und seine Brüder sangen, spielten neben Klarinette und Gitarre auch noch Saxophon, Kontrabass und Percussions, Edeltrude spielte Zither. Und sie förderte die ­Interessen ihrer Familienmitglieder, wo immer es möglich war. „Sie hat uns immer unterstützt, zahlte meinem Bruder Dominik einen Internatsaufenthalt, legte immer eine schützende Hand über uns und griff auch in unsere Erziehung ein“, sagt Markus Schönborn. Vor allem die christliche Erziehung genoss einen ganz hohen Stellenwert. Edeltrude arbeitete im Quickborn-Arbeitskreis mit, einer kulturellen Bildungsstätte, die von fränkischen Adligen gegründet worden war. So besuchte sie jedes Jahr die Zusammenkünfte des Arbeitskreises auf der Burg Rothenfels im Spessart und belegte Seminare, die sich auch mit aktuellen weltlichen Themen beschäftigten. Dieses Engagement im Quickborn-Arbeitskreis geht darauf zurück, dass Edeltrudes Mutter Berta dem Geschlecht Artmann-Specht angehört, das aus dem Böhmischen stammt und in dessen Adern „blaues Blut“ fließt.

Es gab auch einen dunklen Punkt in Edeltrudes Leben: Sie hatte am 22. Dezember 1945 geheiratet und wurde am 12. Dezember 1956 wieder geschieden. Die Ehe war kinderlos geblieben und offenbar alles andere als glücklich. „Tante Trude hat so gut wie nie etwas über ihre Ehe erzählt, im Gegenteil, sie bestand immer darauf, mit ,Fräulein Weinfurter’ angesprochen zu werden“, erinnert sich Markus Schönborn.­Bis ins hohe Alter von 90 Jahren war Edeltrude Weinfurter gesund und munter. Sie hatte erst 1978 mit 55 Jahren, ihren Führerschein gemacht, fuhr aber weiter gerne Rad bis ins nahe Lothringen, trainierte noch mit 81 Jahren in einem Fitnessstudio in Saarbrücken und hielt sich mit Joga und im Tanzkreis fit.

Dann aber kam dieser schicksalshafte Tag im Jahre 2013, als sie in ihrer Wohnung stürzte und dabei einen Oberschenkelhalsbruch erlitt. Anderthalb Tage lag sie hilflos am Boden, niemand hörte ihre Rufe. Doch Edeltrude Weinfurter wusste sich zu helfen: Sie schnappte sich einen Besenstiel, robbte zu der Stelle, wo das Wandtelefon hing und wartete geduldig, bis jemand anrief. Als der ersehnte Anruf kam, stieß sie mit dem Besenstiel den Hörer vom Wandtelefon und rief laut um Hilfe. Sofort wurde sie ins Rastpfuhlkrankenhaus gebracht und notoperiert. Ihr Körper stieß das Implantat jedoch ab, und es folgte eine lange Leidenszeit mit einer Reha in Illingen und einer Kurzzeitpflege im Saarbrücker Langwiedstift. Dort wurde sie ein Jahr später stationär aufgenommen. Im Dezember 2018 stürzte sie erneut und brach sich die Schulter. Ihr Körper war mittlerweile so geschwächt, dass ihr Immunsystem zusammenbrach und sie am 18. Dezember 2018 verstarb.

Doch sie war auf den Tod vorbereitet, hatte Markus eine Betreuungsverfügung ausgestellt, ihr Testament verfasst und ihre Beerdigung vorbereitet. „Sie wollte auf keinen Fall in Saarbrücken begraben werden, sondern in Püttlingen, weil dort ihre Schwester lebt und mein Bruder Dominik beerdigt ist“, erzählt Markus Schönborn. Am 27. Dezember 2018 wurde Edeltrude Weinfurter zu Grabe getragen.

Auf der Seite „Momente“ stellt die SZ im Wechsel Kirchen und Lebenswege Verstorbener vor. Online unter saarbruecker-­zeitung.de/lebenswege

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