„Die personifizierte gute Seele“

Riegelsberg/Alsting · Ortrud Mons hatte immer ein offenes Ohr für ihre Mitmenschen

„Die personifizierte gute Seele“
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Riegelsberg/Alsting. Ortrud Mons, Jahrgang 1955, wuchs in Riegelsberg auf. Sie ist die zweitälteste von vier Geschwistern: Ihre Schwester Monique wurde 1954, Schwester Judith wurde 1957 und Pascal wurde 1968 geboren. Die Eltern waren Klara Mons, die sich als Hausfrau um die Kinder kümmerte, und Louis Mons, der als französischer Soldat ins damalige Saargebiet gekommen war und später bei SKF in Köllertal als technischer Angestellter arbeitete.

Nach der Volksschule begann Ortrun Mons 1970 bei dem praktischen Arzt Dr. Funk in Riegelsberg eine Lehre als Arzthelferin. Abschlussprüfung 1973. Marco Mons, Jahrgang 1980, der einzige Sohn von Ortrud Mons, erzählt: "Meine Mutter war eine kontaktfreudige, höfliche Frau. Die Patienten mochten sie. Sie hatte ein gutes Gedächtnis, kannte jeden Patientennamen und meistens auch die Probleme, wegen denen die Patienten in die Praxis kamen. Noch viele Jahre später, als sie längst nicht mehr in dieser Praxis arbeitete, wurde sie wegen ihrer guten Arbeit und ihrer Freundlichkeit in der Praxis Dr. Funk immer wieder in Riegelsberg angesprochen." 1975 heiratete sie. Ihr Sohn erzählt: "Die Ehe war ein Irrtum." Nach zwei Jahren ließ sie sich scheiden. Und lebte fortan mit ihrem neuen Lebensgefährten Togliatti Paoli, einem Italiener zusammen: "Er stammte aus Kalabrien, der südlichsten Region des italienischen Festlandes, aus einem kleinen Ort mit dem Namen Pizzoni und arbeitete bei ZF in Saarbrücken. Dort war er auch Betriebsratsmitglied. Er ist auch mein Vater. Wir fuhren regelmäßig jedes Jahr nach Pizzoni zu seiner Familie in Urlaub. Ich war häufig bei meinen Großeltern. Meine Mutter war berufstätig. Sie war die beste Mutter, die man sich vorstellen kann. Sie wollte, dass es mir gut geht. Mir hat es an nichts gemangelt."

1988 wechselte Ortrud Mons von der Riegelsberger Arztpraxis zu den Winterbergkliniken in Saabrücken und arbeitete künftig dort im Empfang der Strahlentherapie. Bald war sie "der gute Geist" dieser Abteilung. "Sie nahm Anteil am Schicksal der Menschen." Fast alle Patienten, die zur Strahlentherapie kommen, sind krebskrank. Die Strahlentherapie ist oft eine ihrer - je nachdem, wie weit die Tumorerkrankung fortgeschritten ist - letzten Hoffnungen. Ihr Sohn sagt: "Sie engagierte sich, half, wo sie helfen konnte. Ihre Hilfsbereitschaft, ihre Fähigkeit zuzuhören, war bald sprichwörtlich. Ihr Dienst war von 8.00 Uhr bis 16.30 Uhr. Doch auch nach Feierabend - inzwischen lebte sie in ihrem Elternhaus mit ihrer Mutter zusammen, ihr Vater war 1997 gestorben - nahm sie Anteil am Schicksal der Menschen, auch ihrer Nachbarn, und half, wo sie konnte. Als ihre Freundin krank wurde, versorgte sie die Kinder. Sie arbeitete gerne im Garten. Und morgens und abends ging sie mit Luna, einer Mischlingshündin, um die Häuser. In Riegelsberg kannten sie viele noch aus ihrer Sprechstundenhilfe-Zeit."

Ihr Sohn Marco, mit dem sie jeden Tag telefonierte, hatte inzwischen seine Ausbildung als Kaufmann abgeschlossen. Sie reagierte zuerst ängstlich, als er ihr eröffnete, dass er sich selbstständig machen wollte mit einer Firma, die schlüsselfertige Photovoltaik-Anlagen herstellt. Doch die "Mons-Solartechnik", so der Firmenname, wurde ein Erfolg. Und sie freute sich, als ihr Sohn und seine Lebensgefährtin Claudia, eine Versicherungsangestellte, vor drei Jahren zusammen zogen. Er sagt nachdenklich: "Sie wäre gerne Oma geworden, aber nicht so schnell."

2008 entdeckte sie unter ihrer rechten Fußsohle einen merkwürdigen Punkt, eine Art Warze, jedoch nicht so dunkel. Sie ging zu einer Hautärztin. Die sagte nach einem kurzen Blick: "Das ist harmlos. Machen Sie Salbe drauf." Doch die Warze wurde nicht kleiner. 2009 konsultierte sie einen anderen Hautarzt, der sie zu einer Operation in die Klinik überwies. Das Ergebnis der OP war niederschmetternd: Malignes Melanom, "schwarzer Hautkrebs" ist die gefürchtetste Form von Hautkrebs." Als Mitarbeiterin der Strahlentherapie im Klinikum Winterberg wusste sie genau, was diese Diagnose bedeutete. Sie rief ihren Sohn an: "Marco es ist schlimm, ganz, ganz schlimm." ,,Drei Mal rief sie das ins Telefon", erzählt er. "Ich habe mitgeflennt. Sie wollte kämpfen, nicht aufgeben. Aber bald breiteten sich die Metastasen bis in die Hüfte aus. Dann erfuhr sie, dass ihr ehemaliger Lebensgefährte, mein Vater, mit dem sie öfter telefonierte, schwer krank war. Als er telefonisch nicht mehr zu erreichen war, fuhren wir zu seinem Haus in Riegelsberg. Die Tür war verschlossen. Wir riefen die Polizei, die die Wohnung öffnen ließ. Mein Vater lag tot in der Wohnung, gestorben an einem Tumor im Kopf. Ich sagte zu ihr: ,Mach dich frei! Denke an dich! Das war an Silvester 2010.'" Sohn Marco zögert, überlegt, wie er den Leidensweg seiner Mutter weiter beschreiben kann, sagt dann leise: "Da ist so viel passiert. Das kann man nicht so einfach erzählen. Sie hatte Hoffnung. Erst die Chemotherapien, dann eine Antikörpertherapie. Sie wäre gerne arbeiten gegangen. Aber sie war arbeitsunfähig, einfach zu schwach. Aber sie wollte kämpfen. Wir, meine Lebensgefährtin Claudia und ich, haben sie jeden Tag gesehen. Sie wurde immer schwächer. Sie hat gekämpft, obwohl sie wusste, dass sie keine Chance hat."

Er beauftragte das ambulante Hospiz St. Jakobus mit der Pflege seiner Mutter: "Claudia und ich waren bei ihr, auch in der Nacht, in der sie starb. Viele nahmen von ihr Abschied in der Pfarrkirche St. Josef in Riegelsberg. Die Kirche war voll. Auch draußen vor der Kirche standen Trauergäste. Viele frühere Patienten kamen. Wir haben über 200 Kondolenzbriefe erhalten. Für viele, die sie kannten, war meine Mutter die personifizierte gute Seele."

Marco Mons bestattete die Asche seiner Mutter auf dem Friedwald bei Saarbrücken unter einer Buche.

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