Serie Lebenswege Er hinterließ ein unvollendetes Buch

Dudweiler · Wie ist das, von einem geliebten Menschen Abschied nehmen zu müssen? Die SZ spricht mit Angehörigen und Freunden und stellt in einer Serie Lebenswege Verstorbener vor. Heute: Axel Herzog.

 Axel Herzog (hier 2004) ist einer der bekanntesten saarländischen Kulturschaffenden, er starb vor zehn Jahren mit nur 66.

Axel Herzog (hier 2004) ist einer der bekanntesten saarländischen Kulturschaffenden, er starb vor zehn Jahren mit nur 66.

Foto: Uli Barbian

Axel Herzog war einer der bekanntesten saarländischen Kulturschaffenden. Trotz einer langjährigen Augenkrankheit, die schließlich zur Erblindung führte, verlor er nie den Lebensmut. Jetzt jährt sich sein Todestag zum zehnten Mal. Ehefrau Marga erinnert an einen Menschen, der den größten Teil seines Lebens, seiner Kraft und Gedanken jenen widmete, die seine Werke mit den Augen erfassen konnten – was ihm seit 2003 nicht mehr möglich war.

Geboren wurde Axel Herzog am 1. August 1944. Mit seinen Eltern und Schwester Yvonne wohnte er in Dudweiler, besuchte das Gymnasium in Sulzbach, machte 1962 das Abitur, studierte Germanistik und Geschichte und wollte Journalist werden. Er wusste bereits seit seinem 17. Lebensjahr, dass er an der Augenerkrankung Retinis Pigmentosa litt, einer Netzhautdegeneration, die ihm Stück für Stück das Augenlicht raubte. Wie sollte sich diese Perspektive mit einem Leben als Journalist vertragen? Das fragte er sich und folgte dem Rat seines Professors, einen anderen Beruf zu wählen. Bei der Bundesanstalt für Arbeit machte er die Ausbildung zum Arbeitsvermittler und arbeitete danach unter anderem mit an der computerunterstützten Arbeitsvermittlung (CoArb).

 Zeitgleich mit der Diagnose seiner Augenkrankheit wurde bei Axel Herzog eine schwere Arthrose beider Knie diagnostiziert, doch kein Arzt sah jemals einen Zusammenhang. Den erkannte erst Herzogs Ehefrau Marga, geborene Goebel, die er 1967 geheiratet hatte, aber zu spät, um das Augenlicht ihres Mannes retten zu können.

Axel und Marga Herzog bauten sich 1977 ein Haus in Ommersheim, wo sie mit der 1986 adoptierten Tochter Tanja wohnten. 1988 verkauften sie das Haus und erwarben in Dudweiler eine Eigentumswohnung. 1991 verliebten sie sich in eine Dienstwohnung von Marga Herzog in der Dudweiler Kantstraße, wo Marga Herzog heute noch wohnt. Bereits 1981 hatte sich Axel Herzogs Augenleiden so weit verschlimmert, dass er in den vorzeitigen Ruhestand treten musste. „Das war grausam für einen so jungen Menschen“, sagt Marga Herzog. Jetzt konnte er sich jedoch intensiv seiner Leidenschaft, dem Schreiben, widmen. Schon seit Mitte der 1970-er Jahre war er zeitweise freier Mitarbeiter der Saarbrücker Zeitung und schrieb Texte für den Saarländischen Rundfunk wie die erfolgreiche Mundart-Krimiserie „Käfer klärt die kloorschde Fäll“, aber auch politische Texte und Satiren. Er schrieb Bücher in Hochsprache und Mundart. 1981 erschien sein erstes Werk „Geschichten aus Neandertal“, es folgten „Mei Freind de Bernd“, „Lorette und Simon“, „Gwennas Schweigen“ und viele weitere. Sein Buch „Hammledd“, eine saarländische Version des Shakespeare-Dramas, wurde vom Saarländischen Rundfunk als Hörspiel produziert, 1997 als Kabarettprogramm saarlandweit aufgeführt und 1999 vom Saarbrücker Staatstheater als Theaterstück inszeniert. Ab 2001 schrieb Herzog halbjährlich die Saarland Krimi Serie „Der-Drei-Euro-Roman“.

Schnell wurden ihm Auszeichnungen zuteil. So erhielt er 1986 den Literaturpreis der Stadt Homburg, 1987 den Literaturpreis der Stadt Saarbrücken und 2007 den Hans-Bernard-Schiff-Literaturpreis. 1987 wurde Axel Herzog Stadtteilautor für Dudweiler und schrieb nach einem Jahr als Abschlussarbeit das Buch „Aus Liebe zu Dudweiler“. 1988 gründete er mit Ehefrau Marga das Dudweiler Statt Theater, dessen künstlerischer Leiter er zehn Jahre lang war. „Das war sein Kind, er sagte, er wolle aus diesem Haus etwas Großes machen“, erzählt Marga Herzog.

Große Namen wie Joana, Ulrich Roski, Fifi Brix, „Die Wolpertinger“ und das Cottbuser Amateurtheater erklangen im Statt Theater. Das Ensemble des Statt Theaters spielte Stücke wie „Die Dreigroschenoper“, „Wer hat Angst vor Virgina Woolf“, „Linie1“, Stücke von Karl Valentin, „Die Wahrheit über Dr. Mabuse“ und viele mehr. Marga und Axel Herzog spielten auch selbst mit, etwa die Hauptrollen in „Wenn der Wind weht“ – nach dem gleichnamigen Comic von Raymond Briggs.

Axel Herzog betätigte sich auch politisch, war SPD-Mitglied und leistete Gewerkschaftsarbeit im Vorstand des saarländischen Schriftstellerverbandes. Sein Augenlicht hatte sich alle vier bis fünf Jahre verringert, mit 59 Jahren war er blind. „Das war nicht einfach für ihn zu verkraften. Trotzdem hat er einen Weg gefunden, damit umzugehen“, erzählt Marga Herzog. Hörbücher ersetzten das Lesen, der Computer das Schreiben. Mit zunehmendem Alter kamen weitere Erkrankungen hinzu. Polyneuropathie, Schwerhörigkeit, eine schwere Hauterkrankung und extreme Gang­unsicherheit. Mit 58 Jahren saß Axel Herzog im Rollstuhl. Die Ärzte hatten die Erkrankungen so gut es ging einzeln behandelt. Durch Zufall stieß Ehefrau Marga im Internet auf die ganz seltene Erkrankung Refsum-Syndrom, bei der es eine Verbindung zu Retinitis Pigmentosa und allen Leiden ihres Mannes gibt. Diäten und Blutwäschen hätten den Verlauf deutlich verlangsamen können, doch dafür war es zu spät. „Zu wissen, dass man ihm hätte helfen können, war schwer zu verkraften“, sagt Marga Herzog.

Drei Jahre lang war Axel Herzog ein Pflegefall, arbeitete aber weiter. Mit seinem letzten Roman, dem Thriller „Der Krüppel und das Gift“, versuchte er 2008 sein Leiden zu verarbeiten, ehe er am 29. Juni 2010 mit nur 66 Jahren an Herzversagen starb. Bei der Trauerfeier hielt der Autor, Schauspieler und Kabarettist Peter Tiefenbrunner – ein Freund der Familie – eine bewegende Trauerrede. Marga Herzog hält fest: „Ein langer Kampf ging zu Ende.“ Unvollendet blieben ein Buch und ein Theaterstück.

Auf der Seite „Momente“ stellt die SZ im Wechsel Kirchen und Lebenswege Verstorbener vor. Online unter saarbruecker-­zeitung.de/lebenswege

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