Serie Lebenswege „Die Musik war seine Leidenschaft“
Völklingen · Wie ist das, von einem geliebten Menschen Abschied nehmen zu müssen? Die SZ spricht mit Angehörigen und Freunden und stellt in einer Serie Lebenswege Verstorbener vor. Heute: Andreas Mehs.
„In dem Augenblick, da der Mensch von dem sittlichen Wert seiner Arbeit für die Allgemeinheit überzeugt ist, hört jeder Hochmut, jede Über- und Unterschätzung, aber auch jeder Neid und Hader, jede Unzufriedenheit und jede Unvernunft auf.“ Den Satz könnte der Komponist Max Reger für Andreas Mehs geschrieben haben. Mehs, langjähriger Organist, Chorleiter, Kirchenmusiker, Interpret, Kantor in der katholischen Völklinger Kirchengemeinde St. Eligius beziehungsweise im Dekanat Völklingen, starb jung, am 4. Oktober 2021. Jetzt, kein Jahr später, am 8. Juli 2022, hätte er seinen 50. Geburtstag feiern können. Hätte – menschliches Schicksal kann hart sein.
Der Verstorbene hat Schweres erlebt, auch viel Gutes, hat sich aber selten aus der Ruhe bringen lassen, dem biblischen Motto folgend: „Denn das hat Gott uns zugesagt: Wer an mich glaubt, sei unverzagt“. Das bestätigt Andrea Schwindling, Gemeindereferentin ebenfalls in St. Eligius, eine Kollegin im Pfarrhaus, die auch privat an der Seite des Verstorbenen stand. Schwindling ergänzt: „Die Musik, speziell die Orgel, war seine Leidenschaft“. „Und die hat er perfekt zum Klingen gebracht“, sagt Sandra Rein, Pfarrsekretärin von St. Eligius.
„Es geht nicht nur darum, die richtigen Töne zu spielen. Man muss der Musik Ausdruck verleihen“, erklärt Andreas Mehs ein Dreivierteljahr vor seinem Tod, im Januar 2021, in einem SZ-Porträt. Dem Orgelspiel Ausdruck verleihen, das hat Andreas Mehs in der Tat ausgiebig getan. An vielen Instrumenten im Saarland, in Rheinland-Pfalz, in Frankreich, auch an der Hauptorgel im Trierer Dom, dem „Schwalbennest“. Mehs spielt Bach, Mendelssohn, die großen französischen Komponisten, und bevorzugt Max Regers kühne Orgelfantasien mit der Aussage: „Den Reger muss man verstehen lernen“.
Mehs publiziert Musikvideos. Wirkte als Dekanatskantor mit Orgelschülern: „Die tragen alle seine Handschrift“. Er leitet als Kirchenmusiker die Chorgemeinschaft St. Eligius, den „Coro-Eligio“, plus einen deutsch-französischen Projektchor. Er ist Mitbegründer, Mentor, Interpret des deutsch-französischen Orgelsfestivals mit langjährigen Aufführungen in Völklinger und Forbacher Kirchen. Er führt den Nachwuchs im Kindergarten an die Musik und das gemeinsame Singen heran. Er bringt jahrelang die Konzertreihe „Geistliche Abendmusik“ zum Klingen, in welcher er meist selbst, mit jahreszeitlich passenden Bezügen, Orgelwerke interpretiert, immer für den guten Zweck, dem Erhalt der Eligiusorgel durch den von ihm initiierten Orgelbauverein. „Andreas hat sein Hobby zum Beruf gemacht“ resümiert die Gemeindereferentin Schwindling.
Am 8. Juli 1972 wird Andreas als einziges Kind des Elektrikers Horst Mehs und dessen Ehefrau Agnes, einer Krankenschwester, geboren. Schon auf dem Gymnasium engagiert er sich in seiner Heimatpfarrei in Saarbrücken im Pfarrgemeinderat sowie in der Kinder- und Jugendarbeit. Nach dem Zivildienst studiert Mehs Musikwissenschaften mit Abschlüssen in Kirchenmusik, Musikerziehung, Chorleitung. Allerdings mit Unterbrechungen, die schon auf Tragisches hinweisen, muss er doch sein Studium wegen eines bösartigen Tumors unterbrechen. „Ich bin der festen Überzeugung, dass diese erste Erkrankung Andreas für sein weiteres Leben geprägt hat, seine stoische Ruhe in allen Lebenslagen erklärt, seine Zuversicht, sein Gottvertrauen“, sagt Andrea Schwindling. Sandra Rein ergänzt: „Andreas hat nie gejammert, immer Optimismus ausgestrahlt. Er war ein geselliger Mensch, der wunderbar kochen konnte und uns oft mit einer superguten Fischsuppe überrascht hat.“
Es hätte alles gut weitergehen können – mit der geliebten Kirchenmusik in vielerlei Varianten, mit dem positiven Privatleben mit Freunden und Vertrauten, mit den geliebten Ferienaufenthalten auf der Insel Rügen („Landschaften, das Meer, die Architektur dieser Ostseeinsel, das war sein Ding“), mit der Freude an kniffligen Rätseln und Strategiespielen – aber es kommt anders. Am Aschermittwoch 2020 stellen die Ärzte bei einer Magenspiegelung erneut einen bösartigen Tumor fest. In der Folge müssen Teile der Speiseröhre, der Magen komplett entfernt werden. Der Patient magert ab, muss vier Chemozyklen über sich ergehen lassen. Schwindling: „Er hat sich nie aufgegeben, immer felsenfest geglaubt, den Krebs, wie schon einmal, zu überwinden.“ Noch im Januar 2021 gibt er der Saarbrücker Zeitung ein Interview. Drei Tage vor seinem Tod spielt er „seine“ Eligiusorgel ein letztes Mal. „Dass so ein lieber Mensch so früh gehen muss, macht uns sehr traurig. Andererseits sind wir dankbar für die vielen guten Jahre mit ihm“, bilanzieren seine Weggefährtinnen übereinstimmend. Vor Monaten gaben Orgelschüler von ihm in der Eligiuskirche ein viel beachtetes Gedächtniskonzert, und für Freitag,16. September, um 20 Uhr, ist in der Völklinger Eligiuskirche in weiteres Konzert zu Ehren des Verstorbenen angedacht, mit Sängerinnen und Sängern aus den erwähnten Chören von Andreas Mehs.
Auf der Seite „Momente“ stellt die SZ im Wechsel Kirchen und Lebenswege Verstorbener vor. Online unter saarbruecker-zeitung.de/lebenswege