Die Expertenantwort Rettet persönlicher Verzicht das Klima?

Die Frage nach der persönlichen Verantwortung lenkt vom Problem ab, finden unsere Experten.

 Inzwischen ändern viele Menschen ihr Konsumverhalten, um ihren persönlichen CO 2 -Abdruck zu senken. Das allein kann die Klimakrise jedoch nicht lösen.

Inzwischen ändern viele Menschen ihr Konsumverhalten, um ihren persönlichen CO 2 -Abdruck zu senken. Das allein kann die Klimakrise jedoch nicht lösen.

Foto: BeckerBredel

An dieser Stelle beantworten die Wissenschaftler von Scientists for Future (S4F) Saar Fragen rund um die Klimakrise.

Können wir die Klimakrise erfolgreich bekämpfen, indem wir unser persönliches Verhalten ändern?

S4F: „Nein – aus drei Gründen.

Erstens: Viele Menschen haben gar nicht die Möglichkeit, sich klimaschonend(er) zu verhalten. Sie sind auf ein Auto angewiesen oder können sich kein E-Auto leisten, müssen beim Einkauf auf dem Preis achten und haben kein Geld für Bio-Lebensmittel oder ökologisch produzierte Kleidung. Wer zur Miete wohnt, hat keinen Einfluss darauf, ob die alte Ölheizung gegen eine Wärmepumpe ausgetauscht oder eine Solaranlage installiert wird. Kurz: Um das persönliche Konsumverhalten ändern zu können, ist ein größerer finanzieller Spielraum nötig.

Zweitens: Die Änderungen, die wir benötigen, sind systemisch und gehen weit über die Einflussmöglichkeiten Einzelner hinaus. Ein systemischer Hebel sind Preise: Hätten Konsumgüter einen Preis, der ihren wahren Kosten für die Umwelt entspricht (sei es durch CO2, Plastikmüll, Chemie, Lärm, Feinstaub oder Ozon), hätte dies Einfluss auf die Wahl der Verbraucher. Wer für lange Transportwege extra zahlen muss, kauft seine Lebensmittel lieber bei regionalen Erzeugern, werden Produkte aus (bisher billigen) umweltschädlichen Materialien teurer, wird gut gearbeitetes Handwerk plötzlich attraktiv.

Ein weiterer systemischer Hebel sind Anreize: Hätte das Saarland beispielsweise eine attraktive und sichere Rad-Infrastruktur, wäre das für mehr Menschen ein Anreiz, ihr Auto stehen zu lassen – mit entsprechender Reduktion von CO2, Lärm und Feinstaub, während gleichzeitig die Lebensqualität in den Innenstädten steigt.

Drittens: Die Frage nach dem persönlichen Verhalten ist eine der letzten Abwehraktionen der Lobby der großen Energieunternehmen. Jahrzehntelang haben diese Konzerne versucht, den menschengemachten Klimawandel zu leugnen (dabei war das Problem längst bekannt – beispielsweise wusste der französische Total-Konzern seit 1971 davon). Dieses Leugnen ist im Jahre 2021 unglaubwürdig geworden. Stattdessen wird nun versucht, die Schuldfrage auf die persönliche Ebene zu lenken, um eine grundsätzliche Diskussion über unser fossiles Wirtschaftssystem zu verhindern.

Fazit: Natürlich hilft es trotzdem, wenn viele ihr persönliches Verhalten ändern. Aber das allein wird die Klimakrise nicht verhindern.“

Sie finden S4F Saar auch auf Facebook. Haben Sie eine Frage an unsere Experten? Schreiben Sie uns eine Mail an expertenantwort@sz-sb.de.

Quellen:

[2] Maja Göpel: Unsere Welt neu denken: Eine Einladung. Ullstein. 2020.

[3] Luisa Neubauer, Alexander Repenning: Vom Ende der Klimakrise – Eine Geschichte unserer Zukunft, Klett-Cotta. 2019.

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