Die Saar – Geschichte eines Flusses Als Elisabeth Saar-Frösche vertreiben lässt

Die Grafschaften und Klöster haben sich im Saartal eingerichtet. Zeit für Kultur. Zeit für Elisabeth von Lothringen. Und auch die Zeit der Reformation bricht im Saartal an.

 In der Stiftskirche in St. Arnual (oben) liegt das Bildnis der Elisabeth von Lothringen auf ihrer Tumba. Die sterblichen Überreste der ehemaligen Gräfin von Nassau-Saarbrücken liegen in dem steinernen Grabmal. Es hat die Form eines Sarkophags. Damals der letzte Schrei beim letzten Gang.

In der Stiftskirche in St. Arnual (oben) liegt das Bildnis der Elisabeth von Lothringen auf ihrer Tumba. Die sterblichen Überreste der ehemaligen Gräfin von Nassau-Saarbrücken liegen in dem steinernen Grabmal. Es hat die Form eines Sarkophags. Damals der letzte Schrei beim letzten Gang.

Foto: Robby Lorenz

Elisabeth von Lothringen ist eine Schöngeistige. Und die zweite Ehefrau von Graf Philipp I., der Erste aus dem Hause Nassau-Saarbrücken. Elisabeth liebt die Künste. Ihr Bruder ist Lyriker. Ihr Onkel schart Humanisten und Gelehrte an seinem Hof in Nancy um sich. Kurz: Sie bringt höfische Kultur ins Saartal. Und den deutschen Prosaroman. Bis dahin kann der geneigte Leser „lediglich“ Lyrik und Liedgut in Landessprache lesen. In schönen Handschriften. Prosa nicht. Bis Elisabeth 1437 die Übersetzung von vier französischen höfischen Romanen initiiert. Ins Frühneuhochdeutsche. Eine Wegbereiterin der deutschen Literatur lebt auf dem Saarbrücker Saar-Felsen.

Und regiert. Nach dem Tod ihres Mannes (1429) übernimmt sie bis 1442 die Grafschaft an der mittleren Saar. Für ihre Söhne Philipp II. und Johann III.. Sie sind noch nicht mündig. Sie erhebt Saarbrücken zur Residenzstadt. Mit der Grafenburg auf dem Saar-Felsen als Basis. Bis dahin existiert noch keine zentrale Verwaltung, die Grafen pflegen die Reiseherrschaft, sind in ihrem Reich omnipräsent. Auch Elisabeth reist. Gerne mal nach Völklingen. Die Bewohner des dortigen Hofgutes sollen die Frösche in der Saar vertreiben. Damit die Gräfin besser schlafen kann.

1442 übernimmt Sohn Johann die Verantwortung von Frau Mama. Er hat offenbar ein Herz für die literarische Tätigkeit seiner Mutter, lässt prächtige Handschriften von Elisabeths Ritterromanen anfertigen. Heute zu sehen in der Herzog-August-Bibliothek (Wolfenbüttel) und der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg.

Elisabeth stirbt am 7. Januar 1456. Bis dato lassen sich Saarbrücker Grafen in der Abteikirche Wadgassen bestatten. Elisabeth nicht. Sie wählt die Stiftskirche St. Arnual. Noch heute befindet sich ihr Grabmal dort. Mit Ganzkörperskulptur nach burgundischem Vorbild. Damals der letzte Schrei beim letzten Gang. In den folgenden 180 Jahren lassen sich alle Grafen aus dem Hause Nassau-Saarbrücken in der Stiftskirche am heutigen Saarufer beisetzen. Danach in der Saarbrücker Schlosskirche. Saarbrücken hat zu der Zeit etwa 1000 Einwohner, St. Johann 700. Die Stadt wächst in westliche Richtung. Graf Johann muss die Stadtmauern anpassen.

Im weiteren Verlauf der Saar drängten sich in der Zwischenzeit die Ereignisse. Neue Burgen, Klöster. 1431 plündert und zerstört Triers Möchtegern-Erzbischof Ulrich von Manderscheid Saarburg. 1439 baut Arnold von Sierk eine neue Burg auf den Montclair-Felsen. 1450 überfallen die Herren von Lichtenberg die Burg Sarrewerden und setzen den Grafen gefangen. Ein Jahr später fällt Sarrebourg an Lothringen. 1501 bauen sie am „Kohlrech“ in Saarbrücken (Kongresshalle) eine Verladestelle für Kohlen aus dem Sulzbachtal. Die ersten Vorboten der Industrie.

Saarabwärts entwickelt sich Wallerfangen zu einer kleinen Saar-Metropole. Damals heißt der Ort noch Walderfingen (Französisch Vaudrevange). Wallerfangen erst seit 1815. Zum Vergleich. Im Jahr 1600 sollten in Saarbrücken 184 Haushalte leben, in Wallerfangen 206. Die Wallerfanger fördern wieder Bergblau aus den alten Römerstollen. Albrecht Dürer soll zu der Zeit mit „Wallerfanger Blau“ gemalt haben. 1498 bauen sie sich eine Saarbrücke. 1503 ist Kaiser Maximilian I. zu Gast, König Philipp von Spanien besucht Wallerfangen 1546, König Heinrich II. von Frankreich 1551. Ein Hotspot.

1546/47 erweist Karl V. Wallerfangen und Saarbrücken die Ehre. Er ist der letzte mächtige Kaiser des Heiligen Römischen Reiches. Im Jahr 1519 kommt er ans Zepter, regiert satte 37 Jahre lang. Sein Besuch in Saarbrücken verläuft nicht optimal. Der Kaiser kann die Furt nach St. Johann nicht queren. Ein Hochwasser drischt gerade die Saar hinunter. Er „empfiehlt“ Graf Philipp einen Brückenbau. Kurz darauf steht die „Alte Brücke“. Damals mit 14 Bögen. Mindestens zweimal zerstört und teilweise wieder aufgebaut, überbrückt sie noch heute die Saar. Mit acht Bögen.

Der Fluss muss sich ab 1561 einem Eingriff unterziehen. Grund: Herzog Karl von Lothringen und Graf Philipp von Nassau-Saarbrücken einigen sich darauf, die Saar von Herbitzheim bis Saarbrücken schiffbar zu machen. Mühlen, Fischereizonen, Steine, Kies- und Sandbänke. Alles muss – und kommt weg.

Luthers Thesen finden an der Saar anfangs nur Gelehrte spannend. Zwar lassen die Grafen einige Reformen zu, lehnen aber zum Beispiel zwei Reformations-Versuche des Stiftes St. Arnual vehement ab. Unterdessen verliert Kaiser Karl V.
den Kampf gegen den Protestantismus auf großer Linie. 1555 kommt es zum Augsburger Religionsfrieden. Er erlaubt den deutschen Fürsten, selbst zwischen Protestantismus und Katholizismus zu entscheiden. Die meisten wählen den Protestantismus. Zu lange hatten sie unter der römischen Kirche gelitten. Erst 1574 bekennt sich Philipp III. von Nassau-Saarbrücken zu Luthers Ideen.

Bereits zuvor schließen einige Klöster an der Saar. Das Herbitzheimer Frauenkloster aus dem
8. Jahrhundert macht 1544 die Pforten dicht. Das Kollegiatstift St. Blasien in Sarrewerden 1559. Bockenheim ist da bereits protestantisch, 1569 entstehen protestantische Pfarreien in Fechingen, Güdingen und Bübingen, 1576 in Zetting. Das Deutschordenshaus in Sarrebourg schließt 1577. 1599 das 1256 gegründete Franziskanerkloster.

Literatur und Reformation sind relativ unblutig im Saartal angekommen. Im kommenden Jahrhundert soll hingegen viel Blut die Saar hinab fließen. Im Namen des Herrn. Und der Herren Machthaber. Elisabeth sollte nicht die einzige Gräfin an der Saar bleiben.

Alle Teile der Serie:

Elisabeth von Saarbrücken: Die dichtende Diva von der Saar.
Foto: Robby Lorenz
 Die alte Brücke in Saarbrücken unterqueren täglich viele Jogger und Radfahrer. Als sie 1549 fertig ist, hat sie 14 Bögen, heute acht, davon noch zwei Originale.

Die alte Brücke in Saarbrücken unterqueren täglich viele Jogger und Radfahrer. Als sie 1549 fertig ist, hat sie 14 Bögen, heute acht, davon noch zwei Originale.

Foto: Robby Lorenz
 Das Bild zeigt Walderfingen (Wallerfangen) im Jahr 1630. Die Stadt war damals größer als Saarbrücken.  Das Bild stammt von Hobbymaler Vinzenz Kneip aus Saarlouis. Er hat es 1992 auf Basis der Forschungen des Historikers Theodor Liebertz gemalt.

Das Bild zeigt Walderfingen (Wallerfangen) im Jahr 1630. Die Stadt war damals größer als Saarbrücken. Das Bild stammt von Hobbymaler Vinzenz Kneip aus Saarlouis. Er hat es 1992 auf Basis der Forschungen des Historikers Theodor Liebertz gemalt.

Foto: Markus Battard

1. Wenn Nashörner und Kelten aus der Saar trinken 2. Die Römerstraßen bringen Gedeih und Verderb 3. Liutwins Wunder an der fränkischen Saar 4. Burgen und Klöster wachsen am Saarufer 5. Als Elisabeth Saar-Frösche vertreiben lässt 6. Der Sonnenkönig an der blutigen Saar 7. Der Barock-Style am Saarufer 8. Die Mühlen an der Saar 9. La Revolution à la Sarre 10. Die Industrie frisst das Saarufer I 11. Der Saarkohlenkanal 12. Die Industrie frisst das Saarufer II 13. Die Industrie tötet die Saar 14. Die Industrie baut die Saar um 15. Still und tief fließt die Saar 16. Fischer und Fische an der Saar 17. und 18. Von den Quellen bis zur Grenze – eine Fotoreise 19. und 20. Durch das Saarland – eine Fotoreise 21. Von der saarländischen Grenze bis zur Mündung – eine Fotoreise

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