Die Saar – Geschichte eines Flusses La Révolution au bord de la Sarre

Die Französische Revolution macht vor dem Saartal nicht halt. Sie bringt den Saarländern viele Veränderungen. Positive wie negative.

 Marianne von der Leyen regierte 1775 bis 1793 das Blieskasteler Land. In der Revolution musste sie fliehen.

Marianne von der Leyen regierte 1775 bis 1793 das Blieskasteler Land. In der Revolution musste sie fliehen.

Foto: Martin Baus

Die Revolution beginnt in Frankreich 1789. Mit Auswirkungen auf die Menschen im Saartal. Das französische Saarlouis benennen die Revolutionäre zunächst mal in Sarre-Libre („freie Saar“) um. Nichts soll an den Sonnenkönig Louis erinnern. Dazu schicken sie ein Dekret die Saar hinauf nach Wadgassen. Inhalt: Die Katholiken dort sollen ihr Kloster auflösen, Vermögen, Land und Immobilien an Frankreich abtreten. Machen die Wadgasser nicht. Paris ist ja weit weg. Und sonst ist es noch recht ruhig an der Saar. Die Saarbrücker rebellieren zwar ein wenig gegen Fürst Ludwig, doch der gibt sich ob des drohenden Machtverlustes verständnisvoll, erfüllt eine mehrseitige Liste mit Forderungen der Bürger. Sie dürfen nun – unter anderem – „Kartenspielen“. War eine echte Forderung. Die Saarbrücker lassen ihn dafür in Ruhe. Auch mit den französischen Revolutionstruppen arrangiert sich der Fürst, lässt sie zum Nulltarif im Schloss wohnen. Er selbst nächtigt in seinem Neunkircher Jagdschloss.

1792 besetzen Revolutionstruppen die Saar. 1793 heißt es aus Paris: „Friede den Hütten, Krieg den Palästen“. Der Freiheitskrieg wird zum Eroberungskrieg. Die Revoluzzer schlagen Preußen und Österreich bei Biesingen (Blieskastel). Das heißt nichts Gutes für die Aristokraten an der Saar. Reichsgräfin Marianne von der Leyen flieht von Blieskastel nach Frankfurt. Auch Saarbrückens Fürst Ludwig verlässt sein Land. Im November 1793 ist es vorbei. Die Schlossbauten auf dem Halberg sind zerstört. Im Dezember brennt auch noch das Saarbrücker Schloss auf dem Saarfelsen. Lange heißt es – auch zu Propagandazwecken: Die Franzosen haben es angesteckt. Das brennende Schloss als Symbol für den deutsch-französischen Kampf um die Saar. Heute weiß man aus wissenschaftlich ausgewerteten Quellen fast sicher: Es war wohl eher ein Versehen – und keine Brandstiftung. Dennoch: Fast alles ist futsch. Auch das Lustschloss im heutigen Ludwigspark. Und Ludwigs Macht. Seine entfernten Verwandten haben es cleverer angestellt. Sie thronen heute noch: Königin Beatrix in den Niederlanden und Großherzog Henri in Luxemburg. Familie Von der Leyen stellt heute die Verteidigungsministerin. Sie ist aber nicht mit der Gräfin verwandt.

Zurück zur Revolution: Nun ist das Kloster Wadgassen dran. Das hat sich trotz Dekret nicht aufgelöst. Das erledigen jetzt die Revolutionstruppen. An der unteren Saar bekämpfen die Franzosen von Merzig aus die Österreicher in Mettlach. 1794 ziehen sich die Preußen aus dem Saartal zurück, etwas später die Österreicher. Alles Linksrheinische ist nun wieder französisch, seit 1801.

Die Saar ist also französisch, sie fließt durch das „Département de la Sarre“. Ein Gebiet, das in etwa dem heutigen Saarland entspricht. Einige Teile im Westen fehlen. Sie gehören zum Moseldépartement mit der Hauptstadt Metz. Die Hauptstadt des Saar-Départements ist Trier. Ebenfalls an der Mosel. Das wollen viele nicht. Besonders nicht in Saarbrücken.

Dort sind Feudal- und Kirchenrechte nun jedenfalls Geschichte – dafür müssen die Menschen Steuern zahlen und haben trotz „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ keine politische Mitbestimmung. Die verwehrt Frankreich den meisten Orten an der Saar. Sowieso machen sich die Franzosen zu dieser Zeit nicht nur Freunde im Saartal. 1802 lässt die französische Verwaltung das Kloster in Mettlach räumen. Die Mönche fliehen nach Trier. Am 21. März führt Napoléon das französische Gesetzbuch zum Zivilrecht ein, den „Code civil“. Gefällt auch nicht jedem. Die Zeiten sind unruhig: Am 6. August 1806 ist das Ende des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation gekommen. Nach knapp 850 Jahren. Kaiser Franz II. legt die Krone nieder.

Auch für Napoléon soll es in den kommenden Jahren nicht sonderlich rund laufen – was wiederum Auswirkungen auf die Menschen an der Saar hat. Vehemente. Im Winter 1813 sind Napoleons Truppen auf dem Rückzug. Und machen in Saarlouis Station. Sie bringen Typhus mit. Auf ihren Fersen: Das Yorksche Corps der Preußen. Es belagert Saarlouis, als die Soldaten schon weg sind. Vier Monate lang. Das Corps verfeuert im Winter 19 000 Weinstöcke aus den Weinbergen bei Beckingen und Saarfels. In der Gegend wächst damals ein guter Rotwein, die „Meerkatz“ genannt. Auf etwa drei Hektar. Heute laufen dort Bahngleise entlang.

Im April 1814 dankt Napoléon ab. Der 1. Pariser Frieden zieht die Grenzen neu. Im Osten des Saarlandes sind nun die Bayern. Im Norden die Oldenburger. Der größte Teil des ehemaligen „Saar-Départements“ wechselt hingegen von Frankreich ins Königreich Preußen. Der neue französische König Ludwig XVIII. darf Saarlouis behalten. Wallerfangen und Dillingen auch. Und besonders magnifique: Er bekommt Saarbrücken nebst Kohlenwald. Das gefällt den Saarbrückern gar nicht. Unter Oberbürgermeister Heinrich Böcking gründet sich eine Bewegung, die sich für den Anschluss an Preußen einsetzt. Sie mischen die Saar erstmals mit Nationalismus auf. Mit Erfolg.

Wenig Erfolg hat Napoléon mit seiner Rückkehr aus dem Exil. Da hilft ihm auch sein Vertrauter Michael Ney nichts. Er ist sein Maréchal d’Empire, sein wichtigster Feldmarschall. Oder wie Napoleon formuliert: „Le brave des braves“. Der Tapferste der Tapferen ist Herzog von Elchingen und Fürst von der Moskwa. Er stammt aus Saarlouis, Bierstraße 13. Sohn eines Böttchers. An der Seite von Napoléon erlebt er nahezu alle wichtigen Schlachten mit. Auch Waterloo. Der daraus folgende 2. Pariser Frieden ist am 20. November 1815 nicht mehr so friedlich mit den Franzosen. Die Grenze am linken Saarufer verlegen die Sieger weit in den Saargau. Sie besteht – von kleineren Korrekturen abgesehen – bis heute. Saarbrücken liegt von nun in Preußens Rheinprovinz. Auch die Festung Saarlouis übergeben die Franzosen den Preußen. Das gefällt nun nicht jedem Saarlouiser. Der erste preußische Saarlouiser Landrat Jakob Christian Schmeltzer fasst die Situation damals so zusammen: „Wir haben ein Vaterland verloren, aber wir haben ein neues gewonnen.“ 120 der damals 4000 Saarlouiser wandern nach Frankreich aus.

Die „Saarländer“ sind allerdings – wie bereits unter Napoléon – politisch unmündig. Wie alle Bürger links des Rheins. Dafür dürfen sie den „Code civil“ behalten. Das Recht heißt nun nur anders: „Rheinisches Civilrecht“. Es gilt an der Saar bis 1900. Und garantiert die Gleichheit des Menschen als Grundlage staatlich-bürgerlichen Lebens. Und, ganz wichtig: Freiheit des Eigentums, Gewerbefreiheit. Vieles davon ist rechts des Rheins noch fremd. Ein Modernisierungsvorsprung für die Linksrheinländer. Die Grundlage für eine „moderne“ Industriegesellschaft. Für die die Saar eine Schlagader sein soll.

Alle Teile der Serie:

1. Wenn Nashörner und Kelten aus der Saar trinken 2. Die Römerstraßen bringen Gedeih und Verderb 3. Liutwins Wunder an der fränkischen Saar 4. Burgen und Klöster wachsen am Saarufer 5. Als Elisabeth Saar-Frösche vertreiben lässt 6. Die Stadt des Sonnenkönigs wächst an der blutigen Saar 7. Der Barock-Style am Saarufer 8. Die Mühlen an der Saar 9. La Révolution au bord de la Sarre 10. Die Industrie frisst das Saarufer I 11. Der Saarkohlenkanal 12. Die Industrie frisst das Saarufer II 13. Die Industrie tötet die Saar 14. Die Industrie baut die Saar um 15. Still und tief fließt die Saar 16. Fischer 17. und 18. Von den Quellen bis zur Grenze – eine Fotoreise 19. und 20. Durch das Saarland – eine Fotoreise 21. Von der saarländischen Grenze bis zur Mündung – eine Fotoreise

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