Stuttgarter Kosten-Galopp wird für Merkel riskant

Stuttgart. Langsam wird es eng für den Stuttgarter Tiefbahnhof. Auf fast sieben Milliarden Euro könnten die Baukosten klettern. Das nach Angaben der Deutschen Bahn "bestgerechnete" Vorhaben würde damit das Schicksal vieler anderer Großprojekte erleiden. Verwundern kann das jedoch längst niemanden mehr

Stuttgart. Langsam wird es eng für den Stuttgarter Tiefbahnhof. Auf fast sieben Milliarden Euro könnten die Baukosten klettern. Das nach Angaben der Deutschen Bahn "bestgerechnete" Vorhaben würde damit das Schicksal vieler anderer Großprojekte erleiden. Verwundern kann das jedoch längst niemanden mehr. Schon die bisherigen, zuletzt explosionsartigen Kostensteigerungen sprachen Bände.In Stuttgart rätselt man schon lange darüber, wie ein Bauvorhaben derart aus dem Ruder laufen kann, obwohl es noch gar nicht begonnen wurde. Nicht nur die Bürger im Südwesten, die sich in einer Volksabstimmung mehrheitlich für "Stuttgart 21" ausgesprochen haben, fühlen sich verschaukelt. Auch die grün-rote Landesregierung sieht sich zu Recht bestärkt in ihrer kritischen Haltung. Ihr kann man keine politische Luftkalkulation vorwerfen. Zumindest die Grünen in der Regierungskoalition haben immer offen von Mondpreisen der Bahn gesprochen, während sich die zunächst euphorische SPD nun geschickt hinter dem versöhnenden Koalitionsbeschluss eines Kostendeckels von 4,5 Milliarden Euro verstecken kann. Die Ansage ist unmissverständlich: keinen Cent mehr!

Brenzlig könnte die Causa Tiefbahnhof aber auch für die Kanzlerin werden. Angela Merkel hatte schon im baden-württembergischen Landtagswahlkampf 2011 das Bahnprojekt "Stuttgart 21" mit ihrem Namen und der CDU verknüpft. Auch bei der OB-Wahl im vorigen Jahr legte sie sich für den Tiefbahnhof ins Zeug: Deutschland müsse Zukunftsfähigkeit zeigen. Werde nicht gebaut, mahnte Merkel, sei dies eine große Blamage für die Leistungsfähigkeit der gesamten Republik. Der Industrie-Standort sei in Gefahr. Derart stark wurde dieser unterirdische Bahnhof im Schwäbischen überhöht, dass schon aus Gründen der politischen Gesichtswahrung nicht das Geringste schief gehen durfte.

Nun ging aber viel schief. Die Schlichtung mit Heiner Geißler förderte mehr Schwachstellen der Planung zutage, als der Bahn lieb sein konnte. Es war der Anfang vom Ende der kalkulatorischen Fassadenmalerei. Inzwischen erinnert der Stuttgarter Kosten-Galopp längst an den Berliner Super-Flughafen. Und die Einsicht reift: Es wäre angesichts der miserablen Planung international wohl eher eine Blamage, würde tatsächlich gebaut. Der Tiefbahnhof steht schon jetzt nicht mehr als Vorzeige-, sondern als Abschreckungs-Objekt in der Stuttgarter Stadtlandschaft. Bei den Strategen im Berliner Konrad-Adenauer-Haus dürfte "Stuttgart 21" deshalb längst unter dem Aspekt begutachtet werden, ab welchem Zeitpunkt es für die gesamte Union zum Verlierer-Thema wird.

Der Populismus-begabte CSU-Minister Peter Ramsauer hat dies nach der Flughafen-Schelte gewiss längst für sich entschieden. Auch wenn er taktisch laviert - er wird kaum ein zweites Mal mit einem derart desaströs geplanten Verkehrsprojekt in Verbindung gebracht werden wollen. Die Berliner Langzeit-Baustelle mochte noch mit dem Genossen Klaus Wowereit nach Hause gehen. Beim Stuttgarter Tiefbahnhof aber bleibt ganz bestimmt etwas an Merkel hängen - und wenige Monate vor der Landtagswahl in Bayern irgendwie auch an der CSU. Solche klebrigen Aussichten können in einem Super-Wahljahr manchmal entscheidender sein als die bedrohlichste Kostenberechnung der Projekt-Kritiker.

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