Osteroporose Krafttraining und Springen verhindern den Knochenschwund

Saarbrücken · Wie sich die gefürchtete Osteoporose vermeiden lässt, haben Wissenschaftler der Universität Erlangen in bahnbrechenden Studien erforscht.

 Regelmäßiges intensives Krafttraining kann auch ältere Frauen zuverlässig vor Osteoporose schützen. Ohne Training verlieren 70 Prozent der Frauen nach der Menopause Jahr für Jahr Knochenmasse. Das Risiko für Knochenbrüche steigt. Vor allem die Wirbelkörper und der Oberschenkelhals sind betroffen.

Regelmäßiges intensives Krafttraining kann auch ältere Frauen zuverlässig vor Osteoporose schützen. Ohne Training verlieren 70 Prozent der Frauen nach der Menopause Jahr für Jahr Knochenmasse. Das Risiko für Knochenbrüche steigt. Vor allem die Wirbelkörper und der Oberschenkelhals sind betroffen.

Foto: Getty Images/iStockphoto/Horsche

Professor Dr. Wolfgang Kemmler von der Universität Erlangen und sein Team haben nachgewiesen, dass körperliches Training Osteoporose (Knochenschwund) bei Frauen und Männern ein Leben lang verhindern und das im Alter erhöhte Risiko zu stürzen minimieren kann.

Herr Kemmler, wie entsteht eine Osteoporose?

Wolfgang Kemmler: Bei einer Osteoporose baut der Körper übermäßig viel Knochensubstanz ab. Das kann verschiedene Ursachen haben. Ein Hauptgrund für den Knochenschwund ist fehlende körperliche Betätigung. Ein Knochen, der nicht beansprucht wird, dünnt buchstäblich aus. Wer körperlich inaktiv ist, verliert Knochenmasse, die Knochenstruktur wird geschädigt, die Festigkeit geht zurück. Das steigert das Risiko für Knochenbrüche. Frakturen der Lendenwirbelkörper, des Oberschenkelhalses, der Unterarme und der Oberarme stehen mit einer Osteoporose eng in Verbindung.

Auch bestimmte Medikamente, die beispielsweise zur Behandlung rheumatischer Erkrankungen, Autoimmunerkrankungen, Allergien, entzündlicher Krankheiten, Lungen-, Haut- oder Nervenerkrankungen eingesetzt werden, können zu einer Abnahme der Knochendichte führen und den Knochenaufbau stören. Eine einseitige Ernährung mit wenig Vitamin D und Kalzium, aber viel Phosphat kann ebenfalls zu Knochenschwund führen.

In welchem Alter tritt denn Osteoporose auf?

Bei Frauen entwickelt sich eine Osteoporose in der Regel ab dem 50. Lebensjahr, also mit der Menopause. Aber auch Männer sind betroffen, wenn auch erst um das 60. Lebensjahr herum. In den genannten Altersgruppen tritt Knochenschwund bei bis zu 70 Prozent der Frauen und bei etwa 30 Prozent der Männer auf.

Das heißt aber nicht, dass es dadurch automatisch zu Knochenbrüchen kommt. Viele spüren gar nicht, dass ihre Knochenmasse schwindet, denn dieser Prozess verursacht keine Schmerzen. Meist gibt nur eine Untersuchung bei einem Arzt mit einem entsprechenden Messgerät Aufschluss darüber, ob bereits eine Osteoporose vorliegt. Zu einem Knochenbruch an Wirbelsäule, Hüfte oder den Armen kommt es schätzungsweise bei 15 Prozent der betroffenen Frauen.

Was beschleunigt denn in diesen Altersgruppen eine Osteoporose?

Bei Frauen wie Männern spielen in älteren Jahren die Sexualhormone eine wichtige Rolle. Bei Frauen werden nach der Menopause 80 bis 90 Prozent weniger Östrogen gebildet. Dieses Hormon schützt auch Knochen vor einem schnellen Abbau. Steht kaum noch Östrogen zur Verfügung, geht der Schutz verloren, es kann zur Osteoporose kommen. Bei Männern ist es das Hormon Testosteron, das die Knochen schützt. Bildet der Körper im Alter weniger Testosteron, kann es auch hier zu einem Knochenschwund kommen.

Sind die hormonellen Veränderungen im Alter das größte Risiko?

Nein, der größte Risikofaktor ist in allen Altersgruppen fehlende körperliche Bewegung. Wie Muskeln müssen auch Knochen ständig beansprucht werden, damit sie stabil und leistungsfähig bleiben und sich erneuern.

Welche Art körperlicher Bewegung kann Osteoporose verhindern?

Am besten ist ein Training, welches das sogenannte Achsenskelett belastet, also die Bein-, Hüft- und Wirbelsäulenknochen. Besonders gut geeignet sind Springen und Krafttraining.

Wir haben in einer Studie mit 137 Frauen 16 Jahre lang untersucht, ob ein Krafttraining eine Osteoporose verhindern kann. Die Frauen waren zu Beginn im Durchschnitt 55 Jahre alt und gerade am Beginn der Menopause. Etwas mehr als die Hälfte dieser Frauen beteiligte sich am regelmäßigen sportlichen Training. Der andere Teil war sportlich nicht aktiv. Das war die sogenannte Kontrollgruppe, mit deren Hilfe wir herausfinden wollten, wie sich eine geringere Knochendichte ohne körperliches Training entwickelt.

Ist die Studie zu eindeutigen Ergebnissen gekommen?

Ja, ein Krafttraining an Maschinen oder mit Hanteln ist sehr wirksam. Doch man muss sich dabei richtig anstrengen, um eine Wirkung auf die Knochen zu erzielen. Bei hoher Muskelspannung üben die Muskeln über die Sehnen starke Zugkräfte auf die Knochen aus. Diese mechanischen Reize regen den Knochenaufbau an. Kraftübungen tragen nur dann zum Aufbau der Knochen bei, wenn die Zugkräfte stark genug sind. Um die erforderliche Intensität zu erreichen, mussten diese relativ jungen Frauen mit recht hohen Gewichten trainieren.

Außerdem sollten die Gewichte schnell angehoben oder gedrückt, jedoch langsam wieder abgelassen werden. Es sind dann zwar nur wenige Wiederholungen zu schaffen, doch der Effekt ist sehr gut. Wer es genau wissen will: Man sollte mit Gewichten trainieren, die mindestens 70 Prozent der Maximalkraft erfordern. Das entspricht acht bis zwölf Wiederholungen mit hohem Anstrengungsgrad. Eine völlige Ausbelastung bis zur letzten gerade noch möglichen Wiederholung ist aber nicht erforderlich.

Und was hat es mit dem Springen auf sich?

Mindestens ebenso wirksam wie Kraftübungen sind Sprünge. Es hat sich gezeigt, dass der Körper neue Knochensubstanz aufbaut, wenn auf die Knochen deutlich spürbare Kräfte von außen einwirken. Wenn man springt und dann wieder auf dem Boden landet, ist das Achsenskelett, also Bein-, Hüft- und Wirbelsäulenknochen, schnellen Entlastungen beim Absprung und schnellen Kompressionsbelastungen beim Landen ausgesetzt. Diese Belastungsform regt das Knochenwachstum mit am besten an.

Seilspringen, kurze Beschleunigungen oder Aerobic mit Sprungformen sind gute Übungen, um die Knochen gesund zu halten. Dies gilt auch für etwas intensivere Tänze. Wird die erforderliche Reizschwelle überschritten, was bei diesen Stoßbelastungen der Fall ist, reichen wenige Wiederholungen aus. Viele weitere Wiederholungen haben dann keinen größeren Effekt mehr auf den Knochenaufbau.

Dann müsste ja auch eine so beliebte Sportart wie Fußball die Knochen stärken.

Das ist auch so. Fußball oder Handball, Kurzstrecken in der Leichtathletik oder Kampfsportarten, bei denen es viele Sprints, Sprünge und Zugkräfte gibt, tragen zum Knochenaufbau bei. Allerdings spreche ich hier nicht von ruppigem Wettkampfsport, der eher mit hoher Verletzungsgefahr einhergeht. Ein flottes, faires Fußballspiel hingegen ist optimal.

Wie sieht es denn mit anderen Sportarten aus?

Bestimmte Sportarten können die Knochen nicht stärken. Dazu zählen zum Beispiel Schwimmen und Radfahren. Sie halten Herz und Kreislauf fit, aber nicht die Knochen. Die Kräfte, die auf die Knochen einwirken, sind zu gering. Anders als kurze Sprints fördern Langläufe wie ein Marathon die Knochenstabilität nicht. Zwar reichen auch bei langen Läufen die Stöße beim Aufsetzen der Füße wahrscheinlich aus, um zumindest ein leichtes Knochenwachstum anzuregen, doch sehr intensives Ausdauertraining unterdrückt die Konzentration der Wachstums- und Sexualhormone im Organismus. Diese Hormone haben wie schon erwähnt auch die Funktion, Knochenmasse aufzubauen und zu schützen. Bei sehr intensiven Ausdauerbelastungen nimmt die Konzentration anaboler Hormone ab. Das kann den Knochenabbau beschleunigen und die Knochendichte vermindern.

Wie oft muss man denn zum Krafttraining?

Wir haben in unserer Frauenstudie herausgefunden, dass ein Krafttraining den Knochen nur zugute kommt, wenn mindestens zweimal pro Woche trainiert wird. Teilnehmerinnen, die weniger als zweimal pro Woche zum Training kamen, hatten am Ende keine stabileren Knochen als die Frauen aus der Kontrollgruppe, die gar nicht trainiert hatten. Bei weniger als zwei Einheiten pro Woche zeigte selbst ein intensives Training keine Wirkung. 

Was sind denn weitere wichtige Ergebnisse Ihrer Studie?

Frauen nach der Menopause profitieren generell von einem körperlichen Training. Sie gewinnen Muskel- und Knochenmasse hinzu. Bei einer Osteoporose betrifft fast die Hälfte der Knochenbrüche die Wirbelkörper. Der Aufbau neuer Knochenmasse kann das verhindern. Die Frauen der Trainingsgruppe hatten am Ende der Studie im Schnitt nur 1,8 Prozent weniger Knochenmasse als zu Beginn. Die Frauen der Kontrollgruppe, die ja körperlich inaktiv war, hatten hingegen zehn Prozent weniger Knochenmasse.

In der Trainingsgruppe lag die Zahl der Knochenbrüche im Zeitraum der Studie um rund 50 Prozent niedriger als in der Kontrollgruppe. Bei den typischen durch eine Osteoporose bedingten Frakturen der Wirbelkörper und des Oberschenkelhalses lag die Häufigkeit sogar um 63 Prozent niedriger. Das körperliche Training hat auch die Häufigkeit von Stürzen deutlich verringert. Mehr Muskelkraft erleichtert das Gehen und viele Verrichtungen im Haushalt wie Treppensteigen, das Tragen von Einkaufstaschen oder das Aufschrauben der Verschlüsse von Marmeladengläsern.

Wie ist es Ihrem Team denn gelungen, die Frauen 16 Jahre lang zu motivieren?

Anfangs waren die 137 Teilnehmerinnen im Schnitt 55 Jahre alt, am Ende über 70. In der Trainingsgruppe sind bis zum Schluss 55 Frauen dabeigeblieben, in der Kontrollgruppe 46. Die meisten hatten natürlich selbst ein starkes Interesse, bei dieser Studie mitzuwirken. Es hat sich im Laufe der Jahre jedoch herausgestellt, dass es wichtig ist, das Training abwechslungsreich zu gestalten.

Immer nur Seil zu springen oder an den Maschinen mit hohen Gewichten zu üben, raubt letztlich jede Motivation. Außerdem geht der Trainingseffekt verloren, wenn man immer nur das Gleiche macht. Daher haben wir alle zwölf Wochen die Trainingsmethode gewechselt, zum Beispiel die Höhe der Gewichte, die Wiederholungen, die Zahl der Sätze, die Länge der Pausen und auch die Übungen selbst. In der Sportwissenschaft spricht man von Periodisierung und Zyklisierung des Trainings. In den letzten Jahren der Studie haben wir angesichts des Alters der Teilnehmerinnen auch mehr Übungen fürs Gleichgewicht eingebaut.

Nach der Frauenstudie haben Ihr Team und Sie auch eine Männerstudie durchgeführt.

Inzwischen hat sich ja herumgesprochen, dass auch Männer von Knochenschwund betroffen sind. Er beschleunigt sich in der Regel ab dem 60. Lebensjahr. Um zu überprüfen, ob ein Krafttraining auch bei älteren Männern eine Osteoporose verhindern kann, haben wir eine eigene Studie auf die Beine gestellt. Zum Thema Männer und Knochenschwund gab es bislang nur acht Studien, von denen keine wirklich gute Ergebnisse gezeigt hat. Uns hat stutzig gemacht, dass diesen Studien zufolge ein Krafttraining bei Männern keinen Effekt auf die Knochen hat. Unsere Studie lief über 18 Monate. Daran nahmen 44 Männer teil, die alle über 72 Jahre alt waren, wenig Muskelmasse und bereits eine niedrige Knochendichte aufwiesen, aber alle noch zu Hause lebten.

Was ist bei der Männerstudie herausgekommen?

Auch hier hatten wir wieder zwei Gruppen: die eine als Trainingsgruppe, die andere als inaktive Kontrollgruppe. Die Trainingsgruppe absolvierte zweimal pro Woche ein Krafttraining. Am Ende konnten wir einen Zuwachs an Knochenmasse messen. Die Knochendichte profitierte in der Krafttrainingsgruppe deutlich. In der Kontrollgruppe veränderte sie sich leicht negativ.

Auch die Körperzusammensetzung der Teilnehmer hatte sich geändert. Die Trainingsgruppe hatte im Schnitt 1,73 Kilogramm mehr fettfreie Masse, wozu primär Muskeln zählen. Der Anteil des Körperfetts war hingegen gesunken. Die Kontrollgruppe hatte am Ende im Schnitt 260 Gramm fettfreie Masse weniger, was auf einen weiteren Muskelabbau hindeutet.

Bei den Männern, die trainiert hatten, konnten wir einen Kraftzuwachs der Beine von durchschnittlich 34 Prozent nachweisen. Das steigerte sich bis zum Schluss. Nach dem achten Monat gab es noch einen Zuwachs von beachtlichen 20 Prozent. Unsere Ergebnisse legen ebenfalls nahe, dass auch Männer mindestens zweimal pro Woche ein Krafttraining absolvieren sollten, um optimale Effekte für ihre Knochengesundheit zu erreichen.

Warum haben sowohl die Frauen als auch die Männer noch Nahrungsergänzungsmittel bekommen?

Das ist in klinischen Studien gerade bei einer inaktiven Kontrollgruppe aus ethischen Gesichtspunkten nötig. Bei den Nahrungsergänzungsmitteln handelte es sich um Kalzium, Vitamin D und bei den Männern zusätzlich noch Eiweiß. Das einfach auch vor dem Hintergrund, dass gerade ältere Menschen oft zu wenig Eiweiß zu sich nehmen.

Konnten Sie herausfinden, ob diese Nahrungsergänzung die Ergebnisse verbessert hat?

Das haben wir nicht nachgewiesen, doch ich denke, dass die Nahrungsergänzung zumindest einen kleinen Zusatzeffekt bewirkt hat. Bei den Männern hätte möglicherweise die Kontrollgruppe noch mehr Muskelmasse verloren, wenn die Teilnehmer nicht täglich 1,2 Gramm Eiweiß pro Kilogramm Körpergewicht zusätzlich verzehrt hätte. Und damit der wichtigste Knochenbaustein Kalzium überhaupt in die Knochen gelangt, ist Vitamin D unverzichtbar.

Unsere Studien zeigen jedoch deutlich, dass hauptsächlich das Training Osteoporose verhindern oder deutlich verzögern kann. Natürlich ist eine ausgewogene Ernährung wichtig. Die Lebensmittel sollten reich an Vitamin D und Kalzium sein. Gut sind Milchprodukte, grünes Gemüse, Hülsenfrüchte, Nüsse und kalziumhaltiges Mineralwasser. Hingegen sollte man Lebensmittel mit einem hohen Phosphatgehalt meiden. Phosphat behindert die Kalziumaufnahme. Daher sollte man bei phosphathaltigen Produkten wie Wurst, Softdrinks, Fast Food oder Schmelzkäse zurückhaltend sein.

Lassen sich aus den Ergebnissen Ihrer Studien auch Empfehlungen für jüngere Menschen ableiten?

 Der Verlauf einer Osteoporose: Durch den fortwährenden Abbau von Kalzium im Knochen werden die Rinde sowie die Bälkchen im Inneren immer dünner. Schon ab 35 schwinden Jahr für Jahr 0,5 bis ein Prozent der Knochemasse.

Der Verlauf einer Osteoporose: Durch den fortwährenden Abbau von Kalzium im Knochen werden die Rinde sowie die Bälkchen im Inneren immer dünner. Schon ab 35 schwinden Jahr für Jahr 0,5 bis ein Prozent der Knochemasse.

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 Männer über 70 erzielen durch regelmäßiges Krafttraining einen deutlichen Zuwachs an Muskel- und sogar Knochenmasse.

Männer über 70 erzielen durch regelmäßiges Krafttraining einen deutlichen Zuwachs an Muskel- und sogar Knochenmasse.

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 Professor Dr. Wolfgang Kemmler ist einer der renommiertesten Osteoporoseforscher weltweit.

Professor Dr. Wolfgang Kemmler ist einer der renommiertesten Osteoporoseforscher weltweit.

Foto: Wolfgang Kemmler/privat

Intensive Achsenbelastung mit schneller Ent- und Belastung, wie sie beispielsweise beim Rennen, Toben, Springen sowie bei Ballspielen auftreten, fördern schon bei Kindern das Knochenwachstum optimal. Es wird mehr Knochensubstanz gebildet, der Mineralgehalt und die Knochendichte werden erhöht. Bei körperlich inaktiven Kindern leidet nicht nur das Herz-Kreislauf-System, sondern auch die Knochenstabilität. Regelmäßige sportliche Betätigung von Kindesbeinen an ist also sehr sinnvoll.

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