Studie: Biosprit schuld an hohen Agrarpreisen

London. Für das enorme Ansteigen der Nahrungsmittelpreise wird in einer angeblich geheim gehaltenen Studie der Weltbank die massenweise Erzeugung von Biokraftstoff maßgeblich verantwortlich gemacht

London. Für das enorme Ansteigen der Nahrungsmittelpreise wird in einer angeblich geheim gehaltenen Studie der Weltbank die massenweise Erzeugung von Biokraftstoff maßgeblich verantwortlich gemacht. Bis zu 75 Prozent der Preissteigerungen seien danach auf den Verbrauch von Agrarprodukten und -flächen für die Herstellung von so genanntem Biodiesel zurückzuführen, berichtete die Zeitung "The Guardian". "Ohne den Zuwachs bei Biokraftstoffen wäre das weltweite Getreide- und Maisaufkommen nicht so spürbar zurückgegangen und Preissteigerungen durch andere Faktoren wären nur moderat ausgefallen", zitierte die Zeitung aus der Studie. Höhere Energie- und Düngemittelpreise seien seit Anfang 2002 bis Februar 2008 lediglich zu 15 Prozent am Steigen der Nahrungsmittelpreise beteiligt gewesen, während die Hauptursache dafür der Ausbau der Biodiesel-Erzeugung sei. Der bereits im April fertig gestellte Weltbank-Bericht wurde nach Überzeugung von Entwicklungshilfe-Experten unter Verschluss gehalten, um die Regierung von US-Präsident George W. Bush nicht zu brüskieren. Die Einschätzungen der Studie stünden im Gegensatz zu Behauptungen der US-Regierung, wonach die Erzeugung pflanzlicher Kraftstoffe lediglich zu weniger als drei Prozent an den Agrarpreissteigerungen beteiligt sei. "Politische Führer scheinen darauf bedacht zu sein, die Beweise dafür zu unterdrücken, dass Biokraftstoff ein Hauptfaktor der jüngsten Steigerung der Nahrungsmittelpreise ist", sagte Robert Baily, politischer Berater der Hilfsorganisation Oxfam. Steigende Nahrungsmittelpreise haben nach Schätzungen internationaler Hilfsorganisationen dazu geführt, dass in den letzten Jahren weltweit zusätzlich etwa 100 Millionen Menschen in Armut gesunken sind. Nach Einschätzung des "Guardian" könnten die neuen Erkenntnisse der Weltbank Regierungen in den USA und Europa unter Druck setzen, die eine verstärkte Biokraftstoff-Verwendung zur Verringerung des Kohlendioxid-Ausstoßes sowie der Abhängigkeit vom Erdöl befürworten. Allein in den USA gehen in diesem Jahr rund 30 Prozent der Maisernte in die Produktion von Ethanol, berichtet das Institut der deutschen Wirtschaft unter Berufung auf das International Food Policy Research Institute. Die Weltbank-Studie widerspreche auch der Position, wonach das Steigen der Nahrungsmittelpreise auf die höhere Nachfrage in Ländern wie China und Indien zurückzuführen sei. "Eine erhebliche Steigerung des Einkommens in Entwicklungsländern hat nicht zu einer großen Erhöhung des weltweiten Verbrauchs von Getreide geführt und ist kein wichtiger Faktor für die starken Preissteigerungen." dpa Meinung

Teller statt Tank

Von SZ-RedakteurVolker Meyer zu Tittingdorf Das Ergebnis der Studie überrascht kaum, spektakulär ist ihre politische Brisanz. Wenn die Weltbank die Untersuchung wirklich mit Rücksicht auf den US-Präsidenten unter Verschluss hielt, stehen George W. Bush und alle Befürworter des Biosprits als skrupellose Egoisten da, denen der Wohlstand der reichen Länder über alles geht, der zunehmende Hunger in der Welt jedoch egal ist. Doch unabhängig davon, das Wort der Weltbank hat ein großes Gewicht in der Politik und bewirkt mehr als Kritik von Hilfsorganisationen. Durch die Studie wächst der Druck auf alle Staaten, die in Biokraftstoffen einen Beitrag zur Lösung der Energie-Krise und der Klima-Probleme sehen. Und eines wird inzwischen immer deutlicher: Öl aus Lebensmitteln gehört nicht in den Tank.

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