Strommarkt statt Kraftwerke

Brüssel · Zwölf EU-Staaten bauen eine Energie-Union und wollen sich gegenseitig mit Stromlieferungen aushelfen. Dadurch sollen regionale Schwankungen in der Erzeugung ausgeglichen werden.

Es ist der Beginn einer tiefen Freundschaft voller Energie: Deutschland und elf weitere Länder der EU haben gestern eine engere Zusammenarbeit bei der Stromversorgung vereinbart. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD ) sprach von einer "Zeitenwende in der Energiepolitik ". Künftig wollen die Bundesrepublik, Belgien, Dänemark, Frankreich, Luxemburg, Niederlande, Norwegen, Österreich, Polen, Schweden, die Schweiz und Tschechien Elektrizität auf einem freien Markt untereinander austauschen. In einem Papier des Bundeswirtschaftsministeriums heißt es dazu als Beispiel: "So tritt in Italien die jährliche Höchstlast im Sommer auf, da der Verbrauch von Klimaanlagen in diesen Monaten stark ansteigt. Die deutsche Höchstlast hingegen tritt in den Wintermonaten auf." Man kann die jeweiligen Höchstbelastungen besser ausgleichen - mit entsprechenden Folgen für die eigene Energieinfrastruktur. "Wenn man immer nur national hinschaut, dann muss man auf den Tag bauen, an dem sozusagen die Last am höchsten ist", sagt Gabriel. "Wenn man aber regional zusammenarbeitet, dann kann man sich gegenseitig aushelfen."

Deutschland hat an solch einem Ausgleich wegen der Energiewende großes Interesse, weil bisher die Energieversorger als Reserve für Schwankungen bei der Erzeugung teure Kraftwerke vorhalten müssen. Die europäische Zusammenarbeit unter dem Stichwort "Energie-Union" soll dies überflüssig machen. Miguel Arias Canete, Brüssels Kommissar für die Energiepolitik , begrüßte denn auch die Unterzeichnung der Vereinbarung: "Die Staaten haben sich verpflichtet, die Versorgungssicherheit durch eine weitere Marktintegration zu verbessern." Was das konkret heißt, wird im Bundeswirtschaftsministerium so veranschaulicht: "Wenn an einem Standort wenig Wind weht, können Windanlagen oder auch andere Erneuerbare-Energien-Anlagen an anderen Standorten diese Flaute teilweise ausgleichen. Davon profitieren alle EU-Staaten."

Die Europäische Kommission , die für 2016 neue Vorschläge zur Gestaltung des Strommarktes in der gesamten EU vorbereitet, ist sich sicher, dass weitere Mitgliedstaaten dem neuen Verbundsystem beitreten werden. Schon jetzt, so heißt es, hätten die bisher im Ostsee-Raum zusammenarbeitenden Länder ihre bisherige "Isolation" aufgegeben und den Zusammenschluss mit der übrigen Gemeinschaft gesucht. Dieser Trend werde weitergehen. Für den Verbraucher, so zeigten sich die Minister in Luxemburg überzeugt, werde diese Energie-Union ebenfalls Erleichterungen bringen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort