Stromhandel im Minutentakt: VSE verdient an Herausforderungen der Energiewende

Saarbrücken · Der Versorger VSE stellt dann Strom zur Verfügung, wenn die Sonne nicht scheint und beim Wind Flaute herrscht. Dafür können viele kleine Erzeuger zu einem „virtuellen Kraftwerk“ zusammengeschaltet werden.

 Der VSE-Handelsraum für Strom in Saarbrücken ist täglich rund um die Uhr besetzt. Foto: VSE

Der VSE-Handelsraum für Strom in Saarbrücken ist täglich rund um die Uhr besetzt. Foto: VSE

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"Die Herausforderungen der Energiewende sind groß, aber sie eröffnen auch neue Geschäftsfelder." Hanno Dornseifer, Vorstand des Versorgungsunternehmens VSE, sonst eher ein kritischer Begleiter des Wandels in der Stromwelt, hat für sein Unternehmen Nutzen daraus gezogen. Vor einigen Jahren hat die VSE beim Strom damit begonnen, den so genannten Minutenreserve-Markt für sich zu erschließen und damit Geld zu verdienen. Das tut sie offenbar so erfolgreich, dass der Elektrotechnik-Konzern Siemens darauf aufmerksam wurde und das VSE-Stromhandelssystem als eines von drei Positiv-Beispielen in seine neue Image-Kampagne "Ingenuity for life (Einfallsreichtum fürs Leben)" eingebaut hat (siehe Artikel unten).

Der Minutenreserve-Markt ist ein wichtiges Element der Energiewende , weil Strom, der aus Wind und Sonne erzeugt wird, im Netz Vorfahrt hat. Allerdings scheint die Sonne in Deutschland nicht allzu häufig, und es herrscht öfter Windstille. Dennoch wird auch in dieser Zeit mal mehr, mal weniger elektrische Energie nachgefragt, die von den Netzbetreibern jederzeit zuverlässig zur Verfügung gestellt werden muss - so genannte Regelenergie. Daher müssen sie punktuell Strom aufkaufen können.

Aus diesem Grund hat die VSE in den vergangenen Jahren auf der Basis von Siemens-Tenchologie ein "virtuelles Kraftwerk" aufgebaut, dessen Strom sie binnen kurzer Zeit abrufen und anbieten kann, wenn nicht genügend Öko-Energie im Netz vorhanden ist. Der Strom, der in diesen Pool eingespeist wird, kommt aus ganz Deutschland. Lieferanten sind Stadtwerke, Industriebetriebe, Betreiber von Biomassekraftwerken oder Krankenhäusern, die ein Notstrom-Aggregat im Keller stehen haben. Wünschenswert ist, dass diese Anlagen über eine Leistung von mindest einem Megawatt (MW) verfügen. "Mittlerweile können wir aber auch Kleinanlagen mit einer Leistung von weniger als einem MW zuschalten", sagt Michael Dewald, der bei der VSE für diesen Handelspool zuständig ist. Inzwischen stehen bundesweit rund 350 MW "Gewehr bei Fuß", die bei Bedarf zu- und abgeschaltet werden können. "Fast täglich kommen neue Anbieter hinzu", erzählt VSE-Vorstand Dornseifer. "Das Geschäftsmodell trägt sich von selbst, Wachstum ist programmiert", sagt er. "Je größer der Anteil des Öko-Stroms im Netz wird, desto öfter müssen wir einspringen."

Die Mitarbeiter im Handelsraum beobachten auf ihren Computer-Bildschirmen jeden Tag rund um die Uhr die Entwicklung, sehen, wieviel Wind und Sonnenstrom eingespeist wird und wie hoch die Nachfrage der Verbraucher ist. Ganz nebenbei sind sie zu Wetterfröschen mutiert, analysieren die Prognosen der Wetterdienste für Windstärke, Sonneneinstrahlung oder Temperatur. Ganz wichtig sind die Preise, die für diesen Minutenstrom geboten werden. "Wir müssen darauf achten, dass wir mit unserem Pool-Angebot dann ins Geschäft kommen, wenn gutes Geld bezahlt wird", sagt Dewald. Abnehmer des Stroms sind die Betreiber der großen Überland-Leitungen: Amprion , Tennet , 50Hertz und TransnetBW.

Neben diesem Minutenmarkt existiert noch der so genannte Sekundärmarkt. Auf diesem melden die Netzbetreiber ihren voraussichtlichen Bedarf für den nächsten Tag und starten eine Stromauktion. Die Handelshäuser wie der VSE-Pool können dort ihr Gebot bis zehn Uhr abgeben. Danach ist Schluss.

Seit einem guten Jahr verfügt die VSE auf dem Gasmarkt über eine ähnliche Handelsplattform. Dort ist der so genannte Optimierungspool auf eine Leistung von 290 MW angewachsen. Hierbei nutzt die VSE als Puffer etliche Kugelgasbehälter, über die viele Stadtwerke noch verfügen und die häufig nicht mehr benötigt werden. Abnehmer dieser flexiblen Gasreserven sind die Betreiber der Überlandnetze, nämlich Net-Connect Germany (NCG) und Gaspool. Die neue Image-Kampagne des Elektrotechnik-Konzerns Siemens "Ingenuity for life (Einfallsreichtum fürs Leben)" will zeigen, wie "Herausforderungen der modernen Energielandschaft gemeistert werden können" und welche Chancen in Vernetzung und Digitalisierung stecken.

An drei Beispielen demonstrieren die Gestalter des Internet-Auftritts mit Texten, Grafiken, Bildern und kurzen Filmen, wo die Siemens-Vorstellungen für die Welt von morgen bereits umgesetzt sind. Am Beispiel VSE sind das "intelligente Technologien für eine stabile Stromversorgung, die mit der Dynamik von Wind und Sonne zurechtkommt". Beispiel zwei ist das Verkehrsleitsystem der Stadt Böblingen, wo die Ampeln so geschaltet sind, dass die städtischen Busse und die Feuerwehr Vorfahrt haben und der Verkehr reibungsloser fließt. Das dritte Beispiel ist der Maschinenbau er Optima Consumer (Schwäbisch Hall). Er hat zusammen mit Siemens eine Abfüll-Maschine entwickelt, die auch kleine Serien mit hoher Produktivität bewältigt. Gezeigt wird das am Beispiel des Kosmetikherstellers Dr. Kurt Wolff (Alpecin Shampoo). Die gesamte Kampagne ist im Internet zu finden.

siemens.com/

ingenuity-for-life/de/

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