Streit um Transaktionssteuer

Brüssel. Der Bundesbank-Präsident war voll des Lobes: "Deutschland ist die Wachstums-Lokomotive im Euro-Raum", sagte Axel Weber gestern vor den Finanzministern und Notenbank-Chefs der EU in Brüssel. Wie zur Bestätigung korrigierte die Bundesregierung gleichzeitig ihre Defizit-Prognose für 2010 von 4,5 auf vier Prozent nach unten

Brüssel. Der Bundesbank-Präsident war voll des Lobes: "Deutschland ist die Wachstums-Lokomotive im Euro-Raum", sagte Axel Weber gestern vor den Finanzministern und Notenbank-Chefs der EU in Brüssel. Wie zur Bestätigung korrigierte die Bundesregierung gleichzeitig ihre Defizit-Prognose für 2010 von 4,5 auf vier Prozent nach unten. Gute Nachrichten waren gesucht am zweiten Tag dieses informellen Treffens ohne Beschlüsse, nachdem der erste von negativen Schlagzeilen aus Irland, Spanien und Portugal überschattet wurde. So wandte man sich nur allzu gerne einem Papier des österreichischen Finanzministers Josef Pröll zu, der die umstrittenen Finanztransaktionssteuer zu einem Konzept ausgearbeitet hatte. Seine Idee: Besteuert man europaweit alle Aktien, Schuldverschreibungen und Derivate, also beispielsweise Wetten auf Rohstoffpreise, mit 0,01 bis 0,05 Prozent, könnten bis zu 250 Milliarden Euro an Einnahmen erzielt werden - ohne die Realwirtschaft zu schädigen. Gehalts- und Sparkonten sollen ausdrücklich ausgenommen werden. Doch die Gegner wie Schwedens Finanzminister Anders Borg blieben hart: "Keine Chance ohne weltweite Ausdehnung", kommentierte er. Auch die Regulierung der spekulativen Hedge-Fonds kommt nicht voran. "Es gibt keinen Durchbruch", sagte Finanzstaatssekretär Jörg Asmussen. Die Europäer mühen sich mit einem Kompromiss ab, den sie ihren globalen Partnern vermitteln können. Dabei geht es vor allem um die Frage, ob Fonds aus einem Drittland in allen EU-Ländern eine Zulassung brauchen oder ob eine Zertifizierung in einem Staat für die ganze Union reicht. Ein Kompromiss soll möglichst bis Mitte November erreicht werden, wenn die nächste Runde der G20 zu Finanzmarkt-Reformen tagt. Deshalb bastelt die EU bereits an Angeboten, um die internationalen Partner zu Zugeständnissen zu bewegen. So bot man jetzt den Schwellenländern, aber auch den USA und China an, bei der anstehenden Reform des Internationalen Währungsfonds den europäischen Einfluss zurückzunehmen. Bislang gibt es eine Absprache, der zufolge der IWF-Chef (derzeit der Franzose Dominique Strauss-Kahn) grundsätzlich ein Europäer sein muss, während den USA der Präsidentenstuhl der Weltbank vorbehalten ist. Künftig soll allein die persönliche Qualifikation für den IWF-Chefposten den Ausschlag geben. Angesichts der globalen Verschiebungen und der aufkommenden Bedeutung der Schwellenländer zeigten sich die Finanzminister bereit, einige ihrer neun Mandate im Exekutivdirektorium (24 Mitglieder) aufzugeben, wobei die drei großen Beitragszahler Deutschland, Frankreich und Großbritannien auf ihren ständigen Sitzen bestehen. Dafür solle ein kleineres Land (Belgien, Niederlande, Schweiz, Dänemark, Spanien oder Italien) verzichten und für China, Brasilien oder Indien Platz machen. Eine Woche vor Beginn der Generalversammlung von IWF und Weltbank hat die EU damit eine Position eingenommen, für die man - wie es in Brüssel hinter den Kulissen hieß - bei der nächsten G20-Finanzkonferenz durchaus "eine Gegenleistung verlangen" könne. Meinung

Ruhe als erste Pflicht

Von SZ-RedakteurLothar Warscheid Nachdem die EU in den vergangenen Wochen bei der künftigen Regulierung der Finanzaufsicht kräftig vorgelegt hat, machen sich nun Ermüdungserscheinungen bemerkbar. Bei Themen wie der Finanztransaktionssteuer oder der Regulierung von Hedge Fonds lässt sich nur schwer eine einheitliche Phalanx aufbauen. Solche Regelungen müssten, wenn sie Erfolg haben sollen, außerdem weltweit beschlossen werden. Hier stehen die Chancen denkbar schlecht. Zurzeit ist man eher darauf bedacht, Ruhe in die Märkte zu bringen, nachdem die Überschuldung des Euro-Staates Irland für neue Turbulenzen gesorgt hat. Denn ein zweites Griechenland kann man am wenigsten gebrauchen.

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