Streit um dienstunfähige Lokführer

Berlin · Die Lokführer-Gewerkschaft GDL und die Bahn streiten heftig über den Umgang mit dienstunfähigen Mitarbeitern. Weil die Fronten verhärtet sind, könnte die kleine GDL die Republik bald lahmlegen.

Lokomotivführer ist ein besonderer Job. Man kann ihn aus Gründen verlieren, die nichts mit der eigenen Leistung zu tun haben. Zum Beispiel, weil man die regelmäßigen Tauglichkeitsprüfungen nicht mehr besteht, etwa wegen einer Sehstörung. Oder weil einem ein Selbstmörder vor den Zug gesprungen ist. Als sich der Torwart von Hannover 96, Robert Enke, 2009 vor eine Bahn warf, kostete das nicht nur ihn das Leben. Im Monat danach verdoppelte sich wegen des Nachahmungseffektes die Zahl der Suizide auf der Schiene inklusive Nahverkehr bundesweit auf 121 statt der üblichen 53. Und 122 Zugführer waren innerhalb eines Monats mit der Erfahrung konfrontiert, einen Menschen totgefahren zu haben. Nicht alle verkraften das.

Bei der Deutschen Bahn werden jährlich rund 150 der insgesamt 20 000 Lokomotivführer dauerhaft untauglich für den Job. 30 von ihnen wegen Traumatisierungen. Mit diesen, das erkennt auch die Lokomotivführergewerkschaft GDL an, geht der Konzern schon bisher sehr fürsorglich um. Es gibt psychologische Betreuung, Umschulungen, Arbeitsangebote vorrangig in der Region zum bisherigen Gehalt (allerdings ohne Schichtzulagen) und, wenn all das nichts hilft, auch Abfindungen.

Bald Betriebsratswahlen

Das alles gilt für jene, die aus anderen gesundheitlichen Gründen nicht mehr fahren können, allerdings nur mit Abstrichen. Und hierin liegt der Tarifkonflikt begründet, der demnächst dazu führen könnte, dass Deutschland lahmgelegt wird. Bis kommenden Dienstag hat die GDL dem Konzern Zeit gegeben, sein Angebot nachzubessern. Die GDL erhebe immer neue Forderungen, heißt es von der Bahn. Einen Mitarbeiterschutz, wie man ihn angeboten habe, gebe es "sonst nirgendwo auf der Welt". Die Bahn wolle offenbar den Arbeitskampf, entgegnen die Lokomotivführer. Sie werde ihn bekommen.

Die GDL verlangt eine Art lebenslange Jobgarantie für jeden, der aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr fahren kann. Und zwar will sie, dass ein Job zu gleichen Konditionen in der jeweiligen Region des Mitarbeiters angeboten wird und er nicht wie rund ein Drittel der Betroffenen bundesweit innerhalb des Konzerns vermittelt wird. Diese regionale Arbeitsplatzgarantie soll auch für die rund 115 Lokomotivführer gelten, die jedes Jahr ihren Arbeitsplatz verlieren, weil die Bahn Ausschreibungen gegen Wettbewerber verloren hat.

Der Konzern ist bereit zu weitgehenden Regelungen, aber nur für eine Dienstunfähigkeit, die "im Rahmen der Tätigkeit" erlitten wurde. Also durch eine Traumatisierung zum Beispiel durch einen Arbeitsunfall. Die Gewerkschaft will aber ausdrücklich auch jene einbezogen wissen, die anderweitig arbeitsunfähig werden, sei es durch eine Krankheit oder durch einen Unfall in der Freizeit, etwa beim Sport.

An diesem Punkt sind die Verhandlungen vorerst gescheitet. Es geht jetzt zwar nur noch um eine relativ kleine Zahl von dienstunfähig gewordenen Lokführern, aber ums Prinzip. Denn im Mai sind bei der Bahn Betriebsratswahlen.

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