Streit um die „Flexi-Rente“

Berlin · Der Übergang in die Rente soll flexibler werden. Darüber ist man sich in der Koalition einig. Doch was „flexibel“ bedeutet, ist umstritten. Sollen Arbeitnehmer schon mit 60 Teilrente beziehen können? Oder soll es einfacher werden, länger zu arbeiten?

Nach der Reform ist vor der Reform: Fünf Wochen nach Verabschiedung des umstrittenen Rentenpakets werden sich heute im Bundesarbeitsministerium ein Dutzend Parlamentarier von Union und SPD mit Ressortchefin Andrea Nahles (SPD ) treffen. Anlass ist die Gründung einer Arbeitsgruppe, die bis zum Herbst "flexible Übergänge in den Ruhestand " ausloten soll.

Das Gremium ist ein Trostpflaster für den Wirtschaftsflügel der Union, der nur widerwillig der Rente mit 63 zugestimmt hatte. Nun sind weitere Konflikte programmiert. Zumal in der Arbeitsgruppe auch Vertreter der Gewerkschaften und Arbeitgeber mit am Tisch sitzen sollen. Und die haben wie Union und SPD ganz unterschiedliche Vorstellungen beim Thema Flexibilisierung. Der DGB und die Sozialdemokraten machen sich für einen gleitenden Renteneintritt schon ab 60 stark. Derweil wollen Arbeitgeber und Union mit Blick auf die demografische Entwicklung das Arbeiten nach Erreichen des Rentenalters attraktiver gestalten - "Flexi-Rente" heißt ihr Zauberwort.

"Die Diskussion um Beschäftigungsmöglichkeiten nach dem Renteneintrittsalter ist völlig überflüssig, weil das auch heute kein Gesetz verbietet", sagte dagegen DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach gestern unserer Zeitung. Der DGB schlägt vor, dass Arbeitnehmer nicht wie bisher frühestens mit 63, sondern schon mit 60 Jahren eine Teilrente beziehen und parallel dazu verkürzt weiter arbeiten können. Die Teilrente steht bereits seit 1992 im Gesetzblatt, wird aber gegenwärtig nur von 3000 Personen genutzt. Bei rund 20 Millionen Rentnern eine lächerliche Zahl. Ursachen für das Schattendasein der Teilrente sind eine komplizierte Berechnung und starre Zuverdienstgrenzen. Grundsätzlich wird eine Teilrente zu einem Drittel, zur Hälfte oder zu zwei Dritteln der vollen Rente gewährt. Doch wenn die Zuverdienste diese Grenzen nur um einen Cent überschreiten, fällt die Teilrente gleich um eine Stufe niedriger aus. Das wollen die Gewerkschaften ändern "Für eine neue Teilzeitkultur im Alter braucht es einen verbesserten Rechtsanspruch auf Teilzeit, eine neue Altersteilzeit, höhere Hinzuverdienstgrenzen und mehr Flexibilität bei der Teilrente", erläuterte Buntenbach.

Auch in der Union hält man Verbesserungen bei der Teilrente für geboten. Aber daraus soll kein Frühverrentungsprogramm werden. "Flexibilität darf nicht bedeuten, noch eher aufhören zu können", sagte der Chef der Arbeitnehmergruppe in der Unionsfraktion, Peter Weiß, der auch Mitglied der künftigen Arbeitsgruppe ist. Eine Teilrente schon mit 60 könnten sich wegen der hohen Abschläge ohnehin nur Gutverdiener leisten. Sein Modell: Bei der Teilrente ab 63 soll es bleiben, aber mit der Möglichkeit eines Arbeitseinkommens bis zur Höhe des letzten Vollzeitlohns. Obendrein sei es notwendig, die Renten bei Weiterarbeit über das reguläre Rentenalter hinaus zu verbessern. Dafür sollten künftig auch Rentenbeiträge des Arbeitnehmers fällig werden. Für beschäftigte Rentner führt bislang nur der Arbeitgeber Beiträge ab. Beim späteren Ruhestand gäbe es dann einen Rentenzuschlag, mit dem die Abschläge durch die vormalige Teilrente ausgeglichen werden könnten, erklärte Weiß gegenüber unserer Zeitung.

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