Stille Nacht, tödliche Nacht

Saarbrücken. Andreas Jaschke hat sich mit "Die Unbedingten" einen historischen Stoff vorgenommen: den Mord an dem Dichter Kotzebue 1819 durch einen Studenten aus Jena. Sein Film ist erstaunlich aufwendig und detailgetreu ausgestattet, mit gut gewählten Schauplätzen.Von den starken Darstellern lebt "Kriegerstock" von Joseph Lippok

Saarbrücken. Andreas Jaschke hat sich mit "Die Unbedingten" einen historischen Stoff vorgenommen: den Mord an dem Dichter Kotzebue 1819 durch einen Studenten aus Jena. Sein Film ist erstaunlich aufwendig und detailgetreu ausgestattet, mit gut gewählten Schauplätzen.

Von den starken Darstellern lebt "Kriegerstock" von Joseph Lippok. Michael und Elisabeth Degen spielen Vater und Tochter, es geht um den schwierigen Umgang mit dem Älterwerden und Demenz. Eine gute Grundidee, überzeugend gespielt.

"Wie Matrosen" heißt der Film von Jesper Petzke - und wie Leichtmatrosen schaukeln seine Hauptfiguren durchs Leben, haben ihren festen Platz noch nicht gefunden. Im Zentrum steht der DJ Mark, dessen Freundin in München gerade eine gemeinsame Wohnung sucht, während er in Berlin eine junge Kanadierin trifft. Eine neue Liebe? Oder nur eine flüchtige Begegnung? Ein melancholischer Film mit schöner Musik.

Mit nackten Tatsachen und entwaffnenden Sprüchen wartet Jasper Beutin in "Endlich jetzt" auf. Er erzählt drei unterschiedliche Episoden, setzt auf überraschende Wendungen und freche Dialoge (köstlich wie immer: Simon Schwarz). In seinen kleinen bruchstückhaften Beziehungskisten trifft er aber nicht immer den richtigen Ton. Aber: gute Ansätze.

Rundherum gelungen, schön ausgedacht und mit augenzwin- kerndem Humor erzählt ist "Freunde von früher" von Tim Moeck. Es geht um einen Kunstsammler, seine Kindheit und eine unerfüllte Jugendliebe. Der Film mit Dominic Raacke und Sergej Moya ist in Rückblenden erzählt - mit stimmungsvollen Bildern und ebensolcher Musik. tr

Gewalt zieht sich als Thema durch einige Filme: Da ist "Gisberta" von Lisa Violetta Gaß, die einen Schüler in die Sadismus-Falle einer Jungs-Clique gehen lässt: etwas schematisch aufgebaut (blonde Unschuld gegen pornoschauende Monster), aber packend erzählt und im Verzicht auf ein Happy End konsequent.

In "Glasfasern" von Alexandra Schröder will eine Studentin einen 13-Jährigen vor der Gewalt seines Vaters schützen - "Sie wollen mich anzeigen? Versuchen Sie's doch!" Eine beklemmende Geschichte, betont ruhig und äußerlich unspektakulär erzählt, was ihre Wirkung noch verstärkt - ein stiller, souveräner Film.

Ein in sich gekehrter Professor, der die seltenen Annäherungen von Kollegen oder Studenten verbal wegbeißt; eine Studentin (Anna Maria Mühe), die nur in ihrer Internet-Persönlichkeit "Ms Bingo" komplett aus sich heraus geht: "Live Stream" von Jens Wischnewski erzählt die Geschichte zweier Gehemmter, die auf unterschiedliche Weise in die scheinbare Anonymität des Internet flüchten. Ein Film mit beklemmender Atmosphäre, edel fotografiert und mit einer herrlich spröden Darstellung von Matthias Brandt als Dozent.

Eine kleine böse Geschichte erzählt "Wolf unter Schafen": Was macht ein Polizist bei einer Geiselnahme, wenn er erkennt, dass der Geiselnehmer der eigene Sohn ist? Der Vater entscheidet sich für eine ungesetzliche Lösung, was ihm viel Flexibilität abverlangt. Alex Eslam schildert das mit düsteren Bildern und mit Darsteller Christian Näthe, dem Mörder aus "Die Unbedingten".

Einer der originellsten Filme ist "Wie alles endet": Um einen Bestattungsunternehmer geht es, der über 30 ist, gerne aber ein ewiger Teenie bliebe, mit Wein, Weib und Gesang. Als eine Kurzbekanntschaft schwanger wird, naht der Ernst des Lebens. Davon erzählt Kai Seeking mit Witz, manchmal schräger Optik, einfallsreichen Szenenübergängen und oft rustikalem Humor. Die Fassung, die zur Besprechung vorlag, war noch nicht die ganz fertige - aber der Film funktioniert auch so. Beides gilt ebenfalls für "The Night Father Christmas Died". Im Neonglanz der Großstadt springt ein Weihnachtsmann vom Hochhausdach und kracht in einen Kleinwagen. Wie es dazu kommt, erzählt der Film als Rückblende, in der ein paar einsame Seelen an Heiligabend stranden: eine vereinsamte Sängerin, ein russischer Berufsmörder und ein Mann, der sich als Weihnachtsmann verdingt, um unter Menschen zu sein. Martin Schreier (Regie und Buch) geht bei dieser Schicksalsverknüpfung in die Vollen: makabrer Humor, Action, eine Himmelserscheinung, Engelschöre und der Mut zu ganz großen Gefühlen. tok

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