Steinbrücks Entgleisungen

Meinung · Der Respekt verbietet den Vergleich eines Ministers mit dem berühmten Elefanten im Porzellanladen. Dabei wäre er jetzt angebracht. Denn was Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) in den letzten Wochen an verbalen Entgleisungen gegen Deutschlands Nachbarn vom Stapel lässt, hat mit seinem berechtigten Kampf gegen Steueroasen nichts mehr zu tun

Der Respekt verbietet den Vergleich eines Ministers mit dem berühmten Elefanten im Porzellanladen. Dabei wäre er jetzt angebracht. Denn was Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) in den letzten Wochen an verbalen Entgleisungen gegen Deutschlands Nachbarn vom Stapel lässt, hat mit seinem berechtigten Kampf gegen Steueroasen nichts mehr zu tun. Beleidigungen waren noch nie ein Stilmittel der Diplomatie, für eine Auseinandersetzung im Kreis befreundeter Länder verbieten sie sich. Unsere luxemburgischen, österreichischen, Liechtensteiner und Schweizer Nachbarn haben allen Grund, sauer zu sein. In der Sache bringt Steinbrück weder sein Anliegen voran, noch steigert er die Einsicht der Kritisierten. Das ist letztlich der schwerste Vorwurf.Man kann darüber streiten, ob die als Steueroasen gescholtenen EU-Freunde zu Recht als Dorado für Abgabensünder gelten. Tatsache ist aber, dass Deutschland und andere Staaten seit Jahren bemüht sind, Schlupflöcher für Anleger zu schließen - und stets auf das brüske Nein der Partner stießen. In der viel beschworenen europäischen Familie, als die vor allem die Finanzminister der Union gerne dargestellt werden, hätte man sich deutlich früher ein Aufeinanderzugehen gewünscht. Jetzt aber ist das Thema eskaliert. Es geht nicht mehr nur um die Bewertung der Steuergesetze oder um Streit unter den beteiligten Ministern. Denn Luxemburg hat seine Zusammenarbeit mit den deutschen Finanzbehörden zugesagt, die deutsche Regierung aber hat alle Absprachen mit dem Nachbarn gebrochen, als sie zuließ, dass Luxemburg (und andere) bei der Weltfinanzkonferenz in London doch auf der Liste der Zufluchtsorte für Steuersünder landete. Als die Bundeskanzlerin dann auch noch ihren Finanzminister polternd von der Leine ließ, hatte sich das Problem zu einem Zwischenfall ausgewachsen, auf den Luxemburgs Premier Jean-Claude Juncker mit Recht verbittert reagierte. Gehen so befreundete Staaten miteinander um, die gleichzeitig im Wahlkampf um das Europäische Parlament von gemeinsamen Werten sprechen? Sicherlich nicht. Es mag ja nachvollziehbar sein, dass sozialdemokratische Politiker gerne mit dem Neid auf die, die sich Steuerflucht leisten können, Stimmenfang betreiben wollen. Aber das rechtfertigt nicht, schwere außenpolitische Belastungen zu provozieren. Europas wichtigster Wert ist die Solidarität der kleinen mit den großen Staaten und umgekehrt. Bundeskanzlerin Angela Merkel wird nicht ernsthaft wollen, dass an der Verlässlichkeit Deutschlands, diese Werte zu achten, Zweifel aufkommen.

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