Stahlindustrie ordnet Führung neu

Völklingen/Dillingen · Die Aufsichtsräte der saarländischen Stahlindustrie entscheiden heute und morgen, wie die Nachfolge von Karlheinz Blessing geregelt wird. Außerdem gibt Aufsichtsrats-Chef Michael Müller eine Erklärung ab.

 Produktion in der Dillinger Hütte: Die saarländische Stahlindustrie steht vor wichtigen Weichenstellungen. Foto: Dillinger Hütte

Produktion in der Dillinger Hütte: Die saarländische Stahlindustrie steht vor wichtigen Weichenstellungen. Foto: Dillinger Hütte

Foto: Dillinger Hütte

Die Aufsichtsräte der saarländischen Stahlindustrie treffen sich heute und morgen zu ihren Frühjahrssitzungen. Normalerweise ist das ein Routine-Termin. Diesmal ist es anders. Zum einen soll eine Top-Personalie geklärt werden. Zum anderen muss Michael Müller , Aufsichtsratschef sowohl der Dillinger Hütte als auch der Saarstahl AG, Rede und Antwort in der Frage stehen, was es mit seinen Aktivitäten als Firmengründer eines Versicherungsmaklers, der Saarbrücker Risk Assekuranz Kontor (SZ vom 8. März 2016), auf sich hat.

Bei der Personal-Angelegenheit dreht es sich um die Nachfolge von Karlheinz Blessing . Der frühere Vorstandschef beider Stahlunternehmen ist seit Anfang des Jahres Arbeitsdirektor bei VW . Dem Vernehmen nach soll es keinen Nachfolger von Blessing mehr als Vorstandsvorsitzender der Dillinger Hütte und der Saarstahl AG geben. In den beiden Gesellschaften soll nur noch ein Sprecher des Vorstandes als "Erster unter Gleichen" fungieren. Nach SZ-Informationen soll Finanzvorstand Fred Metzken diese Funktion sowohl bei Saarstahl als auch bei der Dillinger Hütte einnehmen.

Metzken ist schon länger in der Geschäftsführung der Obergesellschaft beider Unternehmen, der SHS - Stahl-Holding-Saar. In dieses Gremium soll jetzt auch Peter Schweda für Blessing als Geschäftsführer nachrücken. Schweda ist der Arbeitsdirektor beider Konzerne. Informationen unserer Zeitung zufolge muss der Arbeitsdirektor Mitglied in der SHS-Geschäftsführung sein. Dies beruhe auf einer Absprache mit der Gewerkschaft IG Metall . Auch Blessing war Arbeitsdirektor in beiden Unternehmen und ist in dieser Funktion auch in die SHS-Geschäftsführung berufen worden. Erst später rückte er zum Vorstandschef auf.

Von Müller wollen die Aufsichtsräte von Saarstahl und der Holding SHS, die heute tagen, eine Erklärung, warum er 1995 die Risk Assekuranz in der Nähe von Mannheim gegründet hatte und wer der ominöse Auftraggeber für diese Gründung war. Müller will ihn nicht nennen und beruft sich auf seine anwaltschaftliche Schweigepflicht. Auch die mutmaßliche Verquickung von Versicherungsgeschäften der Risk Assekuranz und den Versicherungs-Töchtern der Stahlunternehmen soll Thema der Fragestunde sein. "Die Arbeitnehmer-Vertreter in den Aufsichtsräten erwarten, dass Herr Müller entsprechende Erklärungen abgibt", sagt Saarstahl-Aufsichtsrat Heinz Bierbaum. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Linksfraktion im Saar-Landtag will danach darüber diskutieren, "ob uns diese Informationen ausreichen oder nicht". "Wir wollen wissen, wie das gelaufen ist." Auch bei der Staatsanwaltschaft Saarbrücken wartet man auf eine Stellungnahme Müllers, heißt es bei der Ermittlungsbehörde.Bundesrat macht sich stark für Erhalt der Stahlindustrie

Saarbrücken. Die Bundesländer Niedersachsen, Saarland und Sachsen bringen am Freitag eine Entschließung in den Bundesrat ein, in der sich die Ländervertretung dafür einsetzt, "faire Rahmenbedingungen für die heimische Stahlindustrie zu schaffen". Unter anderem fordert der Bundesrat darin die Bundesregierung auf, "sich für eine wirkungsvoll ausgestaltete und effektive Außenhandelspolitik einzusetzen". Das Prüfverfahren der EU-Kommission bei Antidumpingverfahren müsse deutlich verkürzt werden.

Darüber hinaus spricht sich die Länderkammer "für eine angemessene Verteilung der Kosten der Energiewende aus, so dass diese auch für die energieintensive Stahlindustrie tragbar bleiben". Die Branche sei "mit ihren rund 86 000 Beschäftigten ein Werkstofflieferant mit zentraler Bedeutung für die industriellen Wertschöpfungsketten in Deutschland". lowZollschranken sollen schnell oben

EU will europäischen Stahl vor Billigkonkurrenz schützen

Brüssel/Saarbrücken. Angesichts des Preisverfalls für Stahl will die EU-Kommission die europäische Industrie stärker vor Billig-Konkurrenz schützen. Dazu schlägt sie unter anderem ein Frühwarnsystem für Stahlimporte vor, die europäischen Produzenten schaden könnten. Zudem sollen unter bestimmten Umständen höhere Antidumpingzölle möglich werden, wie die Brüsseler Behörde gestern mitteilte.

"Nun kommt es darauf an, dass diese Maßnahmen umgehend in die Gesetzgebung einfließen. Dafür erhoffe ich mir die Unterstützung des Europäischen Rates", sagte der Präsident des deutschen Stahlverbands Hans-Jürgen Kerkhoff. Es sei gut, dass damit die bedrohliche Situation der Stahlindustrie aufgegriffen und Einigkeit über den dringenden Handlungsbedarf insbesondere im Bereich der Außenhandelspolitik bestehe.

Die EU-Kommission hat bereits 37 Antidumping- und Antisubventionsmaßnahmen in Kraft gesetzt, 16 davon gegen China. Darüber hinaus stellt sich Brüssel nun vor, die sogenannte Regel des niedrigeren Zolls zu streichen. Dadurch sollen noch höhere Anti-Dumping-Zölle möglich werden.

Aus dem Saarland kommt Zustimmung für die Kommissionspläne. Landtags-Vizepräsidentin Isolde Ries (SPD ), Berichterstatterin des Ausschusses der Regionen (AdR) zum Thema "Herausforderungen für den EU-Stahlsektor aus der Perspektive der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften", fordert unter anderem eine Beschleunigung der EU-Antidumpingverfahren und dass der Richtlinienvorschlag für den Emissionshandel ab 2021 "gründlich überarbeitet werden muss". Nach Auffassung des saarländischen Europa-Abgeordneten Jo Leinen (SPD ) "braucht dieser Industriezweig Perspektiven". dpa/low

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