Stadtgalerie: Rolle rückwärts nach vorn?

Saarbrücken. Die Koinzidenz der Ereignisse gibt zu denken, so sehr nun von "Zufall" die Rede ist. Einen Tag, ehe gestern Abend der Stadtrat den Kooperationsvertrag mit der Stiftung Kulturbesitz zum 31. 12. 2011 gekündigt hat, womit die Tage von Ernest W. Uthemann als Leiter der Stadtgalerie gezählt sind, veröffentlichte der Saarländische Künstlerbund (SKB) einen Offenen Brief

Saarbrücken. Die Koinzidenz der Ereignisse gibt zu denken, so sehr nun von "Zufall" die Rede ist. Einen Tag, ehe gestern Abend der Stadtrat den Kooperationsvertrag mit der Stiftung Kulturbesitz zum 31. 12. 2011 gekündigt hat, womit die Tage von Ernest W. Uthemann als Leiter der Stadtgalerie gezählt sind, veröffentlichte der Saarländische Künstlerbund (SKB) einen Offenen Brief. Darin forderte man nicht nur eine "nachhaltige Sicherung" der dauerkrisengeschüttelten Stadtgalerie, sondern übte auch recht unverblümt Kritik an Uthemann.Oberbürgermeisterin Charlotte Britz (SPD), die seit langem darauf drängt, dass die Stadt wieder (wie 1985 bis 1994) die Alleinregie übernimmt und die ganz offenkundig einen Leitungswechsel will, sieht sich denn auch bestätigt. Nun komme, wie die SKB-Wortmeldung zeige, "Bewegung in die Diskussion", findet Britz. Die Frage ist nur, ob die Lokalpolitik dasselbe will wie der Künstlerbund und all jene, die die Qualitäten der Stadtgalerie als Laboratorium nicht missen wollen. Zweifel sind angebracht. Britz stellt derweil in Abrede, dass für die Stadt höhere Ausgaben unausweichlich sind. Die von Kulturdezernent Erik Schrader (FDP) veranschlagten Mehrkosten (bis zu 100 000 Euro durch den Wegfall von Verwaltungs- und Marketingleistungen der Stiftung) seien bislang "nicht nachgewiesen". Soll die Stiftung alles zum Nulltarif entrichtet haben? Auch müsste die Stadt, wollte sie ernstlich die Galerie-Potenziale ausweiten, mehr Geld in die Hand nehmen, als ihr 2014 durch den geplanten Umzug des Kulturamtes in die Markt-Immobilie (durch den Wegfall der hohen Miete am jetzigen Standort) zufiele.

Geld ist das eine, Personalien sind das andere: Fallen nun auch die Künstler Uthemann in den Rücken? In der Stellungnahme des Künstlerbundes heißt es, diesem - seit 2003 Nachfolger von Galeriegründer Bernd Schulz, der das Haus auf Klangkunst abonnierte und als Wahrnehmungsschule begriff, um Schnittstellen von aktueller Kunst und Wissenschaft zu ermitteln - sei es nicht gelungen, "an das gewohnte Ausstellungsniveau anzuknüpfen". Von "einem besorgniserregenden Niedergang" seit Schulz' Abgang ist die Rede. Mit der Umstrukturierung der Museen in Saarbrücken habe sich die "Situation der Stadtgalerie dramatisch verändert", konzidiert man.

Das klingt alarmierender, als die Realität es hergibt. Zumal eine Umstrukturierung, soweit sie die Stadtgalerie tangiert, ja erst bevorsteht. Zutreffend ist, dass sich durch den im Bau befindlichen Vierten Pavillon - womöglich - die Frage nach einer Neupositionierung stellt. Bis dato ist nur bekannt, dass Stiftungsvorstand Ralph Melcher dort aktuelle Kunstpositionen spiegeln will. Dies allein ergibt nicht notwendigerweise eine Konkurrenzsituation. Zumal im Saarlandmuseum eher bedacht werde, wer "schon museale Reife" erreicht habe, wie Ursel Kessler es ausdrückt, die seit 2008 mit Thomas Wojciechowicz die Doppelspitze des SKB stellt. Beide betonen, nicht Uthemann sei das "vorrangige Problem" der Stadtgalerie, sondern die jahrelange Hängepartie hinsichtlich ihrer Zukunft. Nicht nur, dass der Stadtzuschuss seit Jahr und Tag eingefroren ist, auch Gedankenspiele des Kulturdezernenten, das Haus auf Basis von Kuratoren-Werkverträgen weiterzuführen, haben zu Unmut und Unruhe geführt. Ganz abgesehen davon, dass die Politik seit fünf Jahren Zeit gehabt hätte, Konzeptionen zu forcieren. Stattdessen beließ man es bei der reflexartigen Behauptung, bessere Besucherzahlen seien möglich. Vergessen wird dabei, dass auch ein Bernd Schulz, obschon dieser fraglos über mehr Kampfeswillen und Ausstrahlung verfügte als der verhalten agierende Uthemann, heute ungleich schwerere Bedingungen vorfände. Nicht nur, dass sich die großregionale wie die (inter)-nationale Kunstlandschaft erheblich diversifiziert hat, die Konkurrenz also ungleich größer ist. Auch ist es republikweit ob schrumpfender Kulturberichterstattungen schwerer geworden, die gebetsmühlenartig reklamierte "überregionale Resonanz" zu finden. Im Übrigen warf man auch Schulz vor, er sei elitär, weil er nicht auf den Applaus der Massen spekulierte.

Immerhin lässt OB Britz durchblicken, dass sie nicht erwartet, "künftig die Massen dort hineinzuziehen". Gleichzeitig unterstellt sie, dass eine stärkere Breitentauglichkeit auch "mit sperrigen Angeboten" möglich sei. Ihr schwebt ein "experimentelles Museum" vor, nach ihren Worten vergleichbar der Rolle der Sparte 4 im Theaterbereich. Dass die Stadt die Stiftung womöglich nun auch deshalb ausbootet, weil man mit Melcher noch alte Rechnungen offen hat, nennt Britz abwegig. Tatsächlich? Ausgerechnet jene Parteien, die nun die Mehrheit stellen, lagen im Zuge des Bauprojektes Vierter Pavillon mit Melcher am heftigsten überkreuz.

Während Uthemann nach eigenen Worten "keine Erklärung für das Schreiben des Künstlerbundes" hat, kritisieren die im SKB organisierten Künstler, von ihm im Vorfeld der letzten SBK-Schau ("Referenzen", 2009) nicht unterstützt worden zu sein. Am Ende nun könnten auch die Künstler der Lokalpolitik eine Brücke über die Täler des Populistischen bauen: Sofern sie deutlich machen, dass diese Landeshauptstadt sich auch künftig ein Versuchslabor aktueller Kunst leisten muss.

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