St. Ingberter Harmonie der Widersprüche: 30 Jahre Literaturforum

St. Ingbert. 30 Jahre passen nicht in einen Leitz-Ordner. Alleine die Korrespondenzen und Abrechnungen seit der Jahrtausendwende beanspruchen deren drei. Ein paar Minuten dauert es also schon, bis Gerhard Sauder (Foto: Maurer) - seit 1988 Sprecher des St. Ingberter Literaturforum (ILF) - alle Autoren vorgelesen hat, die seit 2001 auf ILF-Einladung in der Stadtbibliothek lasen

St. Ingbert. 30 Jahre passen nicht in einen Leitz-Ordner. Alleine die Korrespondenzen und Abrechnungen seit der Jahrtausendwende beanspruchen deren drei. Ein paar Minuten dauert es also schon, bis Gerhard Sauder (Foto: Maurer) - seit 1988 Sprecher des St. Ingberter Literaturforum (ILF) - alle Autoren vorgelesen hat, die seit 2001 auf ILF-Einladung in der Stadtbibliothek lasen. Sechs bis acht im Jahr. Regionalautoren höchst unterschiedlicher Güte gastierten - eklatante Schwankungen muss inkaufnehmen, wer hierzulande Autorenförderung betreiben will. Auch der eine oder die andere Auswärtige von Rang fand her: Wulf Kirsten, Barbara Honigmann oder Arnold Stadler etwa, Karl-Heinz Ott und zuletzt Silke Scheuermann.300 Leute kamen im Oktober 1981 zur Premiere des ein paar Monate zuvor vom St. Ingberter Original Fred Oberhauser (Rundfunkjournalist, Literaturforscher, Bibliomane) gegründeten Literaturforums in die Stadthalle. Angekündigt war damals Peter Härtling. Morgens aber sagte er ab, weil er am selben Tag partout gegen die Startbahn West demonstrieren musste. Deshalb habe dann "der Lukkel", Ludwig Harig (Foto: SZ), ranmüssen, erzählt Sauder - emeritierter Saarbrücker Germanist und Mitherausgeber der Münchner Harig-Werkausgabe. Sieben Bände sind bislang erschienen, zehn sollten es ursprünglich im Ganzen sein, nun aber werden es 13 - dies nur nebenbei. Es sei dann, sagt Sauder, die erfolgreichste Lesung geworden, die er je mit Harig erlebt habe. Insoweit schließt sich am kommenden Samstag, wenn das Literaturforum sein 30-jähriges Jubiläum mit einer Hommage an den Sulzbacher Luftkutscher feiert, ein Kreis. Harig zu Ehren lesen Arnfrid Astel, Alfred Gulden und Johannes Kühn; daneben werden Texte von ihm (so die "Kleine saarländische Sprachkunde") deklamiert. Ferner reist Reiner Kunze, bis zu seiner Ausbürgerung aus der DDR 1977 einer ihrer zähesten Regimekritiker, mit Gedichten und Tagebuchnotizen aus 40 Jahren an.

Als die St. Ingberter Lokalpolitik Anfang der 80er mit der Idee schwanger ging, als Pendant zu ihrem Albert Weisgerber gewidmeten Kunstpreis auch einen für Literatur aufzulegen, riet Oberhauser ab: statt literarischer Eintagsfliegen solle man lieber übers Jahr verteilt Kultur für alle bieten. Die Stadtoberen nickten beifällig und gaben 10 000 Mark im Jahr. Gutes Geld damals, heute sind es nur noch 3500 Euro. Dafür kamen Grass, Walser und andere. 1984, längst war das ILF Mitglied der bundesdeutschen Arbeitsgemeinschaft literarischer Gesellschaft, folgte auf Oberhauser Sybille Knauss als Sprecherin des ILF, ehe dieser Part dann Sauder zufiel. Fragt man ihn in diesen Jubiläumstagen, wo das Bilanzieren zur Stehgreifübung wird, ob Publikum und ILF gemeinschaftlich gealtert seien, nickt Sauder. Er macht kein Hehl daraus, dass man "die Jüngeren" nicht mehr erreiche. "Für die ist, was wir machen, offenbar etwas für Senioren." Ein Harig-Erbe aber etwa ist hierzulande nirgends in Sicht. cis

Literaturfest: Samstag ab 16 Uhr in der St. Ingberter Stadtbücherei.

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