Zwei und ein hoffentlich größeres X

Saarbrücken · Der neue Olympia-Zyklus beginnt, der Verteilungs-Kampf um die Fördergelder ist im Gange. Auch im Saarland müssen sich einige Verbände neu aufstellen, Ziele für 2020 definieren. Die SZ beleuchtet ihre Lage und startet mit Leichtathletik.

 400-Meter-Läuferin Laura Müller ist das Aushängeschild der saarländischen Leichtathletik. Nach ihrer Olympia-Premiere in Rio soll sie durchstarten und auch 2020 in Tokio dabei sein.

400-Meter-Läuferin Laura Müller ist das Aushängeschild der saarländischen Leichtathletik. Nach ihrer Olympia-Premiere in Rio soll sie durchstarten und auch 2020 in Tokio dabei sein.

Foto: Ruppenthal

Lothar Altmeyer macht eine ganz einfache Rechnung auf. 92 deutsche Leichtathleten bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro, darunter mit Laura Müller und Sosthene Moguenara zwei aus dem Saarland. Bei etwa 80 Millionen Bundesbürgern und knapp einer Million Saarländer "sind wir sogar leicht überrepräsentiert gewesen", sagt der Präsident des Saarländischen Leichtathletik-Bundes (SLB).

Zu Beginn des neuen Olympia-Zyklus sieht Altmeyer in den Olympia-Starterinnen auch die Aushängeschilder für die kommenden vier Jahre. Wobei das für die gebürtige Saarländerin Müller noch viel mehr gilt als für Moguenara, die im afrikanischen Tschad geboren ist, mit neun Jahren nach Deutschland kam, lange für den TV Wattenscheid und seit 2016 für das LAZ Saar 05 startberechtigt ist.

Knapp ist der Olympia-Macher

"Ich kenne Laura seit der fünften Klasse", sagt Altmeyer, der auch Leiter des Sportzweiges an der Eliteschule des Sports, dem Gymnasium am Rotenbühl in Saarbrücken , ist: "Es war schon immer klar, dass sie ein besonderes Talent ist, dass sie Power hat", sagt Altmeyer. Seit Müller 2011 die 400 Meter als ihre Strecke gefunden hat, geht es bergauf. "Kometenhaft", wie Altmeyer sagt: "In vier Jahren von der C-Kader-Athletin hin zur Olympia-Starterin - sie hat gezeigt, dass das möglich ist."

Müller dient als Ansporn, als Vorbild für eine Reihe von jungen Saarländern, die an der Schwelle zum Erwachsenenbereich stehen. Im Nachwuchsbereich stellt der SLB immer wieder Talente, die bundesweit zu den Besten, bis zur U20 oder U23 gar zur europäischen Spitze zählen. Aber nur wenige schaffen den Übergang zu den Aktiven. "In den meisten Fällen ist der Körper nicht für den absoluten Leistungssport gemacht", sagt Altmeyer: "Die Belastungsverträglichkeit ist ein ganz wichtiger Punkt." Und selbst der garantiert kein Durchstarten. "Mit einem guten Talent und Trainingsfleiß kann man in der Jugend was erreichen. Aber nur herausragende Talente schaffen es bei den Aktiven in die internationale Spitze", sagt Altmeyer, der keinen der besten Nachwuchssportler im Land mit zu großem Druck konfrontieren will. Aber Potenzial gäbe es. Bei den Hammerwerfern Sophie Gimmler und Fabio Hessling, bei den Zott-Drillingen Annalena, Franziska und Katharina, bei Kugelstoßer Valentin Moll oder Mehrkämpfer Marvin Bollinger. "Schwer zu sagen, ob da ein Weg zu Olympia führt. Sie alle kommen jetzt in einen Bereich, wo es langsam ernst wird", sagt Altmeyer.

Saarländische Leichtathleten bei Olympia - viele gab es in den letzten Jahren ohnehin nicht. Speerwerfer Boris Henry , Marathonläuferin Susanne Hahn, die 400-Meter-Läufer Shanta Ghosh und Simon Kirch, jetzt Müller. Andere wie die Weitspringer Christian Reif, Bianca Kappler oder jetzt Moguenara haben sich wegen der Trainingsmöglichkeiten für das Saarland entschieden - und wegen der Trainer-Qualität. Sie ist ein entscheidender Faktor auf dem Weg nach oben. "Es geht nur über hauptamtliche Trainer", sagt Altmeyer.

Im Saarland heißt der Olympia-Macher derzeit Ulrich Knapp. Der Kirkeler ist Weitsprung-Bundestrainer beim Deutschen Leichtathletik-Verband und hat eine Ausnahmegenehmigung für den Sprint, also für Müller. "Er ist gesetzt, seine Arbeit spricht für sich", sagt Altmeyer und betont, dass weitere Top-Trainer da seien, die entsprechenden Freiraum bräuchten, um ambitionierte Projekte zu begleiten. Altmeyer nennt Werner Schorr, Christoph Sahner, Werner Klein, auch Nachwuchs-Bundestrainer Lars Albert. Boris Henry , inzwischen Obergföll, fehlt in der Liste. "Mit seinem Weggang nach Offenburg haben wir ein Pfund verloren. Er hätte uns im Speerwurf über Jahre Weltklasse garantiert", sagt Altmeyer: "Aber Veränderungen aus privaten Gründen sind nie auszuschließen." Auch Dreispringer Martin Jasper, 2016 EM-Teilnehmer in Amsterdam, verließ das Saarland der Liebe wegen.

"Das Experiment" Grauvogel

Allein wegen der Liebe zum Saarland werden Talente und Topathleten auch künftig nicht im Saarland bleiben. Gemeinsam mit dem Landessportverband für das Saarland (LSVS) und dem Förderausschuss Spitzensport sollen die finanziellen Rahmenbedingungen geschaffen werden, um die saarländische Leichtathletik besser, zielgerichteter aufzustellen. Gespräche laufen, auch mit dem DLV. Der entscheidet, wo er Bundesstützpunkte installiert. Saarbrücken verfügt in Zusammenarbeit mit Zweibrücken derzeit über einen Schwerpunkt Sprung/Mehrkampf.

Bei allen Plänen und Hoffnungen stoßen SLB und LSVS aber immer wieder an Grenzen. Altmeyer hat für die saarländische Leichtathletik kein Problem, das zu akzeptieren. Vielmehr sucht er nach neuen Möglichkeiten. "Wenn wir uns etwas nicht leisten können, müssen wir auf die Ressourcen anderer zurückgreifen", erklärt er das Beispiel der Mehrkämpferin Louisa Grauvogel. Die 19-Jährige aus Ottweiler hat das Saarland gerade verlassen - in Richtung USA. Bei Star-Trainer Petros Kyprianou an der University of Georgia in Athens, einer der besten zehn US-Unis in der Leichtathletik , soll Grauvogel zur Weltklasse-Athletin reifen. "Ein Experiment", sagt Altmeyer und verweist auf Mehrkämpfer Luca Wieland, der ebenfalls in die USA gegangen war, dort einen Riesensprung machte, dieses Jahr verletzungsbedingt aber keine Chance auf die Olympia-Qualifikation hatte.

 Mehrkämpferin Louisa Grauvogel soll in den USA zur Top-Athletin reifen. Foto: jungmann

Mehrkämpferin Louisa Grauvogel soll in den USA zur Top-Athletin reifen. Foto: jungmann

Foto: jungmann

Mit der klaren Marschrichtung "zwei plus X" war der SLB das Olympia-Jahr angegangen. Dies sei ein realistisches Ziel gewesen, sagt Altmeyer, auch wenn sich das X nicht erfüllt habe. Für die Sommerspiele 2020 in Tokio wird das gleiche Ziel stehen. Nur ist die Hoffnung auf das X ein gutes Stück größer.

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